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Gewusst

Der universitätsinterne Investment Arbitration Moot Court

By 23. August 2018Oktober 12th, 2023No Comments
Charlotte Erfahrungsberichte Referendariat

Der universitätsinterne Investment Arbitration Moot Court

Mit dem Ende der Klausurenphase trat für die meisten LL.M.-Studierenden eine lang ersehnte Pause ein. Für drei Kommilitonen und mich begann jedoch im direkten Anschluss die Vorbereitung auf einen universitätsinternen Moot Court, das heißt auf ein simuliertes Verfahren vor Gericht, genauer gesagt ein simuliertes Investitionsschiedsverfahren.

Der „GU Investment Arbitration Moot Court“ 2018

An der School of Law der University of Glasgow (GU) ist das Mooting eine fest etablierte Tradition: Die School of Law stellt Teams für insgesamt 8 regionale, nationale und internationale Wettbewerbe und richtet unter anderem den schottlandweiten „Alexander Stone Scottish Intervarsity Moot Court Competition“ und den internen „Dean’s Cup“ aus. Der bekannteste und prestigeträchtigste internationale Wettbewerb ist wohl der jährliche Willem C. Vis International Commercial Arbitration Moot (kurz: Vis Moot), der handelsrechtliche Fälle vor einem Schiedsgericht simuliert und an dem unter anderem sowohl die Glasgower Universität als auch meine Heimatuniversität in Mainz regelmäßig teilnehmen.

Im Rahmen meines Kurses über International Investment Law bildeten zwei Mini-Moot-Courts Teil des Curriculums, damit alle Kursteilnehmer mindestens einmal in die Rolle eines Akteurs in einem Investitionsschiedsverfahren (Investment Arbitration) schlüpfen konnten. Nachdem ich im ersten Mini-Moot-Court den fiktiven Staat Ecologia erfolgreich gegen einen Investor vertreten hatte, war ich auf den Geschmack gekommen und musste nicht lange überlegen, als uns die Dozierenden anboten, am universitätsinternen GU Investment Arbitration Moot Court teilzunehmen.

Der Fall: Umstrukturierung von Staatsschulden als Verletzung eines Investitionsabkommens?

Im Gegensatz zum Vis Moot spielte sich unser Fall nicht im Bereich des internationalen Handelsrechts ab, sondern simulierte ein Schiedsverfahren vor dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von internationalen Investitionsstreitigkeiten (ICSID – International Centre for Settlement of Investment Disputes) zwischen einem Investor und einem Staat. Ausgangspunkt der Streitigkeit war in unserem Fall ein bilaterales Investitionsschutzabkommen zwischen zwei fiktiven Staaten, das es Investoren ermöglichte, den Gaststaat, in dem die Investition vorgenommen wurde, bei Verletzung ihrer Rechte aus dem Abkommen im Wege von Schiedsverfahren in Regress zu nehmen. Ein medienwirksamer Fall aus der Praxis war, als Vattenfall Deutschland wegen des Atomausstiegs nach der Katastrophe in Fukushima auf 5 Milliarden Euro verklagte.

Ich vertrat dieses Mal den Investor und es stellten sich uns zahlreiche Probleme sowohl in der Zulässigkeit als auch Begründetheit, unter anderem: Sind Staatsanleihen eine Investition? Ist eine Tochtergesellschaft ein Investor, obwohl die Muttergesellschaft die Investition vorgenommen hat? Verletzt die Umstrukturierung von Staatsschulden das Investitionsschutzabkommen? Ist eine Entwertung der Anleihen von 75 % eine unrechtmäßige Enteignung im Sinne des Abkommens und internationaler Schiedsverfahrenspraxis? Kann der Staat sich wegen einer Wirtschaftskrise auf Notstand berufen?

Die Vorbereitung: Nachtschichten und Zweifel

Dem Sachverhalt mangelte es durchaus nicht an Details, die für beide Seiten reichlich Angriffsfläche boten. Ich hatte dennoch von Anfang an das Gefühl, dass der Investor die schlechteren Karten in der Hand hielt, insbesondere mit Blick auf die Begründetheit, da die zweite Wirtschaftskrise im Sachverhalt durch eine Flüchtlings- und humanitäre Krise verursacht worden war. Da wir in Zweierteams arbeiteten und lediglich eine halbe Stunde Vortragszeit pro Team hatten, konzentrierten wir uns auf die jeweils vier bis fünf größten Probleme in der Zulässigkeit beziehungsweise Begründetheit. Die restlichen Probleme bereiteten wir zwar auch vor, sie wurden aber nicht Teil unserer ausformulierten Rede, sondern dienten mehr als „Back-Up“, falls das Schiedsgericht uns Fragen dazu stellen sollte. Gleichermaßen gehörte es zur Vorbereitung und Recherche, sowohl die Argumente der Gegenseite als auch die Fragen des Schiedsgerichts zu unserem Vortrag zu antizipieren und entsprechend vorzubereiten. Darüber hinaus galt es, unsere Rede so gut wie möglich sprachlich aufzupolieren und auswendig zu lernen, um das Schiedsgericht mit einer guten Präsentation zu beeindrucken. Da wir ziemlich unter Zeitdruck standen, mussten wir einige Nachtschichten einlegen und vor allem gegen unsere Selbstzweifel ankämpfen. Denn je länger und tiefer wir recherchierten, desto aussichtsloser erschien uns der Fall für unsere Seite. Ich kann mich allerdings gut in Dinge hineinsteigern und komme dann nicht mehr zur Ruhe, bis die Antworten gefunden sind – und dafür war der Moot Court perfekt, weswegen mir bereits die Vorbereitung große Freude bereitet hat.

Die Verhandlung: Wenn die Dinge nicht nach Plan laufen

Am Tag der Verhandlung feilte ich noch bis gut zwei Stunden vor Beginn an meinem Teil der Rede und mit jeder Minute schien die Nervosität anzusteigen. Wir trafen uns vorab mit der Gegenseite und gingen um 13:45 Uhr alle gemeinsam zum „Sir Alexander Stone Court Room“, dem universitätseigenen Mooting Raum, der einem britischen Berufungsgerichtssaal nachempfunden ist. Um 14:00 Uhr betraten die Mitglieder des Schiedsgerichts in ihren Roben den Gerichtssaal und eröffneten das Verfahren. Nach der Vorstellung und Präsentation unserer Zeiteinteilung, erhielten wir als Kläger zuerst das Wort und da ich die Zulässigkeit präsentierte, war ich die erste Vortragende. Ich hatte abgesehen von den Mini-Moot-Courts keinerlei Erfahrung mit Mooting, weswegen ich sehr nervös war – leicht zittrige Hände, trockener Mund, gerötetes Gesicht –, doch anscheinend merkte man es mir nicht allzu sehr an, zumindest war dies das Feedback meiner Kommilitonen. Ich hatte insbesondere das Gefühl, dass ich trotz Vorbereitung nicht überzeugend genug auf die Fragen des Schiedsgerichts antwortete und die Zeit rannte nur so davon, sodass ich mein letztes Argument in nur zwei bis drei Sätzen zusammenfassen musste – das hatte ich anders geplant! Meiner Teamkollegin erging es noch schlechter als mir: Die Vorsitzende des Schiedsgerichts löcherte sie mit Fragen und (wie die anderen Mitglieder hinterher auch bestätigten) stellte ihr die mit Abstand schwierigsten Fragen, wodurch ihr Zeitmanagement völlig durcheinander kam. Um dem ganzen die Krone aufzusetzen, lief der Vortrag der Gegenseite aus meiner Sicht natürlich so gut wie reibungslos, erst hinterher fiel mir auf, dass sie ebenfalls viele schwierige Fragen gestellt und Schwierigkeiten mit der Zeit gehabt hatten. Nachdem die Gegenseite fertig war, bekamen zuerst wir, dann die Gegenseite noch einmal Gelegenheit zum „rebuttal“.

Das Schiedsurteil: Unverhofft kommt oft

Nach etwa anderthalb Stunden war die Verhandlung vorüber und wir warteten vor dem Gerichtssaal das Ergebnis der Beratungen der Schiedsrichter ab. Anscheinend hatten wir alle unsere Sache gar nicht so schlecht gemacht, denn die Beratungen zogen sich ganz schön hin. Ich fühlte mich zu diesem Zeitpunkt etwas niedergeschlagen, weil ich der Ansicht war, dass ich eine wesentlich bessere Performance hätte abliefern können und wir den Fall verlieren würden. Als wir dann zurück in den Gerichtssaal zur Verkündung des Urteils gebeten wurden, stieg die Nervosität wieder. Und siehe da: Wir bekamen mit einem Mehrheitsvotum und einer abweichenden Meinung („dissenting opinion“) hinsichtlich der Zulässigkeit Recht zugesprochen und auch einen Punkt der Begründetheit sah das Schiedsgericht als hinreichend erwiesen, um eine Verletzung der Rechte des Investors anzunehmen! Allerdings wurde die Pflicht zur Kompensation für den Gaststaat gemindert, um die äußeren Umstände des Einzelfalls (Flüchtlings- und humanitäre Krise) zu berücksichtigen. Die Festlegung der Höhe der Kompensation wäre dann allerdings Inhalt des weiteren Verfahrens.

Fazit

Der Investment Arbitration Moot Court war nervenaufreibend, bereitete uns viele nahezu schlaflose Nächte und Verzweiflung – aber das war es absolut wert! Auch wenn internationale Moot Courts, insbesondere der Vis Moot, wesentlich aufwendiger und komplexer sind, war die Teilnahme an diesem Moot Court für mich nicht nur eine wertvolle Erfahrung in Sachen Anwendung des im LL.M. erlernten Wissens, sondern der gesamte Moot Court hat schlichtweg unglaublich viel Spaß gemacht. Dass wir den Fall trotz aller Zweifel dann auch noch im Wesentlichen gewonnen haben, war natürlich the cherry on top.

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Beitragsautor:

Charlotte Kieslich

Charlotte Kieslich

Charlotte absolvierte in Glasgow ihren Master of Laws (LL.M.), worüber sie uns in ihren Erfahrungsberichten berichtete.

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