Die spannende Alternative zur Behörde: Zwischen Klagen gegen Coronamaßnahmen und Streit über den Rundfunkbeitrag
Vielleicht ist die Station beim Verwaltungsgericht ja auch für dich genau das Richtige! Ich habe zwei Monate meiner viermonatigen Verwaltungsstation während des Referendariats am Verwaltungsgericht in Mainz abgeleistet. Ich erzähle dir, weshalb auch du unbedingt darüber nachdenken solltest, dich bei einem Verwaltungsgericht in deiner Nähe zu bewerben.
Vielfältige Möglichkeiten in der Verwaltungsstation
Die Verwaltungsstation ist neben der Wahlstation sicherlich die Station mit den meisten Freiheiten. Du bist in der Entscheidung nicht beschränkt, zwischen Amtsgericht und Landgericht oder Staatsanwaltschaft und Strafrichter zu wählen. Oft stehen den Referendaren eine Vielzahl an Behörden oder Verbänden zur Auswahl, bei denen die Verwaltungsstation abgeleistet werden kann. Darunter sind regelmäßig sämtliche Stadt- oder Kreisverwaltungen, Rechtsämter, Universitäten, Polizeibehörden, Industrie- und Handelskammern, Finanzämter und eben auch die Verwaltungsgerichte. Deshalb ist es gerade für die Verwaltungsstation wichtig, einmal zu überlegen, welche Themen für einen selbst interessant sind oder wo sogar eine berufliche Perspektive gesehen werden kann. Wer hier geschickt wählt, hat die Chance, die Verwaltungsstation nicht bloß zur lästigen Pflicht zu degradieren, sondern eine der spannendsten Zeiten des Referendariats zu erleben.
Warum das Verwaltungsgericht?
Warum aber habe ich mich nun für das Verwaltungsgericht entschieden? Zunächst einmal: Die Vorstellung, in einem städtischen Rechtsamt zu sitzen und Bescheid über Bescheid zu verfassen, erschien mir zu Beginn des Referendariats eher langweilig. Dazu kommt, dass ich nie der größte Fan des Verwaltungsrechts war. Deshalb stand schnell der Entschluss, dass ich die Verwaltungsstation nicht einfach nur absitzen, sondern eine Ausbildungsmöglichkeit suchen möchte, die mir vielleicht sogar Spaß machen könnte. Neben der Option des Verwaltungsgerichts erschien mir auch eine Ausbildung bei der Polizei thematisch aufregend, dort werden jedoch in der Regel nur ein bis zwei Plätze vergeben, sodass ich mir beim Verwaltungsgericht höhere Chancen ausmalte. Dabei erhoffte ich mir, mit möglichst unterschiedlichen verwaltungsrechtlichen Sachverhalten konfrontiert zu werden und selbst an Gerichtsverhandlungen teilzunehmen. Außerdem sind auch im Zweiten Staatsexamen die Klausurformen des Gerichtsurteils und des gerichtlichen Beschlusses Standardrepertoire und ich erwartete, diese Formen an praktischen Fällen erlernen und üben zu können.
Meine Aufgaben als Referendarin
Tatsächlich wurden meine Erwartungen überwiegend erfüllt. Die Station am Verwaltungsgericht lief in der Regel so ab, dass mir mein Ausbilder regelmäßig Akten mit nach Hause gab, welche ich durcharbeitete, um anschließend Urteile oder Beschlüsse zu verfassen. Daneben trafen wir uns regelmäßig am Gericht, um Aktenvorträge zu üben oder aktuelle Verfahren zu besprechen. Außerdem hatte ich die Chance, an Gerichtsverhandlungen der Kammer als auch der Einzelrichter und an den anschließenden Beratungen teilzunehmen. Da meine Station mitten in den Corona-Pandemie Lockdown fiel und viele Verfahren verlegt wurden, waren das leider nur eine Hand voll.
Zur Bearbeitung der Akten hatte ich in der Regel ausreichend Zeit und häufig war ich vor dem Abgabetermin fertig. Die Arbeitsbelastung empfand ich als sehr angenehm, da ich gefordert wurde, gleichzeitig aber auch genügend Zeit zum selbstständigen Lernen und Vor- und Nachbereiten der Arbeitsgemeinschaften eingeräumt bekam.
Besonders gefallen hat mir an der Station jedoch die thematische Vielfalt, mit der ich mich auseinandersetzen konnte. Ich habe Fälle bearbeitet, welche sich mit absoluten Klausurklassikern beschäftigten, wie etwa einem Alkoholverbot im Rahmen eines Stadtfestes oder dem Widerruf ehrverletzender Äußerungen durch Behördenmitarbeiter. Daneben konnte ich mich aber auch mit eher unbekannteren Themen auseinandersetzen. Darunter war das Informationsfreiheitsgesetz, das Prüfungsrecht und das Rundfunkbeitragsrecht. Ganz besonders aufregend und zugleich hoch aktuell erlebte ich das Thema der Corona-Verordnungen. Neben zahlreichen anhängigen Eilverfahren gingen regelmäßig Klagen gegen die aktuellen Coronaverordnungen und die darin enthaltenen Maßnahmen ein. So konnte ich mich in kürzester Zeit sehr vertieft mit dem Infektionsschutzgesetz, dessen Verfassungsmäßigkeit, den verordneten Einzelmaßnahmen und dem medizinisch-wissenschaftlichen Hintergrund dieser einarbeiten und entsprechende Urteile verfassen. Aktueller hätte es gar nicht sein können! Die größte Herausforderung war, dass es bislang kaum gefestigte Rechtsprechung dazu gibt. Ich konnte mich also nicht auf allgemein anerkannte Urteile stützen, sondern musste selbst kreativ werden und absolute Basisarbeit leisten. Die aktuelle Rechtsprechung quasi mitentwickeln zu können war großartig. Und wer weiß schon, was möglicherweise in den nächsten Jahren in Examensklausuren für aktuelle Themen geprüft werden…
JurCase informiert:
Nach Angaben des Deutschen Richterbundes hat es im Jahr 2020 immerhin mehr als 10.000 Klagen und Eilverfahren wegen COVID-19 gegeben, davon mehrere Hundert als Verfassungsbeschwerden am Bundesverfassungsgericht!
Bewerbung am Verwaltungsgericht
Die Bewerbung für die Station am Verwaltungsgericht lief sehr unkompliziert ab. In meinem Bundesland (Rheinland-Pfalz) war es lediglich nötig, meinen Wunsch frühzeitig dem zuständigen Oberlandesgericht schriftlich und formlos mitzuteilen. Ich habe mich etwa vier Monate vor Stationsbeginn beworben. In anderen Bundesländern ist es jedoch auch üblich, eine Bewerbung an das Verwaltungsgericht selbst zu schicken. Informiere dich am besten bei dem Verantwortlichen an deiner Stammdienststelle. Dabei solltest du nicht zu viel Zeit verlieren, da die Plätze an den Verwaltungsgerichten häufig knapp bemessen sind.
JurCase informiert:
In vielen Bundesländern ist es nicht möglich, die gesamte Verwaltungsstation am Verwaltungsgericht abzuleisten. Deshalb lohnt sich die Verwaltungsstation in diesem Fall sogar doppelt: Du kannst statt einer gleich zwei Ausbildungsstellen kennen lernen!
Was ist das Besondere am Verwaltungsgericht und für wen ist die Station geeignet?
Kurz und knapp möchte ich dir gerne eine kleine Checkliste mit an die Hand geben, anhand derer du für dich prüfen kannst, ob die Station am Verwaltungsgericht für dich genau das Richtige ist.
- Am Verwaltungsgericht erlebst du eine Vielzahl verschiedener Rechtsgebiete gleichzeitig und kannst weit über den Tellerrand des Pflichtstoffs blicken. Examensrelevante Themen sind dabei jedoch omnipräsent.
- Du triffst Entscheidungen über Rechtsstreitigkeiten zwischen Bürger und Staat. Das ist schon etwas Anderes, als wenn einem lediglich zwei streitende Bürger gegenübersitzen.
- Mit aktuellen politisch und juristisch brisanten Themen wirst du am Verwaltungsgericht als erstes konfrontiert.
- Richter am Verwaltungsgericht nehmen sich für jede Verhandlung viel Zeit. Dadurch dauern Sitzungen zwar länger, aber es macht Spaß, sich wirklich mit den Klägern und deren Anliegen auseinandersetzen zu können und ihnen ernsthaft Aufmerksamkeit zu schenken. Durchgangsverkehr wie an Amtsgerichten sucht man hier vergebens.
- Du wirst feststellen, wie wissenschaftlich die Arbeit am Verwaltungsgericht ist. Urteile werden sehr fundiert, gut recherchiert und wissenschaftlich aufgearbeitet gefällt. Auch als juristischer Wissenschaftler wird dir die Station gefallen.
- Nach der Einzelausbildung beim Amtsrichter ist es spannend, einmal einer Kammerberatung
Alle diese Punkte entsprechen genau deiner Vorstellung davon, wie du die Verwaltungsstation gestalten möchtest? Dann such das Verwaltungsgericht in deiner Nähe heraus und zögere nicht zu lange mit einer Bewerbung.
Fazit
Wer Lust hat, sich mit aktuellen Themen vertieft zu befassen und nicht davor zurückschreckt, sich auch mal in eher exotischen Rechtsgebiete einzuarbeiten, der ist am Verwaltungsgericht definitiv gut aufgehoben. Auch wenn mein Traumberuf trotz allem nun immer noch nicht „Verwaltungsrichterin“ ist, konnte ich aus der Station vieles für die Examensprüfungen mitnehmen und empfehle sie deshalb uneingeschränkt jedem.