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Fall des Monats JUNI 2019: Umlagefähigkeit der Grundsteuer im Gewerberaummietverhältnis | Schuldrecht BT

By 26. Juni 2019Oktober 10th, 2023No Comments
Fall des Monats

Problem: Umlagefähigkeit der Grundsteuer im Gewerberaummietverhältnis

Einordnung: Schuldrecht BT

OLG Celle, Urteil vom 09.11.2018
2 U 81/18

EINLEITUNG

Mit der vom Bundesverfassungsgericht angeordneten Reform der Grundsteuer ist auch die mietvertragliche Möglichkeit des Vermieters, die Grundsteuer im Rahmen der Nebenkosten auf den Mieter umzulegen, in die Diskussion geraten. Die öffentliche Diskussion bezieht sich auf die Wohnraummiete. Die nachfolgende Entscheidung des OLG Celle zeigt, dass die Umlage von Grundsteuer auch für Gewerberaummietverhältnisse problematisch werden kann.

LEITSATZ
Die in einem Gewerberaummietvertrag enthaltene Regelung über die Umlage von Betriebskosten: „Sämtliche Betriebskosten werden von dem Mieter getragen. Hierunter fallen – insbesondere die Kosten der Be- und Entwässerung sowie der Heizung – einschließlich Zählermiete und Wartungskosten“ genügt mit Ausnahme der aufgeführten Regelbeispiele nicht dem Bestimmtheitsgebot.

TATBESTAND

Der Kläger macht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung rückständiger Nebenkosten (Grundsteuer) auf der Grundlage eines Gewerberaummietvertrages geltend.

Die Beklagte mietete vom Kläger aufgrund eines Gewerberaummietvertrages ab dem 01.01.2012 Gewerberäume an. Dessen § 8 besagt, dass sämtliche Betriebskosten vom Mieter zu tragen sind, wobei in Satz  2 eine durch das Wort „insbesondere“ eingeleitete Aufzählung folgt, die die Grundsteuer nicht ausdrücklich enthält.

Für die Jahre 2012 sowie 2013 rechnete der Klägerin gegenüber der Beklagten im Rahmen der Betriebskostenabrechnung Grundsteuer von jeweils 5.116,92 € ab. Die Beklagte beglich die Betriebskostenabrechnung jeweils in Höhe der Grundsteuer nicht.

Der Kläger ist der Rechtsauffassung, dass die Beklagte auch zur Zahlung der Grundsteuer verpflichtet sei. Denn für eine wirksame Umlagevereinbarung von Betriebskosten bedürfe es auch in Gewerberaummietverträgen nicht der Aufzählung einzelner Betriebskosten, weil der Begriff der Betriebskosten bereits seit vielen Jahrzehnten durch Rechtsverordnungen die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hinreichend festgelegt worden sei.

Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 10.233,84 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Rechtsauffassungen gehören eigentlich nicht in den Tatbestand, es sei denn, es ist, wie hier, in tatsächlicher Hinsicht nichts streitig.

Die Beklagte meint, eine Vereinbarung zur Umlage von Betriebskosten müsse stets in einer Weise hinreichend bestimmt sein, dass für den Mieter zumindest im Sinne einer Bestimmbarkeit erkennbar sei, mit welchen Kostenarten er im Rahmen des Vertrages belastet werden solle. Dies gelte gleichermaßen für Wohn- wie auch für Gewerberaummietverhältnisse.

Rechtsauffassung der Beklagten

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der Kläger war auf der Grundlage von §  8 des Mietvertrages nämlich nicht dazu berechtigt, Grundsteuer auf die Beklagte umzulegen. Denn der streitgegenständlichen Klausel fehlt es an der erforderlichen inhaltlichen Bestimmtheit.

Kein Anspruch auf Zahlung der Grundsteuer, da die Umlageklausel diesbezüglich nicht hinreichend bestimmt ist.

„[20] Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bedarf es einer ausdrücklichen und inhaltlich bestimmten Regelung, aus der sich ergibt, dass der Mieter neben der Grundmiete ganz oder anteilig Betriebskosten zu tragen hat. Letztere müssten der Art nach hinreichend konkretisiert werden. Denn nur dann sei es einem Mieter möglich, sich zumindest ein grobes Bild davon zu machen, welche zusätzlichen Kosten auf ihn zukommen können. Dieser Grundsatz gilt auch bei formularmäßigen Mietverträgen.

Grundsätzlich trägt der Vermieter die Betriebskosten. Die Umlage auf den Mieter muss, auch wenn dies in der Praxis ganz üblich ist, explizit vertraglich vereinbart sein.
Die Regelung muss inhaltlich hinreichend konkret sein, BGH, Urteil vom 02.05.2012, XII ZR 88/10. Dies gilt auch für formularmäßige Mietverträge, OLG Brandenburg, Urteil vom 25.07.2012, 3 U 147/11

[21] Dem Erfordernis inhaltlicher Bestimmtheit ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes dann Genüge getan, wenn der Vertrag zur Umlegung der Betriebskosten eine Verweisung auf die Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 II. Berechnungsverordnung (jetzt § 2 Betriebskostenverordnung) enthält, sofern es sich nicht um „sonstige Betriebskosten“ im Sinne von Nr. 17 der Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 II. Berechnungsverordnung handelt. Denn der allgemeine Verweis auf die Anlage 3 gibt dem Mieter hinsichtlich der Nr.  1 – 16 hinreichende Klarheit darüber, mit welchen Nebenkosten er jedenfalls dem Grunde nach zu rechnen habe.

Die Umlageklausel ist hinreichend bestimmt, wenn auf Anlage 3 zu § 2 BetriebskostenVO verwiesen wird, BGH, Urteil vom 02.05.2012, XII ZR 88/10. Dort wird für das Wohnraummietverhältnis aufgezählt, welche Betriebskosten umlagefähig sind.

Wenn ein Mietvertrag hingegen keine (abschließende) Aufzählung der umzulegenden Betriebskosten enthält und auch keine Verweisung auf die Anlage 3 zu
§ 27 Abs. 1 II. Berechnungsverordnung oder die Betriebskostenverordnung enthält, stellt sich die Frage der hinreichenden Bestimmtheit. Genauso verhält sich der vorliegende Fall. Denn auch im vorliegenden Fall fehlt es an einer abschließenden Aufzählung sowie eines konkreten Hinweises auf die Betriebskostenverordnung. In §  8 des Mietvertrages ist in Satz 1 nur davon die Rede, dass der Mieter „sämtliche Betriebskosten“ zu tragen hat.  Dies reicht nach Auffassung des Senats für sich genommen aber nicht aus.“

Vorliegend enthält der Vertrag weder einen Verweis auf Anlage 3 noch eine ausdrückliche Aufzählung der umzulegenden Betriebskosten, sondern nur die pauschale Umlage „sämtlicher Betriebskosten“ nebst beispielhafter Aufzählung.

Im vorliegenden Fall kann auch nicht unbesehen auf den Betriebskostenbegriff des § 556 BGB zurückgegriffen werden. Denn auch wenn der BGH in seinem Urteil vom 10.02. 2016, VIII ZR 137/15, entschieden hat, dass der Begriff der Betriebskosten in der Wohnraummiete seit vielen Jahrzehnten durch Rechtsverordnung und später durch Gesetz definiert sei, geht es vorliegend jedoch um ein Gewerberaummietverhältnis, für das § 556 BGB gerade nicht anwendbar ist.

Keine Auslegung des Begriffs der „Betriebskosten“ anhand der Regelung aus dem Wohnraummietrecht (§ 556 BGB) möglich.

Denn der Gesetzgeber hat durch die gezielte Auswahl der auf die Geschäftsraummiete anwendbaren Vorschriften in § 578 BGB deutlich zum Ausdruck gebracht, dass §  556 BGB für die Geschäftsraummiete nicht gelten soll und über diesen Willen kann auch nicht im Wege der Analogie hinweggegangen werden.

Das ausdrückliche Schweigen des Gesetzgebers in § 578 BGB zur Anwendung von § 556 BGB verbietet den Analogieschluss, so auch BGH, Urteil vom 27.01.2010, XII ZR 22/07.

Zudem fehlt es im vorliegenden Fall auch an einer Bezugnahme auf die Anlage 3 zu § 27 Abs. 1 II. BV oder der Betriebskostenverordnung. Eine solche Bezugnahme ist aber erforderlich, auch wenn der Begriff der Betriebskosten zum allgemeinen Sprachgebrauch gehört und der durchschnittliche Mieter eine Vorstellung über die wesentlichen umlegbaren Nebenkosten hat.

Dass die Bezugnahme auf Anlage 3 zu §  27 2. BV oder § 2 BetrKV erforderlich ist, vertreten auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 26.09.2002, 10 U 170/01 und BGH, Urteil vom 10.02.2016, VIII ZR 137/15, Rn 11.

„[27] Von einer ausreichenden Bestimmtheit kann im vorliegenden Fall auch deshalb nicht ausgegangen werden, weil – wie bereits oben ausgeführt – der allgemeine Begriff der „Betriebskosten“ offen lässt, wie es sich mit den Kosten verhält, die nach der Betriebskostenverordnung nicht zu den Betriebskosten gehören, welche aber – wenn sie ausdrücklich Erwähnung gefunden haben wie z.B. Verwaltungskosten – umlegbar wären. Die Formulierung „sämtliche Betriebskosten“ ist insoweit in hohem Maße intransparent, weil sie die von der Mieterseite zu tragende Kostenlast – mit Ausnahme der aufgezählten Einzelpositionen – weder inhaltlich noch ihrem Umfang nach ansatzweise in einer dem Bestimmtheitsgebot genügenden Weise erkennen lässt.

Unklar, ob Betriebskosten gemeint sind, die nicht in der Betriebskostenverordnung aufgeführt sind. Zur Umlagefähigkeit von Verwaltungskosten im Gewerberaummietverhältnis: BGH, Urteil vom 10.09.2014, XII ZR 56/11, Rn 11 ff.

Intransparenz der Formulierung

Zur Formulierung „sonstige Kosten im Zusammenhang mit Betrieb und Unterhaltung des Gebäudes“: OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.12.2011, 10 U 96/11

„[27] Von einer ausreichenden Bestimmtheit kann im vorliegenden Fall auch deshalb nicht ausgegangen werden, weil – wie bereits oben ausgeführt – der allgemeine Begriff der „Betriebskosten“ offen lässt, wie es sich mit den Kosten verhält, die nach der Betriebskostenverordnung nicht zu den Betriebskosten gehören, welche aber – wenn sie ausdrücklich Erwähnung gefunden haben wie z.B. Verwaltungskosten – umlegbar wären. Die Formulierung „sämtliche Betriebskosten“ ist insoweit in hohem Maße intransparent, weil sie die von der Mieterseite zu tragende Kostenlast – mit Ausnahme der aufgezählten Einzelpositionen – weder inhaltlich noch ihrem Umfang nach ansatzweise in einer dem Bestimmtheitsgebot genügenden Weise erkennen lässt.

[28] Selbst wenn aber davon ausgegangen würde, dass die im Wesentlichen übereinstimmenden Definitionen in §  1 Abs. 2 Nr. 1 BetrKV und § 27 Abs. 1 der II. Berechnungsverordnung auch im Bereich der Gewerberaummiete als Hilfsmittel zur näheren Bestimmung des Begriffes „Betriebskosten“ herangezogen werden können, verbleiben im vorliegenden Fall weitere – nicht behebbare – Zweifel an der ausreichenden Bestimmtheit. Denn der vorliegende Fall erhält sein besonderes Gepräge dadurch, dass in § 8 des Vertrages nicht nur ganz allgemein von „sämtlichen Betriebskosten“ die Rede ist (Satz  1), sondern im Anschluss daran in Satz  2 eine durch das Wort „insbesondere“ eingeleitete Aufzählung folgt.“

Einerseits ist von „sämtlichen Betriebskosten“ die Rede, andererseits folgt eine beispielhafte Aufzählung in Satz 2.

Dabei entspricht es herrschender Meinung, dass bei Vorhandensein einer beispielhaften Aufzählung, die mit dem Zusatz „u.a.“ oder „etc.“ versehen sein, die im Mietvertrag nicht aufgeführten Betriebskosten im Zweifel nicht umgelegt werden können. Nichts Anderes gilt im vorliegenden Fall, in dem das Wort „insbesondere“ in §  8 Satz  2 die Frage aufwirft, ob und inwieweit hierin eine Einschränkung des Satzes 1 liegt oder nicht. Denn die in §  8 Satz 2 durch das Wort „insbesondere“ eingeleitete Aufzählung wäre ersichtlich überflüssig, wenn Satz  1 so verstanden wird, dass ohne Einschränkung jede Betriebskostenart im Sinne der Betriebskostenverordnung oder jede andere Betriebskostenart erfasst werden sollte.

Beispielhafte Aufzählungen sind im Zweifel abschließend, s. Schmidt-Futterer, MietR, 13.A., §  556 BGB, Rn 37.

Soweit hingegen das OLG Frankfurt die Auffassung vertreten hat, dass der Begriff „die Nebenkosten“ oder „alle umlagefähigen Nebenkosten“ auch ohne nähere Bestimmung der einzelnen Kostenarten oder eine Bezugnahme auf den Betriebskostenkatalog des § 2 BetrKV oder die Anlage 3 zu § 27 der II. Berechnungsverordnung eine wirksame Umlage der jedenfalls im Betriebskostenkatalog konkret aufgeführten Betriebskosten zur Folge habe, kann das Gericht dieser Auffassung aus zweierlei Gründen nicht folgen.

OlG Frankfurt, Beschluss vom 14.02.2018, 2 U 142/17

Eine Abgrenzung von ähnlichen, aber doch unterschiedlichen Entscheidungen ist in der Praxis üblich, in der Examensklausur aber nur möglich, wenn man die jeweiligen Entscheidungen kennt. In jedem Fall sollten aber die Argumente ohne Nennung der Gerichte in den Vordergrund gestellt werden.

Zum einen greift das Gericht ohne weitere Begründung auf die Entscheidung des VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes zurück, ohne die entscheidungserhebliche Frage zu erörtern, ob diese Rechtsprechung im Gewerberaummietrecht ebenfalls herangezogen werden kann. Zum anderen hat sich das OLG auch nicht mit der Frage befasst, inwieweit dem Bestimmtheitsgebot auch dann Genüge getan ist, wenn beispielhaft Betriebskosten aufgeführt werden. Es nimmt insoweit nur Bezug auf eine weitere Entscheidung des für Wohnraummietsachen zuständigen VIII. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes vom 10.10.2007 (VIII ZR 279/06), die aber schon deshalb nicht verallgemeinerungsfähig ist, weil dieser Entscheidung zugrundeliegende Mietvertrag eine abschließende Aufzählung der Betriebskosten „folgende“) enthielt. Ein solcher Fall ist vorliegend aber ebenfalls nicht gegeben.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I 1, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO. der

Das OLG FFM diskutiert nicht, inwieweit eine Entscheidung aus dem Wohnraummietrecht auf das Gewerberaummietrecht übertragen werden kann oder wie die beispielhafte Aufzählung ausgelegt werden muss. Dies sieht das OLG Celle als entscheidenden Grund an, die Rechtsauffassung des OLG Frankfurt abzulehnen.

FAZIT

Gesetzliche Regelungen des Wohnraummietrechts gelten im Geschäftsraummietrecht, wenn § 578 BGB dies anordnet. Auch die Rechtsprechung zum Wohnraummietrecht ist nicht uneingeschränkt übertragbar. Bei der inhaltlichen Ausgestaltung des Mietvertrags gelten im Geschäftsraummietrecht höhere Maßstäbe, weil der Gesetzgeber im Wohnraummietrecht aufgrund der sozialen Schutzbedürftigkeit von Mietern detailliertere gesetzliche Regelungen getroffen hat, die im Gewerberaummietrecht fehlen. Dort gilt die Privatautonomie unbeschränkter. Der vorliegende Fall eignet sich daher auch gut für kautelarische Klausuren. Bei der Abfassung einer Klausel zur Umlage von Betriebskosten sollten entweder die Formulierung „sämtliche Betriebskosten“ ohne beispielhafte Aufzählungen benutzt werden oder eine detaillierte Auflistung erfolgen.

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Beitragsautor:

Jura Intensiv

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