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Rechtsprechung des Monats November 2024: Beweisverwertungsverbot bzgl. Videoaufnahmen in Wohnung

By 4. November 2024No Comments
Rechtsprechung des Monats

BGH, Urt. v. 12.03.2024 – VI ZR 1370/20, GRUR-RS 2024, 14074

Schwerpunkte: Art. 1, Art. 2, Art. 13, Art. 20, Art. 103 GG; Art. 6 DSGVO; §§ 543, 573 BGB; §§ 286, 355 ff. ZPO

(Abgrenzung zu BGH RÜ2 2018, 223 „Dashcam“)

In Kooperation mit Alpmann Schmidt präsentieren wir die Rechtsprechung des Monats. Hierbei handelt es sich um examensrelevante Rechtsprechung, die dir von erfahrenen Praktiker:innen vorgestellt wird. Zusätzlich bieten dir diese Fälle die Möglichkeit, das Schreiben von Assessorklausuren zu üben.

Fall

Die Klägerin ist Vermieterin, die Beklagten sind Mieterinnen von zwei Mietwohnungen. In der Vergangenheit hatten die Beklagten die Wohnungen wiederholt unberechtigt untervermietet, weshalb die Klägerin die Beklagten abgemahnt hatte. Die Klägerin behauptet, die Beklagten hätten dennoch die Wohnungen weiterhin unberechtigt untervermietet.

Um dies nachweisen zu können, hatte die Klägerin eine Detektei beauftragt, die vom 09.11. bis 11.12.2023 jeweils vom Treppenhaus aus den Eingangsbereich der Wohnungen mit versteckten Videokameras überwachte, die Aufnahmen speicherte und ein Protokoll darüber erstellte, wann welche Personen ein- und ausgegangen waren. Die Kameras waren gegenüber den Wohnungseingangstüren installiert und erfassten bei geöffneter Wohnungstür den Eingangsbereich innerhalb der Wohnungen. Aus den Aufnahmen ergibt sich deutlich, dass beide Wohnungen von wechselnden Untermietern genutzt werden.

Am 15.01.2024 erklärte die Klägerin daher die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung beider Mietverhältnisse wegen ungenehmigter Untervermietung.

Die DSGVO ist im Sartorius unter der Ordnungsziffer 246 zu finden.
Das Vorgehen der Detektei verstieß gegen Art. 6 Abs. 1 DSGVO, da die Datenverarbeitung auch nach Art. 6 Abs. 1 S. 1 Buchst. f DSGVO nicht rechtmäßig war. Die Beklagten meinen daher, „mit solchen Stasi Methoden“ gewonnene Beweismittel dürften im Zivilprozess nicht verwertet werden. Die Klägerin meint, selbst wenn gegen die Bestimmungen der DSGVO verstoßen worden sein sollte, folge daraus doch kein Verbot, die Erkenntnisse im Zivilprozess zu verwerten.

Andere Beweismittel gibt es nicht.

Entwerfen Sie die Entscheidungsgründe zur Begründetheit der Räumungsklage.

Leitsätze

  1. Die Frage, ob die auf einer unzulässigen Videoüberwachung beruhenden Erkenntnisse einer Partei bei der gerichtlichen Entscheidungsfindung verwertet werden dürfen, ist unter Berücksichtigung der Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung zu beurteilen.
  2. Rechtsgrundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten bei der gerichtlichen Entscheidungsfindung im deutschen Zivilprozess sind die im Licht des Grundgesetzes auszulegenden Bestimmungen der ZPO über die Berücksichtigung von Parteivorbringen und Beweisangeboten, insb. § 286 Abs. 1 ZPO, §§ 355 ff. ZPO.

Entscheidungsgründe (zur Begründetheit)

Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht kein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnungen (§ 546 Abs. 1 BGB, § 985 BGB) gegen die Beklagten zu. Die zwischen der Klägerin und den Beklagten bestehenden Mietverhältnisse sind durch die auf eine unbefugte Gebrauchsüberlassung gestützte außerordentliche und ordentliche Kündigung der Klägerin vom 15.01.2018 nicht beendet worden.

Zu diesem Zeitpunkt lag weder ein wichtiger Grund i.S.v. § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Alt. 2 BGB noch ein berechtigtes Interesse der Vermieterin an der Beendigung des Mietverhältnisses gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB vor. Ein Grund zur Kündigung der Mietverhältnisse folgt nicht daraus, dass die Beklagten die angemieteten Wohnungen im Zeitraum vom 09.11. bis 11.12.2023 unbefugt an Dritte überlassen hätten. Eine derartige Pflichtverletzung der Beklagten konnte die Klägerin nicht beweisen. Die als Beweis angebotenen Videoaufzeichnungen und die durch die Detektei gefertigten Protokolle dürfen nicht als Beweis verwertet werden.

I. „[32] Die Frage, ob die auf der unzulässigen Videoüberwachung beruhenden Erkenntnisse der Klägerin im vorliegenden Räumungsprozess verwertet werden dürfen, ist unter Berücksichtigung der Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung zu beurteilen

Der sachliche Anwendungsbereich der Verordnung ist eröffnet … Gemäß Art. 2 Abs. 1 DSGVO erfasst die Datenschutz-Grundverordnung u.a. die nichtautomatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem, d.h. einer strukturierten Sammlung (Art. 4 Nr. 6 DSGVO), gespeichert sind oder gespeichert werden sollen.

Eine solche Sammlung stellen auch die von der Klägerin zur Begründung ihrer Räumungsklage vorgelegten und nähere Informationen über die überwachten Personen enthaltenden Überwachungsprotokolle dar. Die Verwertung dieser Protokolle bei der gerichtlichen Entscheidungsfindung fällt unter den Begriff der ,Verarbeitung‘. Denn gemäß Art. 4 Nr. 2 DSGVO ist darunter jeder mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführte Vorgang im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten, wie etwa das Erfassen, die Verwendung oder die Offenlegung durch Übermittlung, zu verstehen.“

II. „[33] Gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 Buchst. e DSGVO ist die Verarbeitung personenbezogener Daten rechtmäßig, wenn sie für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde. Von der Erforderlichkeit in diesem Sinn ist auszugehen, wenn die Zivilgerichte die ihnen durch das nationale Recht übertragenen gerichtlichen Befugnisse ausüben.

Der BGH trifft unter Ziff. III. und IV. zwei voneinander unabhängige Abwägungs-entscheidungen:

Hier unter Ziff. III. geht es nur um die Frage, ob § 286 ZPO im Bereich der DSGVO überhaupt anwendbar ist. Kernfrage ist, ob § 286 ZPO den Anforderungen des Art. 6 Abs. 3 S. 4 DSGVO entspricht, also ein im öffentlichen Interesse liegendes Ziel verfolgt und in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten legitimen Zweck steht.

Das bejaht der BGH, weil die freie Beweiswürdigung im Rahmen des § 286 ZPO nicht grenzenlos gilt, sondern mit den in der Rspr. entwickelten Grundsätzen über eine verfassungskonforme Auslegung Beweisverwertungsverbote angenommen werden können. Sie ist also „angemessen“ i.S.d. Art. 6 Abs. 3 S. 4 DSGVO.

Bei der Beurteilung dieser Angemessenheit stellt der BGH in der Originalentscheidung auch auf Art. 47 Abs. 2, 52 Abs. 1 der EU-GRCh und Art. 6 Abs. 1 EMRK ab. Diese Ausführungen wurden hier aus Gründen der Verständlichkeit gekürzt.

[34] Gemäß Art. 6 Abs. 2, Abs. 3 S. 1 Buchst. b DSGVO … liegt die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung in diesem Fall allerdings nicht in Art. 6 Abs. 1 S. 1 Buchst. e DSGVO, sondern im Recht des Mitgliedstaats, dem der Verantwortliche – hier mithin das für die Verarbeitung verantwortliche Gericht – unterliegt. Der Unionsgesetzgeber hat den Mitgliedstaaten in Art. 6 Abs. 2 und 3 DSGVO hinsichtlich der Verarbeitung personenbe-zogener Daten durch die öffentliche Hand (Art. 6 Abs. 1 S. 1 Buchst. e DSGVO) die Möglichkeit eröffnet, nationale Bestimmungen beizubehalten oder einzuführen, mit denen sie die Anwendung der Vorschriften der DSGVO genauer festlegen und konkretisieren.

[35] Der Regelungsspielraum der Mitgliedstaaten ist allerdings durch die Bestimmung in Art. 6 Abs. 3 S. 4 DSGVO begrenzt. Danach muss die im nationalen Recht festgelegte Rechtsgrundlage ein im öffentlichen Inte-resse liegendes Ziel verfolgen und in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten legitimen Zweck stehen.“

III. Rechtsgrundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten bei der gerichtlichen Entscheidungsfindung im deutschen Zivilprozess sind nach diesen Grundsätzen die im Licht des Grundgesetzes auszulegenden Bestimmungen der ZPO über die Berücksichtigung von Parteivorbringen und Beweisangeboten, insbesondere § 286 Abs. 1 ZPO, §§ 355 ff. ZPO.

1. „[37] Die genannten Bestimmungen verpflichten das Gericht, das Vorbringen der Parteien vollständig zur Kenntnis zu nehmen, erheblichen Beweisanträgen nachzugehen und sich seine Überzeugung unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses der Beweisaufnahme zu bilden. Von der Verpflichtung, den gesamten Inhalt der Verhandlung vollständig zu berücksichtigen, sind Erkenntnisse, die eine Partei rechtswidrig erlangt hat, nicht grundsätzlich ausgenommen. Die Unzulässigkeit der Informationsgewinnung führt nicht ohne Weiteres zu einem Verbot der Verwertung im gerichtlichen Verfahren [vgl. BGH RÜ2 2018, 223].“

2. „[38] Ein Verwertungsverbot kann sich aber aus einer verfassungskonformen Auslegung der genannten zivilprozessualen Bestimmungen ergeben [vgl. BGH RÜ2 2018, 223] … Aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt insbesondere die Verpflichtung zu einer fairen Handhabung des Beweisrechts.

Geht es um die Verwertung von heimlich verschafften persönlichen Daten über einen anderen sowie von Erkenntnissen, die sich aus diesen Daten ergeben, hat das Gericht zu prüfen, ob dies mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vereinbar ist. Ob der in der gerichtlichen Verwertung liegende Grundrechtseingriff gerechtfertigt ist, richtet sich nach dem Ergebnis der Abwägung zwischen dem gegen die Verwertung streitenden allgemeinen Persönlichkeitsrecht – und ggf. weiteren betroffenen Rechtspositionen – auf der einen und einem für die Verwertung sprechenden rechtlich geschützten Interesse auf der anderen Seite [vgl. BGH RÜ2 2018, 223].“

3. „[40] Die in diesem Sinn verfassungskonform auszulegenden Bestimmungen der ZPO über die Berücksichtigung von Parteivorbringen und Beweisangeboten entsprechen den Anforderungen des Art. 6 Abs. 3 S. 4 DSGVO. Sie verfolgen ein im öffentlichen Interesse liegendes Ziel und stehen in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten legitimen Zweck. [Denn die] Bestimmungen [zielen] auf eine effektive Zivilrechtspflege ab.“

Die unter Ziff. III. abstrakt dargestellte Möglichkeit, in verfassungskonformer Auslegung des § 286 ZPO Beweisverwertungsverbote anzunehmen, wird nun unter Ziff. IV. konkret auf den Fall angewendet.

Hier folgt also die Abwägung der sich gegenüberstehenden durch das GG geschützten Interessen innerhalb des § 286 ZPO, wie Sie es auch von anderen Beweisverwertungsverboten außerhalb des Anwendungsbereichs der DSGVO kennen.

Zuletzt hatte z.B. das OLG Koblenz eine solche Abwägung bzgl. der Verwertbarkeit eines sog. Lauschzeugen zu treffen (RÜ2 2024, 59).

Näher zu Beweisverboten auch im AS-Skript Die zivilgerichtliche Assessorklausur (2023), Rn. 894.

IV. „[43] Nach der danach zur Anwendung berufenen und im Licht der Verfassung auszulegenden Bestimmung in § 286 Abs. 1 ZPO dürfen die Erkenntnisse, die die Klägerin durch die von der Privatdetektivin durchgeführte rechtswidrige Videoüberwachung der Wohnungseingangsbereiche gewonnen hat, im vorliegenden Räumungsrechtsstreit nicht verwertet werden.“

Bei der erforderlichen Abwägung überwiegen die Interessen der Beklagten.

1. „[49] Zugunsten der Klägerin sind ihr Interesse an der Durchsetzung ihrer zivilrechtlichen Ansprüche und ihr im Grundgesetz verankerter Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Interesse an einer funktionierenden Zivilrechtspflege und an einer materiell richtigen Entscheidung in die Abwägung einzustellen.“

2. „[50] Aufseiten der Beklagten [sind] ihr Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 Abs. 1 GG und ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) zu berücksichtigen.“

a) „[51] Die gezielte Videoüberwachung der Eingangsbereiche innerhalb der Wohnungen … beeinträchtigt das Grundrecht der Beklagten auf Unverletzlichkeit der Wohnung aus Art. 13 Abs. 1 GG.“

Die von Art. 13 I GG geschützte räumliche Privatsphäre ist im Streitfall betroffen. Die Kameras waren gegenüber den Wohnungseingangstüren installiert und erfassten bei geöffneter Wohnungstür den Eingangsbereich innerhalb der Wohnungen. Ist im Treppenhaus des Mehrfamilienhauses keine andere Person wahrnehmbar anwesend, befinden sich die Beklagten …

„[52] … – auch bei geöffneter Wohnungstür – in einer durch räumliche Abgeschiedenheit geprägten Situation, in der sie die berechtigte Erwartung haben, nicht durch Dritte beobachtet zu werden.“

b) „[53] Durch die Videoüberwachung und die Speicherung der Aufzeichnungen wird außerdem das aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG abzuleitende allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beklagten in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung beeinträchtigt.

[54] Dieses Recht tritt hier nicht hinter das ebenfalls betroffene Grundrecht aus Art. 13 GG zurück.

[57] Dieses Recht wird durch die sich über einen Zeitraum von vier Wochen erstreckende verdeckte Videoüberwachung der Eingangsbereiche der Wohnungen, die Speicherung der Aufzeichnungen und die ,Verschriftlichung‘ der gewonnenen Erkenntnisse in Protokollen erheblich beeinträchtigt.

Die Videoaufzeichnungen dokumentieren lückenlos, wann, wie oft und in welcher Begleitung, in welcher Stimmung, mit welchem Gesichtsausdruck und in welcher Bekleidung die Betroffenen die jeweilige Wohnung betreten, verlassen oder auch nur die Wohnungstür geöffnet haben. Sie bilden auch ab, wie sie sich dabei verhalten haben. Aufgrund der Heimlichkeit der Aufzeichnungen hatten die Betroffenen keine Möglichkeit, hiergegen Abwehrstrategien zu entwickeln und selbst zu entscheiden, ob sie diese ihrem Privatleben zuzurechnenden Informationen preisgeben wollen oder nicht.“

3. „[58] Die Abwägung führt zu einem Überwiegen der Schutzinteressen der Beklagten. Wie soeben dargestellt, wiegt die Beeinträchtigung ihrer Rechte auf Unverletzlichkeit der Wohnung und informationelle Selbstbestimmung schwer. Sie mussten unter den konkreten Umständen vernünftigerweise nicht mit der Erhebung und Verarbeitung der personenbezogenen Daten rechnen. Ihnen war die Möglichkeit genommen, ihr in der räumlichen Privatsphäre gezeigtes Verhalten an die Beobachtung anzupassen. Sie hatten auch keine Möglichkeit, auf den vorhandenen Datenbestand einzuwirken.

[59] Zugunsten der Klägerin zu berücksichtigende besondere Umstände sind daneben nicht ersichtlich. Insbesondere war sie keiner Beweisnot ausgesetzt, da ihr … mildere Mittel zum Nachweis etwaig anhaltender Gebrauchsüberlassungen zur Verfügung standen [, namentlich die Befragung von Nachbarn oder die Durchführung von Testanmietungen].“

1. Der Sachverhalt wurde hier stark vereinfacht und insbesondere der Verstoß der Videoaufzeichnung gegen Art. 6 Abs. 1 DSGVO im Sachverhalt vorgegeben. In einer Klausur werden Sie heute mit einer Prüfung nach der DSGVO rechnen müssen. Da eine Einwilligung der betroffenen Mieter gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1a) DSGVO nicht vorliegt, wäre die Aufzeichnung gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1f) DSGVO nur dann rechtmäßig, wenn die Videoaufnahmen „zur Wahrung der berechtigten Interessen erforderlich waren“ und nicht „die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen“. Ein solches Überwiegen der Grundrechte der Betroffenen hat der BGH hier zu der Parallelvorschrift § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BDSG bejaht und damit die Videoaufnahmen als rechtsstaatswidrig angesehen. Denn die Klägerin als Vermieterin hätte mildere Mittel gehabt, die Untervermietungen festzustellen, etwa die Befragung von Nachbarn oder die Durchführung von Testanmietungen. Im Originalfall war die Rechtmäßigkeit der Erstellung der Videoaufnahmen an sich nach dem längst außer Kraft getretenen BDSG zu beurteilen, da die Detektei noch vor Inkrafttreten der DSGVO tätig geworden war. Die Verwertung dieser Aufnahmen im Zivilprozess als möglicher erneuter Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Mieter war dagegen nach der DSGVO zu beurteilen, die zum Zeitpunkt des Zivilprozesses bereits in Kraft getreten war.

BGH RÜ2 2018, 223

2. Der BGH zitiert hier seine sog. Dashcam-Entscheidung aus 2018 und entwickelt diese fort: Der damalige Rechtsstreit war noch vollständig nach den Bestimmungen des BDSG zu beurteilen. Neu sind daher die Ausführungen des BGH unter Ziff. III zu der Frage, ob unter Verstoß gegen die DSGVO gewonnene Beweismittel überhaupt nach § 286 ZPO berücksichtigt werden dürfen.

Interessant ist auch, dass das Ergebnis der Abwägung in der vorliegenden Entscheidung völlig anders ist als das in der Dashcam-Entscheidung. In jener Entscheidung ging es darum, ob Videoaufnahmen des Straßenverkehrs mit einer im Auto befestigten Dashcam verwertet werden dürfen. Auf der Klägerseite waren die gleichen Interessen zu berücksichtigen wie im vorliegenden Fall (s.o. Ziff. IV. 1). Auf der Seite der Beklagten war aber Art. 13 GG nicht betroffen, da die Aufnahmen nur im öffentlichen Raum erfolgten. Auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Beklagten war nur in der weniger schutzwürdigen Sozialsphäre betroffen, nicht dagegen in der hier einschlägigen Privat- oder sogar Intimsphäre. Der BGH bejahte daher im Ergebnis die Verwertbarkeit der Dashcam-Aufnahmen.

3. Eine weitere interessante Frage spricht der BGH in der Entscheidung nur am Rande an und lässt sie offen: Was wäre, wenn die Beklagten die Untervermietung gar nicht bestritten hätten? Die Vertragsverletzung wäre dann nach dem unstreitigen Vortrag zu bejahen, eine Beweisaufnahme nicht durchzuführen und dann würde sich natürlich auch die Frage nach einem Beweisverwertungsverbot nicht stellen.

So z.B. BAG NJW 2023, 3113 Rn. 29 ff.

In einer solchen Konstellation wird aber diskutiert, ob sogar ein Vortragsverbot besteht, ob also der Klägerin verboten wäre, die rechtswidrig festgestellten Untervermietungen als Kündigungsgrund im Rechtsstreit vorzutragen. Das wird von einer sehr starken Meinung in der Rspr. befürwortet, aber gerade die Senate des BGH beurteilen diese Frage unterschiedlich.

Diese Rechtsprechung wurde für dich von VRiLG Peter Finke aufbereitet.

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Beitragsautor:

Alpmann Schmidt

Alpmann Schmidt

Alpmann Schmidt ist ein juristischer Fachverlag, der zudem juristische Lehrgänge und Repetitorien anbietet. In Kooperation mit JurCase präsentiert Alpmann Schmidt bei uns monatlich eine Rechtsprechung des Monats. Mehr Informationen zu Alpmann Schmidt gibt es hier.

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