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Besorgnis der Befangenheit bei privater Dieselklage des Richters – Die Beschlüsse des BGH

By 22. März 2022Oktober 23rd, 2023No Comments
Aktuelle Rechtsprechung

BGH, Beschluss vom 25.02.2021 (III ZR 205/20)

BGH, Beschluss vom 28.07.2020 (VI ZB 94/19)

BGH, Beschluss vom 10.12.2019 (II ZB 14/19)

Die Rechtsprechung des BGH zur Befangenheit von Richtern, die mitteilen als Privatperson eine Dieselklage gegen VW erhoben zu haben, nimmt zu. Zuletzt entschied der BGH in seinem Beschluss vom 25.02.2021 (III ZR 205/20) über einen solchen Sachverhalt. Vorangegangen waren der Beschluss vom 10.12.2019 (II ZB 14/19) und der Beschluss vom 28.07.2020 (VI ZB 94/19).

Dieser Beitrag soll die vom BGH entwickelten Maßstäbe und Prüfungsschritte zusammenfassen, die für die Beurteilung der Besorgnis der Befangenheit anzusetzen sind, wobei auch gesondert die geltenden Grundsätze im Fall der privaten Dieselklage eines Richters aufgezeigt werden. Außerdem wird ein Überblick über die Entscheidungen des BGH in den vorgenannten drei Beschlüssen gegeben.

Der Maßstab für die Annahme der Besorgnis der Befangenheit

§ 42 ZPO bestimmt in seinem ersten Absatz:

Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.“

Wann ein Richter kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, regelt § 41 ZPO, der die einzelnen Fälle konkret auflistet. § 42 Abs. 2 ZPO bestimmt darüber hinaus, dass die Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit stattfindet, „[…] wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen.“ Hierbei handelt es sich also um eine Formulierung, die noch mit Leben gefüllt werden muss, damit hierunter subsumiert werden kann. Der § 42 Abs. 2 ZPO sieht insoweit keine gesetzlich vorgeschriebenen und im einzelnen aufgelisteten Fälle für die Besorgnis der Befangenheit vor. Der BGH hat jedoch in seinen Beschlüssen immer wiederkehrende Textbausteine etabliert, so dass regelmäßig von der Besorgnis der Befangenheit i.S.d. § 42 Abs. 2 ZPO auszugehen ist, wenn:

„[…] bei verständiger Würdigung des Sachverhalts Grund zu der Annahme besteht, dass der abgelehnte Richter eine Haltung einnimmt, die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann. Maßgeblich ist, ob bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gegeben ist, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln […]. Tatsächliche Befangenheit oder Voreingenommenheit ist nicht erforderlich; es genügt bereits der ‚böse Schein’, das heißt der mögliche Eindruck mangelnder Objektivität […].“

(Vgl. BGH, Beschluss vom 25.02.2021 – III ZR 205/20; BGH, Beschluss vom 10.12.2019 – II ZB 14/19; BGH, Beschluss vom 28.07.2020 -VI ZB 94/19)

Die Beurteilung der Besorgnis der Befangenheit hat sich also zentral daran zu orientieren, ob es Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Richter in dem konkreten Fall nicht objektiv zu urteilen vermag. Für diese Beurteilung sind alle Umstände des Einzelfalles zu würdigen, wobei hierfür keine absolute Gewissheit erforderlich ist. Die Besorgnis der Befangenheit muss also keinesfalls nachgewiesen werden, es genügt bereits der Eindruck einer mangelnden Objektivität, der auf konkreten Anhaltspunkten beruht.

Maßstäbe für die Besorgnis der Befangenheit bei privaten Dieselklagen

Überdies verwendet der BGH in seinen drei Beschlüssen im Zusammenhang mit der Besorgnis der Befangenheit bei privaten Dieselklagen immer auch den folgenden Textbaustein:

Misstrauen gegen die Unvoreingenommenheit eines Richters ist u.a. dann gerechtfertigt, wenn objektive Gründe dafür sprechen, dass er auf Grund eines eigenen – sei es auch nur mittelbaren – wirtschaftlichen Interesses am Ausgang des Rechtsstreits der Sache nicht unvoreingenommen und unparteiisch gegenübersteht […].“

Dieser Textbaustein ist es, der Bedenken im Hinblick auf die Unparteilichkeit eines Richters aufwirft, der selbst privat mit einer Dieselklage befasst ist. Der BGH führt in seinen drei Beschlüssen insoweit weiter aus, dass die Besorgnis der Befangenheit in jenen Situationen gerade dann bestehe, wenn es sich um den gleichen Sachverhalt handele, über den der Richter zu entscheiden habe und aus dem er seine Ansprüche im Rahmen seiner Klage geltend mache. In einem solchen Fall bestünde die Gefahr, dass der Richter die Würdigung des Sachverhalts in seinem eigenen Verfahren auf das von ihm als Richter zu entscheidende Verfahren übertrage und demgemäß entscheide. Es komme laut BGH maßgebend darauf an, ob der Richter im Rahmen des von ihm zu entscheidenden, fremden Verfahrens teilweise oder gänzlich identische Sachverhaltsfragen zu beantworten habe, wie im Rahmen seines privat geführten Verfahrens.

JurCase informiert:

Der Maßstab für die Beurteilung der Besorgnis der Befangenheit eines Richters, der selbst privat mit einer Dieselklage befasst ist, hat sich also daran zu orientieren, ob es sich bei dem Verfahren, das der Richter als Privatperson betreibt, und dem Verfahren, über das der Richter nun zu entscheiden hat – auch trotz unterschiedlicher prozessualer Streitgegenstände – um den gleichen Sachverhalt handelt.

Diese Grundsätze und Maßstäbe, die bei der Prüfung der Identität der Sachverhaltsvarianten und der Beurteilung der Objektivität des Richters – speziell im Fall der privaten Dieselklage eines Richters – relevant werden, veranschaulichte der BGH besonders deutlich in seinen drei Beschlüssen aus den Jahren 2019 bis 2021:

Die Argumentation im Beschluss vom 25.02.2021 – III ZR 205/20:

Es ereignete sich der folgende Sachverhalt: Der vorsitzende Richter hatte über eine Revision im Rahmen eines Verfahrens zu entscheiden, in dem Schadensersatz wegen eines Dieselmotors gefordert wurde. Der Kläger warf der Beklagten vor, sie habe in den Dieselmotor eine verbotene Abschalteinrichtung eingebaut. Der Vorsitzende Richter zeigte in diesem Verfahren an, dass er selbst einen PKW mit einem derartigen Dieselmotor erworben und aus demselben Grund eine Schadensersatzklage gegen die Beklagte erhoben habe. Die Beklagte wies daraufhin auf die Besorgnis der Befangenheit des Richters hin.

Der BGH bejahte die Besorgnis der Befangenheit in diesem Fall und lieferte hierfür – orientiert an den zuvor aufgeführten Maßstäben – die folgende Begründung:

„Es besteht somit die naheliegende Möglichkeit, dass er im vorliegenden Rechtsstreit in wesentlichen Teilen den gleichen Sachverhalt und die gleichen Rechtsfragen zu beurteilen hat wie in eigenerSache, ob nämlich Käufern von Fahrzeugen des Volkswagen-Konzerns, die mit dem hier in Rede stehenden Dieselmotor EA 189 nebst Abschalteinrichtung ausgestattet sind, Schadensersatzansprüche zustehen. Dies ist geeignet, vom Standpunkt der Beklagten aus bei vernünftiger Betrachtung Zweifel an der Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit des vorsitzenden Richters aufkommen zu lassen. Dabei genügt bereits der ‚böse Schein’, die tatsächliche Einstellung des Richters ist insoweit nicht ausschlaggebend.“

Die Argumentation im Beschluss vom 28.07.2020 – VI ZB 94/19:

Auch hier lag dem Verfahren, über das der Richter zu entscheiden hatte, ein Sachverhalt zugrunde, in dem ein vom Abgasskandal betroffenes Fahrzeug gekauft und gegen die Beklagte kaufrechtliche und deliktsrechtliche Ansprüche geltend gemacht wurden. Der Richter zeigte in diesem Verfahren an, dass er selbst seit Jahren Halter eines Dieselfahrzeugs der Abgasnorm Euro 5 sei. Er habe
vom Kraftfahrt-Bundesamt ein Informationsschreiben seines Kfz-Herstellers
erhalten, in dem ihm mitgeteilt worden sei, dass beabsichtigt werde die Software des Motorsteuergerätes von Dieselfahrzeugen der Abgasnorm Euro 5 zu aktualisieren.
Er habe die Entscheidung getroffen, dieses Update nicht durchführen zu lassen, er prüfe jedoch noch, ob er den Händler oder Hersteller in Anspruch nehmen werde, wobei er bereits einen Vertragsanwalts des ADAC kontaktiert, jedoch noch keine Antwort erhalten habe. Die Beklagte erhob daraufhin ein Ablehnungsgesuch wegen der Besorgnis der Befangenheit.

Auch hier entschied der BGH, dass gegenüber dem Richter die Besorgnis der Befangenheit bestehe. Er stellte klar, dass die vorgenannten Maßstäbe zur Ermittlung der Besorgnis der Befangenheit auch dann gelten würden, „[…] wenn der Richter Ansprüche gegen die Partei bislang nicht geltend gemacht hat, dies aber ernsthaft in Erwägung zieht.“ In diesem Fall bestehe nämlich trotz der fehlenden abschließenden Würdigung des Sachverhalts die Gefahr, dass der Richter immerhin die vorläufige Bewertung seiner privaten Angelegenheit auf das von ihm zu entscheidende Verfahren übertrage.

Hier ist der BGH also äußerst großzügig bei der Annahme der Besorgnis der Befangenheit, indem er bereits auch vorläufige Bewertungen des Richters für die Besorgnis der Befangenheit ausreichen lässt, wenn der Richter privat noch nicht einmal eine Klage erhoben hat, sondern lediglich mit dem Gedanken spielt und sich hierfür einen Rechtsrat einholt.

Jurcase informiert:

Der Grund dafür, dass der BGH hier so großzügig bei der Annahme der Besorgnis der Befangenheit ist, mag sich im Grundgesetz finden. Hier ist in Art.101 Abs. 1 S. 2 GG das Recht des Einzelnen auf den gesetzlichen Richter verbürgt. Es handelt sich um ein grundrechtsgleiches Recht, dem dadurch, dass es in einer Verfassungsnorm geschützt wird, also eine erhebliche Bedeutung zukommt. Das Bundesverfassungsgericht zeigt in seinem Beschluss vom 12.12.2012 sehr anschaulich den Zusammenhang der Verletzung des Rechts auf den gesetzlichen Richter aus Art.101 Abs. 1 S. 2 GG mit der Annahme der Besorgnis der Befangenheit eines Richters auf:

Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG schützt den Anspruch des Bürgers auf eine Entscheidung seiner Rechtssache durch den hierfür von Gesetzes wegen vorgesehenen Richter […]. Damit soll die Unabhängigkeit der Rechtsprechung gewahrt und das Vertrauen der Rechtsuchenden und der Öffentlichkeit in die Unparteilichkeit und Sachlichkeit der Gerichte gesichert werden […]. Die Verfassungsnorm garantiert, dass der Rechtsuchende im Einzelfall vor einem Richter steht, der unabhängig und unparteilich ist und die Gewähr für Neutralität und Distanz gegenüber den Verfahrensbeteiligten bietet […].“

(BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 12. Dezember 2012 – 2 BvR 1750/12)

Vorliegend sei laut BGH die vorläufige Prüfung des Richters in seiner privaten Angelegenheit bereits deshalb als ernsthaft anzusehen, da er schon den Rat eines Vertragsanwalts angefordert habe. Der ADAC habe innerhalb der Beratung zum Software-Update Aussagen zu einem rechtlichen Vorgehen getätigt, welches der vorsitzende Richter bereits in Anspruch genommen habe. Damit gehe das Interesse des Richters hier „[…] über bloße Sozialbefangenheit oder Gruppenbetroffenheit hinaus.“

Der BGH lieferte sodann die folgende Begründung für die Besorgnis der Befangenheit des Richters in diesem Fall:

„Es besteht die Möglichkeit, dass er im vorliegenden Rechtsstreit den gleichen Sachverhalt und die gleichen Rechtsfragen wie in eigener Sache (dort mit anwaltlicher Hilfe) zu beurteilen hat, ob nämlich Käufern von Fahrzeugen der Marke Mercedes, die vom sogenannten Abgasskandal betroffen sind, gegen die Beklagte als Herstellerin Schadensersatzansprüche zustehen. Dies ist geeignet, vom Standpunkt der Beklagten aus bei vernünftiger Betrachtung Zweifel an der Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit des Vorsitzenden Richters aufkommen zu lassen. Von welchen Erwägungen er sich bei seiner Entscheidung in eigener Sache leiten lassen wird und ob die diesbezüglichen Vermutungen des Berufungsgerichts zutreffen, ist dabei unerheblich. Denn es genügt bereits der ‚böse Schein’, die tatsächliche Einstellung des Richters ist nicht ausschlaggebend.“

Die Argumentation im Beschluss vom 10.12.2019 – II ZB 14/19:

Dem Verfahren, über das die Richterin hier zu entscheiden hatte, lag ein Streit der Parteien über die Wirksamkeit von Beschlüssen der Hauptversammlung der Beklagten, im Rahmen derer der damalige Vorstandsvorsitzende, der Aufsichtsratsvorsitzende und ein Aufsichtsratsmitglied der Beklagten für das Geschäftsjahr 2016 entlastet worden sind, zugrunde. Der Kläger war der Auffassung, die Entlastungsbeschlüsse seien unter anderem bereits wegen des sogenannten „Dieselskandals“ anfechtbar. Die Vorsitzende Richterin zeigte hier an, dass sie privat einen PKW mit einem vom Abgasskandal betroffenen Motor gekauft habe, so dass sie sich gemäß § 607 Abs. 1 Nr. 6, § 608 ZPO an der gegen die Beklagte gerichteten, auf Schadensersatz wegen manipulierter Abgassteuerungen zielenden Musterfeststellungsklage beteiligt habe. Die Beklagte erhob daraufhin ein Ablehnungsgesuch wegen der Besorgnis der Befangenheit.

Auch hier entschied der BGH, dass die Besorgnis der Befangenheit bestehe und damit ein Ablehnungsgrund vorliege. Er würdigte alle Umstände des Einzelfalles, prüfte den hypothetischen Verfahrensablauf und führte im Ergebnis aus:

„Die Anmeldung der Vorsitzenden Richterin zum Musterfeststellungsverfahren gegen die Beklagte ist geeignet, vom Standpunkt der Beklagten aus bei vernünftiger Betrachtung Zweifel an ihrer Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit aufkommen zu lassen. Zwar haben die auf Schadensersatzansprüche von Fahrzeugkäufern gegen die Beklagte gerichtete Musterfeststellungsklage und die vorliegende Beschlussanfechtungsklage – wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat – unterschiedliche Streitgegenstände im prozessualen Sinne, so dass es insoweit an einer Parallelität der beiden Verfahren fehlt. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts besteht jedoch aufgrund der teilweisen Überschneidung der den beiden Verfahren zugrundeliegenden Sachverhalte die Möglichkeit, dass in beiden Verfahren derselbe Sachverhalt zu beurteilen sein könnte. […] Die Verfolgung von Ersatzansprüchen durch die entlasteten Aufsichtsratsmitglieder oder das entlastete Vorstandsmitglied käme in Betracht, wenn die damaligen Vorstandsmitglieder oder Mitarbeiter der Beklagten im Zusammenhang mit einer Manipulation von Abgassteuerungen an den Motoren der Baureihe EA 189 in der Vergangenheit pflichtwidrig gehandelt haben und aus diesem Grund Schadensersatzansprüche von Fahrzeugkäufern gegen die Beklagte entstanden sind. […] Derselbe Sachverhalt wird von den Anträgen der Musterfeststellungsklage gegen die Beklagte erfasst.“

Der BGH stellt hier außerdem klar, dass die Anmeldung der Vorsitzenden Richterin zum Musterfeststellungsverfahren durch die Beklagte als Rechtsverfolgung dieses Schadensersatzanspruchs zu verstehen sei. Er begründete die Besorgnis der Befangenheit gegen die Richterin in diesem Fall – unter Bezugnahme auf die altbekannten Textbausteine – weiter wie folgt:

„Mit der Anmeldung zur Musterfeststellungsklage bringt der Anmelder – sofern keine besonderen Umstände ausnahmsweise eine andere Beurteilung rechtfertigen – objektiv zum Ausdruck, dass seiner Auffassung nach auch für ihn ein von den Feststellungszielen des betreffenden Musterfeststellungsverfahrens abhängiger/s Anspruch oder Rechtsverhältnis besteht. Dementsprechend hat die Vorsitzende Richterin hier mit ihrer Anmeldung objektiv zum Ausdruck gebracht, dass auch sie ihrer Meinung nach als Käuferin eines Fahrzeugs der Marke mit einem Motor der Baureihe EA 189 im Juli 2015 durch pflichtwidriges Handeln von Vorstandsmitgliedern und/oder Mitarbeitern der Beklagten sittenwidrig geschädigt (§ 826 BGB) oder betrogen (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB) worden ist. Besondere Umstände, die ausnahmsweise Anlass zu einer anderen Beurteilung ihrer Anmeldung geben könnten, liegen nicht vor. […] Welchen Zweck die Vorsitzende Richterin subjektiv tatsächlich mit ihrer Anmeldung verfolgt, ist im Rahmen von § 42 Abs. 2 ZPO unerheblich. Maßgeblich ist, ob aus der Sicht der ablehnenden Partei bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gegeben ist, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln. Insoweit genügt bereits der „böse Schein“, die tatsächliche Einstellung des Richters ist nicht ausschlaggebend.“

Fazit

Der BGH ist mit der Annahme der Besorgnis der Befangenheit in Fällen, in denen ein Richter privat mit einem Dieselverfahren befasst ist, sehr großzügig. Dies wird gerade auch dadurch deutlich, dass dem BGH in seinem Beschluss vom 28.07.2020 (VI ZB 94/19) ein lediglich vorläufig eingeholter Rechtsrat zur Entscheidung der Frage, ob eine Klage erhoben werden soll, für die Annahme der Besorgnis der Befangenheit ausreichte. Deutlich wird jedoch auch, dass der BGH in diesen Fällen immer nach dem gleichen Muster verfährt. Es sind letztlich also folgende Prüfungspunkte und Maßstäbe bei der Frage nach der Besorgnis der Befangenheit gegenüber Richtern, die privat mit Dieselfällen befasst sind, zu beachten:

1. Gibt es konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dem Richter im konkreten Fall die Objektivität fehlt?

2. Alle Umstände des Einzelfalles sind zu würdigen.

3. Eine Indizwirkung für die Besorgnis der Befangenheit bei Richtern, die privat mit Dieselfällen befasst sind, besteht dann, wenn die Überprüfung des hypothetischen Verfahrensablaufs ergibt, dass identische Sachverhaltsvarianten im Rahmen des privaten Verfahrens des Richters und im Rahmen des Verfahrens, über das der Richter zu entscheiden hat, vorliegen.

4. Die Besorgnis der Befangenheit muss keinesfalls tatsächlich nachgewiesen werden, es genügt bereits der Eindruck einer solchen – oder wie der BGH es formuliert: „der böse Schein“.

Mit der Anwendung dieser Maßstäbe können somit auch die zukünftig auftretenden Fälle dieser Materie schnell und sachgerecht beurteilt werden.

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Beitragsautor:

Laureen

Laureen

Laureen war zu ihrer Zeit bei uns Diplom-Juristin und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich des Strafrechts bei Nagel Schlösser Rechtsanwälte. Sie hat bei uns über verschiedene Themen berichtet, etwa zu ihrem Referendariat und vor allem zu #Gewusst: Aktuelle Rechtsprechung.

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