Rund um den Verwaltungsakt
Der Verwaltungsakt ist der wohl am häufigsten vorkommende Rechtsakt des öffentlichen Rechts. Er wird geregelt in §35 S. 1 VwVfG und gehört zum absoluten Grundwissen des Verwaltungsrechts – bis hin zum Examen. Der Verwaltungsakt – kurz: VA – ist die typische Form des Verwaltungshandelns. Seine Funktionen sind: Die Umsetzungs- und Regelungsfunktion, die Funktion als effektives Regelungsinstrument und die Titelfunktion. Es gibt zahlreiche Begriffe in anderen Gesetzen, die einen VA beschreiben, wie der Bescheid, der Beschluss, die Erlaubnis, die Genehmigung und die Verfügung.
Merkmale eines Verwaltungsaktes
Bei dem VA muss es sich um eine hoheitliche Maßnahme handeln. Es muss also ein einseitig diktierendes, zweckgerichtetes Handeln vorgelegen haben. Dabei kann jedes Handeln eine Maßnahme sein, es ist erstmal unerheblich, ob eine Rechtsgrundlage vorhanden ist. Weiterhin sind elektronisch und automatisch erstellte Bescheide der Behörde zuzurechnen, da die Programme von Menschen programmiert wurden.
Damit sind wir schon beim nächsten Merkmal: Der VA muss von einer Behörde erlassen worden sein. Was eine Behörde ist, ergibt sich aus §1 Abs. 4 VwVfG, nämlich das sie eine Stelle ist, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Dieses Merkmal kann problematisch werden, wenn Beliehene (Privatrechtssubjekte, denen öffentlich-rechtliche Befugnisse übertragen wurden, z.B. der TÜV) handeln. Dann sind sie grundsätzlich zwar keine Behörden, können aber im Einzelfall als Behörde auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts Verwaltungsakte erlassen.
Damit sind wir beim nächsten Stichwort: Das Gebiet des öffentlichen Rechts. Der VA muss auf einer Rechtsgrundlage beruhen, die sich aus dem öffentlichen Recht ergibt.
Weiterhin muss er eine Regelung darstellen. Durch den VA muss eine verbindliche Rechtsfolge gesetzt werden. Davon abzugrenzen sind Realakte, die rein tatsächliches Verwaltungshandeln darstellen, mit dem Zweck der Herbeiführung eines tatsächlichen Erfolges, z.B. Auskünfte oder Informationen.
Außerdem muss ein Einzelfall geregelt werden. Darin unterscheidet man den Verwaltungsakt von Rechtsnormen, die generell-abstrakt sind und sich an einen unbestimmten Adressatenkreis richten. Verwaltungsakte sind hingegen konkret-individuell ausgestaltet. Es liegt auch eine Einzelfallregelung vor, wenn mehrere Personen betroffen sind, solange sie individuell bestimmt sind. Dabei ist auch §35 S. 2 VwVfG zu beachten, die sogenannte Allgemeinverfügung. Es liegt demnach auch ein VA vor, wenn die vollständige Individualisierung der Adressaten nicht möglich ist, aber es sich um eine abstrakt-individuelle Regelung handelt. Als Beispiel ist hier ein Verkehrsschild zu nennen, dass alle Vorbeifahrenden adressiert, diese jedoch nicht im Vorhinein bestimmbar sind.
Zuletzt muss der VA eine Außenwirkung haben. Es muss sich um externen Verwaltungshandeln handeln, welches nicht nur behördenintern wirkt.
Eine gute Eselsbrücke ist übrigens GRABEM – Gebiet des öffentlichen Rechts, Regelung, Außenwirkung, Behörde, Einzelfall, Maßnahme. Manche Prüfer wollen gerne, dass man die Merkmale des VA aufzählen kann, ohne ins Gesetz zu schauen.
Spezialwissen zum Verwaltungsakt
Manchmal kann ein VA auch mit einer Nebenbestimmung erlassen werden. Nebenbestimmungen stehen neben dem Hauptverwaltungsakt und sind abzugrenzen von Inhaltsbestimmungen. Letztere prägen und konkretisieren nur den Hauptverwaltungsakt selbst, sodass sie eine einheitliche Regelung mit dem VA darstellen und nicht selbstständig angegriffen werden können. Ein Beispiel wäre die Angabe eines Abstands zum Nachbargrundstück in einer Baugenehmigung. Nebenbestimmungen hingegen ergänzen den Hauptverwaltungsakt. Einem gebundenen VA kann nach §36 Abs. 1 VwVfG eine Nebenbestimmung beigefügt werden, wenn durch sie die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen sichergestellt werden soll. Im Ermessensverwaltungsakt sind nach §36 Abs. 2 VwVfG Nebenbestimmungen auch ohne besondere gesetzliche Grundlage zulässig, soweit sie nicht dem Zweck der Regelung oder der Natur des VA widersprechen. Eine Befugnis zum Erlass von Nebenbestimmungen ergibt sich sowohl aus der Zustimmung des Adressaten als auch aus der Ermächtigung zum Erlass des VA.
Es ist umstritten, ob eine Nebenbestimmung einzeln angegriffen werden kann. Das hängt davon ab, ob die Nebenbestimmung eine eigenständige Regelung bildet oder nur mit dem Hauptverwaltungsakt zusammen eine einheitliche Reglung formt, sodass nur ein VA vorliegt. Bedingungen, Befristungen und Widerrufsvorbehalte iSd. §36 Abs. 2 Nr. 1 – 3 VwVfG sind meistens untrennbar mit dem Hauptverwaltungsakt verbunden. Gegen einen solchen VA mit einer Nebenbestimmung ist dann die Verpflichtungsklage statthaft, mit dem Ziel, dass der VA ohne die Nebenbestimmung neu erlassen wird.
Nach dieser Ansicht stehen nur die Auflage und die Auflagenvorbehalte nach §36 Abs. 2 Nr. 4,5 VwVfG selbstständig neben dem VA und können isoliert durch Anfechtungsklage angegriffen werden.
Nach herrschender Ansicht, die sich auf den Wortlaut des §113 Abs. 1 S. 1 VwGO („soweit“) stützt, sind alle Nebenbestimmungen isoliert anfechtbar. Eine Anfechtung der Nebenbestimmung nützt dem Kläger natürlich nichts, wenn dann der Hauptverwaltungsakt, ohne die Nebenbestimmung, keinen Bestand mehr hat, was jedoch eine Frage der Begründetheit ist und nicht der statthaften Klageart. Dort kann jedoch geprüft werden, ob eine isolierte Anfechtung und die Möglichkeit einer isolierten Aufrechterhaltung des Hauptverwaltungsaktes bestehen. Wenn das der Fall ist, liegt eine prozessuale Teilbarkeit vor und eine isolierte Anfechtungsklage nur gegen die Nebenbestimmung ist möglich.
Der Verwaltungsakt ist Grundwissen!
Vom Grundstudium bis zur Examensklausur und hin ins Referendariat ist der Verwaltungsakt absolutes Standardwissen. Verwaltungsakte können die unterschiedlichsten rechtlichen Probleme aufwerfen und in vielen Formen und Gestalten erscheinen. Manchmal ist auch nicht ganz klar ersichtlich, ob denn nun ein Verwaltungsakt vor lag oder nicht. Daher sollte man die Grundlagen zum Verwaltungsakt gut verstehen und verinnerlichen!
JurCase informiert:
Während im Straf- und Zivilrecht für das Referendarsexamen hauptsächlich materiell-rechtliche Probleme erlernt werden und das notwenige Prozessrecht erst im Referendariat vertieft wird, kommst du im öffentlichen Recht schon während deiner Unizeiten mit dem Prozessrecht der VwGO in Kontakt. Zur Vertiefung soll der Beitrag Basiswissen VwGO: Die Verwaltungsgerichtsordnung im Zweiten Staatsexamen die relevantesten Normen aus der Verwaltungsgerichtsordnung für das Assessorexamen darstellen.