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Gewusst

Eigentumserwerb und Schutzrechte aus Besitz & Eigentum

By 19. Mai 2021Oktober 11th, 2023No Comments
Zivilrecht

Besitz oder Eigentum?

Umgangssprachlich werden Besitz und Eigentum oftmals als Synonyme verwendet, was rechtlich gesehen nicht falscher sein könnte. Wer „Hausbesitzer“ ist, kann gleichzeitig auch Eigentümer des Hauses sein, das muss aber nicht so sein. Wer wiederum „Hauseigentümer“ ist, muss nicht auch gleichzeitig (unmittelbarer) Besitzer des Hauses sein. Diesen beiden Begrifflichkeiten und dem Eigentumserwerb im Zivilrecht widmet sich dieser Beitrag. Denn die Verwendung der falschen Begrifflichkeit im Examen, selbst wenn dies nur aus Versehen war, wird hart abgestraft, da die Unterscheidung Besitz und Eigentum zum Grundwissen gehört. Der Eigentumserwerb sowie die Schutzrechte aus Eigentum und Besitz sind demgegenüber regelmäßige Examensthemen.

Der Besitzer

Der Besitz (lat: possessio) ist die tatsächliche Sachherrschaft, § 854 Abs. 1 BGB. Dies bedeutet, dass die Sache tatsächlich in der Gewalt des Besitzers ist. Der Besitz ist unabhängig von der Eigentumslage eine rein tatsächliche Betrachtung. Jemand hat Eigenbesitz, wenn er die Sache für sich behalten will und Fremdbesitz, wenn er die Sache für einen anderen besitzen will. Zusammenfassend muss also der Besitzer ein Näheverhältnis zur Sache haben in Form der tatsächlichen Sachherrschaft und andererseits den Besitzwillen, also den Willen die Sache als die Seinige zu behalten. Damit ist auch ein Dieb an der Sache (unberechtigter) Besitzer, auf die Rechtmäßigkeit kommt es nicht an. Der Besitz ist kein subjektives Recht, sondern beschreibt nur das tatsächliche Verhältnis des Besitzers zur Sache. Vom Besitz geht generell eine Legitimationsfunktion in Form einer Rechtsscheinwirkung für die Berechtigung aus. Damit ist der Besitz der erste Anknüpfungspunkt für den gutgläubigen Eigentumserwerb. Bei beweglichen Sachen gilt die Vermutung, dass der Besitzer auch zugleich Eigentümer ist, § 1006 Abs. 1 BGB. Diese Vermutung ist aber natürlich widerlegbar und hat keine Auswirkung auf die materielle Rechtslage.

Zuletzt hat der Besitz noch eine Publizitätsfunktion, es soll die dingliche Berechtigung des Besitzers offenkundig werden. Bei der Eigentumsübertragung an beweglichen Sachen muss daher nach § 929 BGB neben der dinglichen Einigung auch die Übergabe, also die Besitzverschaffung erfolgen, durch die die Einigung kundig gemacht wird.

Eigentumserwerb im Zivilrecht

Der Eigentumserwerb an Sachen findet nicht, wie ein weit verbreiteter Irrglaube ist, durch Kauf statt. Vielmehr richtet sich der Eigentumserwerb an beweglichen Sachen nach § 929 S. 1 BGB und fordert eine Einigung, Übergabe, das Einigsein und die Berechtigung des Übertragenden. Im Einzelnen bedeutet dies, dass zwischen dem jetzigen Eigentümer (A) und dem Käufer (B) ein vom schuldrechtlichen Kaufvertrag unabhängiger dinglicher Vertrag mit dem Inhalt der Übertragung des Eigentums zu Stande kommen muss. Dies nennt man das Abstraktionsprinzip. Dieser Verfügungsvertrag kann auch an Bedingungen geknüpft werden und folgt den normalen Regelungen des Vertragsrechts. Es muss sich darüber geeinigt werden, dass A das Eigentum an der Sache auf B übertragen will.

Danach muss die Übergabe erfolgen, das heißt, A muss seinen Besitz vollständig aufgeben und B muss vollständigen Besitz an der Sache erlangen. Unter dem Stichwort „Einigsein“ wird geprüft, ob die Voraussetzungen der Einigung auch bei der Übergabe noch vorlagen. Diese Schritte können zeitlich auseinanderfallen, z. B. wenn die Übergabe an eine Bedingung geknüpft wurde, die erst noch erfüllt werden musste. Zuletzt muss A auch berechtigt sein, dass Eigentum zu übertragen, z. B. als Eigentümer ohne Verfügungsbeschränkungen (§§ 1365, 1369 BGB können entgegenstehen). Bei Nichtberechtigung besteht die Möglichkeit eines gutgläubigen Erwerbs der Sache unter den Voraussetzungen des §§ 932 ff. BGB.

Bei Grundstücken erfolgt die Übertragung durch die Auflassung, §§ 873, 925 BGB, aber verläuft ansonsten ähnlich wie bei beweglichen Sachen.

Der Eigentümer und sein Verhältnis zum Besitzer

Das Eigentum bezeichnet das rechtliche Herrschaftsverhältnis einer Person zu einer Sache. Der Eigentümer ist gem. § 903 BGB berechtigt, über die Sache frei zu verfügen und andere von jeder Einwirkung auf diese auszuschließen, soweit nicht Rechte anderer Personen entgegenstehen.

JurCase informiert:

Der Eigentümer kann also mit seiner Sache machen, was er will!

Im Gegensatz zum Besitz ist das Eigentum eine abstrakte Herrschaftsgewalt. Dies führt dazu, dass der Eigentümer eines Mietshauses nicht im Haus sein muss, um Eigentümer zu sein. Der Mieter befindet sich dann in einem Besitzmittlungverhältnis zum Vermieter, wobei der Mieter unmittelbarer Besitzer (§ 854 Abs. 1 BGB) und der Vermieter mittelbarer Besitzer (§ 868 BGB) ist.

Der unmittelbare Besitzer hat die tatsächliche Sachherrschaft, die nach außen erkennbar und für eine gewisse Dauer, getragen von einem tatsächlichen Beherrschungswillen ist. Ein mittelbarer Besitzer hat faktisch keine Beziehung zur Sache, aber sein Verhältnis zu dieser wird rechtlich von Gesetzes wegen als tatsächliche Beziehung einer Person zur Sache behandelt, denn vermittelt durch die tatsächliche Sachherrschaft und einen entsprechenden Fremdbesitzwillen des Besitzmittlers genießt auch er Besitzschutz. Der Besitzmittler muss Fremdbesitzwillen haben.

Der Besitzdiener, § 855 BGB, übt die tatsächliche Sachherrschaft für gewisse Dauer mit tatsächlichen Beherrschungswillen aus, wobei ein nach außen erkennbares soziales Abhängigkeitsverhältnis mit Weisungsbindung des Besitzherren vorausgesetzt ist. Der Besitzdiener hat dann das rein faktische Innehaben, der Besitzherr hat aber den Besitz.

Der Eigentümer kann vom Besitzer die Herausgabe der Sache und damit die Einräumung der tatsächlichen Sachherrschaft verlangen und gerichtlich durchsetzen, wenn der Besitzer kein Recht zum Besitz hat, § 985 BGB.

Schutzrechte aus Besitz und Eigentum

Neben dem Eigentumserwerb sind auch die Schutzrechte aus Besitz und Eigentum regelmäßig Examensthema.

Der Besitzer einer Sache soll im Interesse des Rechtsfriedens geschützt werden. Wenn ein Recht zum Besitz besteht, folgen darauf petitorische Besitzansprühe. Der Besitz ist als „sonstiges Recht“ in § 823 Abs. 1 BGB geschützt. Weiterhin hat er Schutz in § 812 Abs. 1 S. 1 BGB. Aus dem Recht zum Besitz folgt der petitorische Herausgabeanspruch § 1007 Abs. 1 und Abs. 2 BGB.

Unabhängig davon, ob der Besitzer berechtigt ist, stehen ihm possessorische Besitzansprüche zu, die sich aus dem Besitz als solchem ableiten. Dazu gehören die Besitzwehr und Besitzkehr aus § 859 BGB und die Herausgabe- / Beseitigungs- / und Unterlassungsansprüche aus §§ 861, 862 BGB.

Weiterhin ergeben sich Schutzrechte im Sinne des Rechtsfriedens durch die Ersitzung, also den Erwerb des Eigentums an Sachen durch Zeitablauf. Nach § 937 BGB ist dies bei beweglichen Sachen nach 10 Jahren gutgläubigen Eigenbesitzes der Fall. Bei Grundstücken müssen gemäß § 927 BGB 30 Jahre gutgläubigen Eigenbesitzes vergehen.

Der Besitz hat auch eine Sicherungswirkung, indem bei Abhandengekommenen Sachen gegen den Willen des Besitzers an der Sache nach § 935 Abs. 1 BGB kein gutgläubiges Eigentum erworben werden kann.

Fazit

Auch wenn Besitz und Eigentum im allgemeinen Sprachgebrauch gerne verwechselt werden, unterscheiden sie sich jedoch rechtlich stark und das sollte man wissen, wenn man sich rechtlich mit dem Eigentumserwerb befasst. Beim Besitz wird nur auf das tatsächliche Verhältnis einer Person zu einer Sache abgestellt, die Berechtigung ist erst einmal egal. Beim Eigentum wird diese Berechtigung jedoch relevant und auch in Abwesenheit verliert jemand das Eigentum an einer Sache nicht unbedingt. Das Eigentum gibt einem mehr Rechte über die Sache, aber auch Pflichten (Art. 14 Abs. 2 S. 1 GG: Eigentum verpflichtet).

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Beitragsautor:

Lisa-Marie Schuchardt

Lisa-Marie Schuchardt

Lisa-Marie absolvierte nach ihrem Jurastudium ein Auslandsstudium in Aberdeen für den Master of Laws (LL.M.). Zu Beginn ihrer Tätigkeit bei uns schrieb sie hauptsächlich über das Studium. Im Anschluss dessen berichtete sie von ihrem Masterstudium. Außerdem leistete sie einen maßgeblichen Beitrag für unsere #Gewusst-Reihe.

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