Demokratie lebt von Meinungsfreiheit
Es ist ein Grundrecht, das leider nicht in allen Ländern der Welt selbstverständlich ist, hier in Deutschland aber schon: die Meinungsfreiheit. Dieses Grundrecht findet sich in Art. 5 des Grundgesetzes und erlaubt Personen, ihre Meinung frei zu äußern, zu vertreten und zu verbreiten. In der aktuellen COVID-19 Krise stößt die Meinungsfreiheit mit Kritikern der Beschränkungen und Demonstrationen zusammen. Dieser Artikel fasst zusammen, wie weit die Meinungsfreiheit wirklich geht und ob sie eingeschränkt werden kann. Diese Fragestellungen sind darüber hinaus auch häufig ein Teilproblem im Examen zum öffentlichen Recht, weshalb diese Grundlagen in jedem Fall enorm wichtig sind.
Überblick zur Meinungsfreiheit
Die Meinungsfreiheit ist in Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 1 GG geregelt.
Nach dem Wortlaut ist dies ein „Jedermann-Grundrecht“, also fallen unter den Schutzbereich alle natürlichen und juristischen Personen im Sinne von Art. 19 Abs. 3 GG.
Zunächst muss der Begriff „Meinung“ geklärt werden. Eine Meinung ist ein Werturteil und zeichnet sich aus durch ein Element der Stellungnahme, des Dafürhaltens oder des Meinens im Rahmen einer geistigen Auseinandersetzung. Dabei ist irrelevant, ob die Meinung begründet, wertvoll oder rational ist. Eine Meinung kann öffentlich oder privat geäußert werden. Der Meinungsbegriff ist grundsätzlich weit auszulegen. Dabei ist abzustellen auf die objektive Sicht eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums.
Abzugrenzen ist die Meinung von einer Tatsache. Dies sind objektive, dem Beweis zugängliche Umstände, wobei zwischen der Äußerung und der Realität eine objektive Beziehung besteht.
Laut Bundesverfassungsgerichts sind Äußerungen einer Tatsache keine Meinungsäußerung, da gerade das charakteristische Element der Wertung fehle.
JurCase informiert:
Wenn eine bewusste Behauptung unwahrer Tatsachen stattfindet, fällt dies nicht mehr in den sachlichen Schutzbereich der Meinungsfreiheit („Auschwitzlüge“, BVerfGE 99, 185, 187).
Eine Meinung mit beleidigendem Inhalt kann durchaus in den sachlichen Schutzbereich der Meinungsfreiheit fallen. Dies gilt jedoch nicht für eine Äußerung, bei der nicht mehr die sachliche Auseinandersetzung, sondern die Diffamierung des Adressaten im Vordergrund steht (dies nennt man dann „Schmähkritik“). Laut Bundesverfassungsgericht tritt diese Schmähkritik auf der Ebene der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung hinter dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Ehrenschutz) des Betroffenen zurück.
Die Meinungsfreiheit garantiert außerdem das Äußern und das Verbreiten einer Meinung in Wort, Schrift und Bild. Somit ist jede Form der Meinungskundgabe geschützt, soweit sie sich auf eine geistige Auseinandersetzung beschränkt. Erfasst sind deshalb auch bildhafte und suggestive Meinungsäußerungen durch Gesten, Tragen und Verwenden von Symbolen, Plaketten und Uniformen.
Es gibt hier jedoch auch die negative Meinungsfreiheit, also die Freiheit die eigene Meinung nicht zu äußern und auch eine fremde Meinung nicht verbreiten zu müssen.
Beschränkungen der Meinungsfreiheit
Ein Eingriff in die Meinungsfreiheit liegt vor, wenn eine staatliche Maßnahme die Ausübung des Rechts behindert oder verhindert.
JurCase informiert:
Bei Eingriffen durch private Dritte ist zunächst der Zivilrechtsweg einzuschlagen. Sollte dabei das Gericht spezifisches Verfassungsrecht verletzten, und wird diese Verletzung seitens der nächsten Instanz nicht behoben, so kann dagegen die Verfassungsbeschwerde erhoben werden.
Der Eingriff kann allerdings verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein. Art. 5 Abs. 2 GG enthält eine Schrankenregelung. Zunächst muss die Schranke bestimmt werden. Es besteht ein qualifizierter Gesetzesvorbehalt in den „allgemeinen Gesetzen“ und weitere Schranken im Wortlaut der „Schutz der Jugend“ und „persönlichen Ehre“.
In Art. 5 Abs. 2 GG wird zunächst von allgemeinen Gesetzen gesprochen. Laut der Sonderrechtslehre ist ein Gesetz allgemein, wenn es sich nicht speziell gegen die Äußerung oder Verbreitung einer besonderen Meinung richtet. Nach der Abwägungslehre ist ein Gesetz dann allgemein, wenn durch dieses ein im Range über der Meinungsfreiheit stehendes Rechtsgut geschützt werden soll. Das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass ein Gesetz dann allgemein ist, wenn es sich nicht gegen eine spezielle Meinung an sich richtet, sondern dem Schutz eines im Vergleich zur Meinungsfreiheit höherrangigen Rechtsgutes dient (BVerfGE 95,220, 235). Besonders ist hier die Wunsiedel-Entscheidungdes Bundesverfassungsgerichtes (1 BvR 2150/08), die besagt, dass §130 Abs. 4 StGB (ein Paragraph der sich explizit gegen das nationalsozialistische Gedankengut richtet) in die Meinungsfreiheit eingreift und eine Sonderbestimmung und kein allgemeines Gesetz sei. Dennoch sei der Absatz in diesem Falle zulässig, da das Grundgesetz gerade ein Gegenentwurf zum Nationalsozialismus darstelle und eine Ausnahme daher gerechtfertigt und mit dem Grundgesetz vereinbar sei. Die nationalsozialistische Gesinnung sei durch die Meinungsfreiheit geschützt, der staatliche Eingriff sei erlaubt, wenn die Meinungsäußerung die rein geistige Sphäre des Für-richtig-haltens verlasse und in Rechtsgutverletzungen oder erkennbar in Gefährdungslagen umschlügen.
Weiterhin ist die Verhältnismäßigkeitsprüfung im Lichte der Wechselwirkungslehre zu beachten. Die Wechselwirkungslehre besagt, dass das die Meinungsfreiheit einschränkende Gesetz selbst wiederum im Lichte der Meinungsfreiheit auszulegen ist, durch welches dieses eingeschränkt wird. Darüber hinaus muss jeder Einzelakt verfassungsgemäß sein.
Der Eingriff muss außerdem einem legitimen Zweck dienen, angemessen, geeignet und erforderlich sein, um das kollidierende Rechtsgut zu schützen.
Außerdem ist das Zensurverbot aus Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG zu beachten.
Aktueller Stand der Meinungsfreiheit
In den Zeiten von COVID-19 kann immer noch jedermann seine Meinung frei äußern, sowohl schriftlich (z.B. in sozialen Netzwerken) als auch mündlich (z.B. auf Demonstrationen).
Daher ist es auch unerheblich, welche Meinungen auf einer Corona-Demonstration vertreten werden – solange Meinungen vertreten werden. Äußerungen dürfen allerdings keine Schmähkritik enthalten und nicht die persönliche Ehre anderer angreifen. Wie vom Bundesverfassungsgericht festgestellt ist eine Aussage nicht mehr von der Meinungsfreiheit geschützt, wenn es sich um die bewusste Verbreitung unwahrer Tatsachen handelt. Eingriffe in die Meinungsfreiheit können jedoch verhältnismäßig sein, denn schon Art. 5 Abs. 2 GG sagt, dass die Meinungsfreiheit nicht schrankenlos ist. Es muss also für jede Aussage geprüft werden, ob sie in den Bereich der Meinungsfreiheit fällt und bei Eingriffen, z.B. auf Demonstrationen, kann die Meinungsfreiheit auch durch die Anwendung der Schrankenregelungen eingegriffen werden. Die Meinungsfreiheit ist also aktuell keineswegs in Gefahr, sondern ist nur mehr in den Vordergrund getreten, da viele Gruppierungen und Einzelpersonen ihre Meinung zur COVID-19 Krise äußern möchten und dabei manchmal eben die Grenzen der Meinungsfreiheit überschreiten.