Erfahrungsbericht und Tipps für die „große Freiheit“
Endlich habt ihr es geschafft: Der Endgegner ist bezwungen, eine lange Odyssee hat ihr Ende gefunden. Oder weniger blumig ausgedrückt: Ihr habt die mündliche Prüfung bestanden und seid nun Volljuristen. Vorangestellt: Die allerherzlichsten Glückwünsche von meiner Seite, ihr habt es euch redlich verdient! Doch wie geht es nun weiter?
Der folgende Erfahrungsbericht soll euch ein paar Tipps geben, worauf ihr direkt nach der mündlichen Prüfung besonders achten solltet.
Organisatorisches oder auch: Von der Wiege bis zur Bahre: Formulare, Formulare!
Einige organisatorische Punkte solltet ihr auf jeden Fall beachten, die ich aufgrund ihrer Wichtigkeit direkt voranstellen möchte. Und – wie immer in der Servicewüste Deutschland – sind diese natürlich mit dem fleißigen Ausfüllen mannigfaltiger Formulare verbunden.
Bereits kurz vor bzw. direkt nach der schriftlichen Prüfung werdet ihr seitens eures jeweiligen OLG meist daran erinnert, euch beim zuständigen Arbeitsamt zum voraussichtlichen Ende eures Referendariats arbeitssuchend zu melden. Ich weiß, das ist absolut kein Thema, mit dem man sich in der Prüfungsvorbereitung herumschlagen möchte. Aber nur die wenigsten Referendare starten – wie ich – nahtlos nach der mündlichen Prüfung ins Berufsleben, sodass die Arbeitssuchendmeldung bzw. der spätere Bezug von ALG I zumindest zeitweilig euren Unterhalt (und das Weiterbestehen der gesetzlichen Versicherungen) sichern kann. Und eure Unterhaltsbeihilfe wird lediglich bis zum Tag der mündlichen Prüfung gezahlt, sodass ihr im letzten Monat bei einer frühen Prüfung im Worst Case nur einen Bruchteil ausgezahlt bekommt. Die rechtzeitige Arbeitssuchendmeldung ist sogar eine Obliegenheit nach § 38 SGB III, deren Nichteinhaltung eine Sperrzeit auslösen kann. Das heißt, dass im ersten Monat nach dem Referendariat die Leistungsansprüche gemindert werden können. Ihr könnt das Bestehen der mündlichen Prüfung zu diesem Zeitpunkt ja aber noch nicht sicher vorhersagen, sodass der Bundesagentur für Arbeit oft die aktuelle Arbeitslosmeldung am Tag nach der bestandenen mündlichen Prüfung genügt. Um auf der sicheren Seite zu sein, kann ich euch aber eine Meldung innerhalb der Dreimonatsfrist empfehlen. Im digitalen Zeitalter (in dem langsam auch die Behörden ankommen) kann die Arbeitssuchendmeldung bereits via Internet oder auch per Telefon erfolgen. Ihr werdet hierbei meist aufgefordert, einen aktuellen Lebenslauf, den (elektronischen) Personalausweis sowie eure Sozialversicherungsnummer zu verifizieren. Da das Ausfüllen dieser Formulare etwas Zeit kostet, empfehle ich euch, es nicht bis zum letztmöglichen Zeitpunkt hinauszuzögern.
Die Arbeitslosmeldung solltet ihr mit der vorherigen Arbeitssuchendmeldung nicht verwechseln. Mit der Verkündung des Bestehens der mündlichen Prüfung endet euer Ausbildungsverhältnis. Ihr habt daher umgehend eine persönliche Arbeitslosmeldung vorzunehmen. Umgehend umfasst hierbei meist den Tag, der auf die mündliche Prüfung folgt. Während der Corona-Pandemie entfiel weitgehend die Pflicht zur persönlichen Vorstellung beim Arbeitsamt. Eine telefonische Arbeitslosmeldung über die auf der Internetseite der Bundesagentur für Arbeit angegebene Rufnummer, die euch meist bereits seitens eures Sachbearbeiters übermittelt worden ist, reichte aus. Bei diesem ersten Vermittlungsgespräch schließt ihr regelmäßig eine Eingliederungsvereinbarung nach §§ 35, 37 SGB III, die eure Eingliederungsbemühungen umfasst.
Je nach Bundesland erhaltet ihr von eurem jeweiligen OLG bzw. dem DLZP zusätzliche weitere Formulare zum Bestehen der mündlichen Prüfung, die ihr ebenfalls noch ausgefüllt zurücksenden müsst.
Stellt euch daher darauf ein, dass zumindest in den ersten Tagen nach der mündlichen Prüfung euer Stresslevel vermutlich nicht viel niedriger als davor sein wird. No rest for the wicked!
Das ALG I: Freund oder Feind?
Als Referendare seid ihr berechtigt, Arbeitslosengeld I zu empfangen, weil die während des Referendariates erhaltene Unterhaltbeihilfe als Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV angesehen wird. Mit Ableistung des Referendariats habt ihr auch die nach § 142 SGB III erforderliche Anwartschaftszeit von mindestens 12 Monaten erfüllt. Fraglich ist jedoch, ob der Empfang von ALG I für euch wirklich von Vorteil ist.
Das ALG I wird anhand des letzten Nettoeinkommens berechnet. Hiervon wird ein Anteil von 60% ausgezahlt. Er erhöht sich auf 67 Prozent, falls ihr oder euer Ehe-/Lebenspartner ein oder mehrere Kinder habt. Im letzten Monat meines Referendariates habe ich ca. 1170 € netto verdient. Mein Anspruch auf ALG I umfasste laut dem Selbstrechner der Bundesagentur mithin ca. 630 €. Ggf. könnt ihr zusätzlich einen Anspruch auf Wohngeld in Höhe von zumindest 150 € (je nach Mietstufe eurer Wohnung) geltend machen.
Nebeneinkünfte dürfen bei Bezug von ALG I lediglich zeitlich im Rahmen von bis zu 15 Wochenstunden nach § 138 Abs. 5 SGB III und in der Höhe von bis zu 165 € netto erwirtschaftet werden. Bei Überschreitung dieses Freibetrages wird euer Arbeitslosengeld um die überschrittene Höhe gekürzt. Solltet ihr Nebeneinkünfte erwirtschaften wollen, denkt daran, dies dem Arbeitsamt frühzeitig anzuzeigen und auch hier die notwendigen Formulare auszufüllen. Bei einer Korrekturtätigkeit an der Uni ist dies z.B. die Erklärung zu Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit.
Mithin hätte ich beim Bezug von ALG I monatlich höchstens ca. 800 € zur Verfügung gehabt. Daher habe ich mich dazu entschlossen, nahtlos in Teilzeit in der Kanzlei weiterzuarbeiten, in der ich bereits während des Referendariats tätig war. Die meisten meiner Kollegen haben sich für den zeitweisen Bezug von ALG I entschlossen und dies auch nicht bereut. Wenn ihr notentechnisch gute Aussichten auf euren begehrten Arbeitsplatz oder – noch besser – bereits eine Arbeitsplatzzusage in Aussicht gestellt bekommen habt und nur kurzfristig überbrücken müsst, kann der Bezug von ALG I sicherlich von Vorteil sein. Sollte eure Zukunft aber noch unsicher sein, solltet ihr euch überlegen, ob eine (Teilzeit-)Stelle, mit der ihr eure Lebenshaltungskosten besser decken könnt, nicht vorzugswürdiger ist.
Der Bewerbungsmarathon
Falls ihr nicht bereits eine Arbeitsplatzzusage erhalten habt, dreht sich ein Großteil eurer Zeit direkt nach der mündlichen Prüfung naturgemäß um die Arbeitsplatzsuche. Da detaillierte Ausführungen hierzu den Rahmen dieses Erfahrungsberichtes sprengen würden, soll dies hier nur der Vollständigkeit halber aufgeführt werden. Für tiefergehende Informationen hierzu verweise ich auf meine Erfahrungsberichte zum Bewerbungsverfahren.
Falls ihr ALG I bezieht, denkt daran, dass ihr Bewerbungskosten bis zu einer Höhe von 260 € pro Jahr erstattet bekommt. Dies könnt ihr entweder nach tatsächlichen Kosten durch Einreichen von Quittungen geltend machen oder euch pauschal je 5 € pro Bewerbung nach § 3 UBV-AnO erstatten lassen.
Wichtigster Punkt: Das soziale Leben
Der wichtigste Punkt für die Zeit nach dem Examen soll natürlich nicht außer Acht gelassen werden: Baut euch wieder ein Sozialleben auf.
Falls es euch ähnlich wie mir geht, habt ihr – insbesondere in der heißen Phase um die Prüfungen – euer Sozialleben so ziemlich auf Eis gelegt. Lasst euch jetzt nicht durch die auszufüllenden Formulare oder die Vorbereitung auf das Bewerbungsverfahren weiterhin in dieser Spirale gefangen halten. Nutzt die Zeit nach der mündlichen Prüfung möglichst umfassend dafür, eure Hobbies wiederzubeleben, eure Freunde und Familie zu treffen, zu reisen und einfach die schönen Seiten des Lebens zu genießen.
Fazit:
Wer von euch erwartet hat, sich nach der mündlichen Prüfung am Ende des Regenbogens mit einem Topf voll Gold wiederzufinden, mag nun etwas enttäuscht sein. Auch nach dem Examen lässt der Stress meist nicht direkt nach. Mit frühzeitiger Organisation und guter Zeiteinteilung könnt ihr aber auch direkt nach der Prüfung genügend Zeit finden, um endlich die Dinge in Angriff zu nehmen, die ihr durch das Studium/ Referendariat aufschieben musstet.
Ich hoffe, dieser Erfahrungsbericht gibt euch einige Tipps, was nach der mündlichen Prüfung zu beachten ist und erleichtert euch das eigene Zeitmanagement. Ich wünsche euch viel Erfolg für die Zeit nach dem Examen!