Überzeuge den Prüfer von der Praxistauglichkeit deiner Klausur und zeige anwaltliches Geschick
Die Zweckmäßigkeitserwägungen werden oftmals in ihrer Bedeutung in der Klausur unterschätzt. Dabei kannst du gerade hier den Prüfer davon überzeugen, dass du die notwendigen praktischen Fähigkeiten für den Beruf des Anwalts hast.
Warum überhaupt Zweckmäßigkeitserwägungen?
Das Zweite Examen bereitet, anders als die Erste Juristische Prüfung, ganz besonders auf die Arbeit als Praktiker vor. Neben dem Prüfen aller materiell-rechtlicher Anspruchsgrundlagen kommt der praktischen Verfolgung des Mandantenbegehrens in der Anwaltsklausur erhebliche Bedeutung zu. Denn keinem Mandanten ist mit dem Wissen geholfen, dass er einen Anspruch gegen seinen Gegner hat. Für ihn ist am relevantesten die Beantwortung der Frage, wie er diesen Anspruch vor Gericht oder gegenüber der Behörde erfolgreich geltend machen kann. Während das Mandantenbegehren in der Regel noch unproblematisch zu erfassen ist, gilt es im Rahmen der Zweckmäßigkeit eine prozessual taktisch kluge Lösung zu finden, um das im Anwaltsgutachten gefundene Ergebnis in der Praxis für den Mandanten erfolgreich umzusetzen.
Gerade hier unterscheidet sich die Anwaltsklausur im Assessorexamen von der Klausur im Ersten Staatsexamen, welche lediglich aus einem materiell-rechtlichen Gutachten bestand. Entsprechend genau werden die Korrektoren, die aus der juristischen Praxis stammen, die Vorschläge der Prüfungskandidaten unter die Lupe nehmen. Es muss praktisches Verständnis, taktisches Vorgehen und ein wohl überlegtes Abwägen verschiedener Möglichkeiten unter Beweis gestellt werden.
Erste Vorüberlegungen und Allgemeines
Die Zweckmäßigkeitserwägungen hängen maßgeblich davon ab, in welchem Rechtsgebiet die Klausur spielt. So sind im Strafrecht andere Schwerpunkte zu bearbeiten als im Öffentlichen Recht. Dabei gibt es jedoch einige Gemeinsamkeiten, die unabhängig vom Rechtsgebiet immer zu erörtern sind. Erste Vorüberlegungen, die in jeder Anwaltsklausur unabhängig vom Rechtsgebiet getätigt werden sollten, sind folgende
- Die Rolle des Mandanten
Als erstes muss festgelegt werden, in welcher Rolle der Mandant um rechtliche Beratung bittet. Möchte er sich gegen eine Klage oder eine Verfügung verteidigen oder selbst einen Angriff starten? In erster Konstellation muss der Anwalt folglich auf eine bereits erfolgte Klage, Verfügung oder auf ein ergangenes Urteil reagieren und kennt die Positionen der Gegenpartei. Im Falle des erstmaligen Angriffs gilt es, die Standpunkte des Gegners zu antizipieren und ihnen von Beginn an mit sachlichen Argumenten den Wind aus den Segeln zu nehmen.
- Örtliche und sachliche Zuständigkeiten
Gegenstand in jeder Anwaltsklausur im Rahmen der Zweckmäßigkeit ist außerdem die Festlegung bei welchem Gericht oder welcher Behörde der notwendige Schriftsatz angebracht werden muss. Dabei reicht oft ein kurzer Blick ins Gesetz, unterbleiben sollte dieser Schritt jedoch nicht!
- Einhaltung von Fristen
Häufig sind Ausführungen zu notwendigerweise einzuhaltenden Fristen vorzunehmen. Der Anwaltsberuf ist stark von terminlicher Genauigkeit abhängig, da eine versäumte Frist zum Verlieren des Prozesses führen kann. Entsprechend wichtig ist es in der Klausur, Klage-, Widerspruchs-, Einspruchs-, Antrags- und Rechtsmittelfristen genau zu bestimmen. Gegebenenfalls sind Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bedenken.
- Prozesskostenhilfe
Immer wieder macht der Mandant geltend, vermögenslos zu sein. Dann kommt ein Antrag auf Prozesskostenhilfe in Frage. Die Klausurakte wird eindeutige Anhaltspunkte dafür enthalten. Im Strafrecht muss auf die Frage der Prozesskostenhilfe nicht eingegangen werden.
- Kosten
Der Mandant sollte stets auf das Kostenrisiko hingewiesen werden. Enthält das Gutachten in relevanten Abschnitten eine Beweisantizipation und Prognose, besteht stets das Risiko, dass das Gericht abweichend entscheidet und der Mandant kostentragend unterliegt.
Die Zweckmäßigkeitserwägungen im Öffentlichen Recht
Im Öffentlichen Recht gibt es zusätzlich zu der anwaltlichen Klausur, die ein gerichtliches Vorgehen vorbereitet, die Anwaltsklausur im Verwaltungsverfahren. Es kann also sein, dass noch gar kein Gerichtsprozess angestrebt wird oder wurde. Der Mandant ist hier in der Regel in der Rolle des Klägers/Antragstellers oder in der Rolle des Adressaten einer behördlichen Verfügung oder Anordnung.
Die wichtigsten Überlegungen in der Zweckmäßigkeit der Anwaltsklausur im Öffentlichen Recht sind:
- Ist die Einlegung eines Rechtsbehelfs sinnvoll? Am häufigsten dürfte eine Klage, ein Widerspruch oder ein Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz in Frage kommen.
- Rücknahme eines Widerspruchs oder einer Klage zur Kostensenkung, wenn keine Erfolgsaussichten bestehen.
- Stellung eines Annexantrag gemäß § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO oder § 80 Abs. 5 S. 3 VwGO, wenn der angegriffene Verwaltungsakt bereits vollzogen wurde.
- Beantragung einer Erklärung der Notwendigkeit des Verfahrensbevollmächtigten im Vorverfahren gemäß § 162 Abs. 2 S. 2 VwGO.
- Die Beiladung erfolgt zwar von Amts wegen, kommt eine solche in Frage, schadet in der Klausur eine entsprechende Anregung jedoch nicht.
- Bei Eilbedürftigkeit ist an vorläufigen Rechtsschutz gemäß § 80 Abs. 5 oder § 123 Abs. 1 VwGO zu denken. Bei einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO muss dabei stets zeitgleich auch Widerspruch erhoben werden!
- Angabe eines vorläufigen Streitwertes. Hier ist häufig auf den Regelstreitwert gemäß § 52 Abs. 2 GKG von 5.000 Euro abzustellen.
- Festlegung des Klage- oder Antragsgegners: Hier sollten landesrechtliche Besonderheiten besonders im Auge behalten werden.
JurCase informiert:
Sollte der Mandant ein öffentlicher Rechtsträger sein, etwa eine Stadt, die eine Verfügung erlassen will, sollten insbesondere auch die Aspekte sofortige Vollziehung und Androhung von Zwangsmitteln in der Zweckmäßigkeit thematisiert werden.
Die Fortsetzung mit den wichtigsten Zweckmäßigkeitserwägungen in der Anwaltsklausur im Zivil- und Strafrecht ist im Beitrag Die Zweckmäßigkeitserwägungen in der Anwaltsklausur – Teil II zu finden.