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If you’re (not) going to San Francisco… – Unmöglichkeit einer Flugreise wegen Einreiseverbots in die USA während der COVID-19-Pandemie (X ZR 97/23)

By 9. September 2024No Comments
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#HierZucktDeinPrüfungsamt im Zivilrecht in Kooperation mit RiOLG Dr. Janko Büßer

Moin zusammen,
heute empfehle ich ein Urteil des X. Zivilsenats vom 25. Juni 2024, in dem im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie einige examensrelevante Fragen zum Leistungshindernis und zur Risikoverteilung beantwortet werden.

JurCase informiert:

Das Urteil des X. Zivilsenats vom 25.06.2024 – X ZR 97/23 findest du kostenfrei hier auf der Seite des Bundesgerichtshofs.

Was ist passiert?

Der Sachverhalt ist übersichtlich und wird hier noch weiter vereinfacht:

Die Klägerin buchte im Oktober 2020 bei der Beklagten Flüge für eine Privatreise nach San Francisco, die im August 2021 stattfinden sollte. Für den Fall der Stornierung sollten lediglich Steuern und Gebühren erstattet werden. Zum Zeitpunkt der Buchung galt infolge der COVID-19-Pandemie bereits seit sieben Monaten ein unbefristetes Einreiseverbot für Passagiere aus dem Schengen-Raum in die USA. Da dieses Verbot bis zum November 2021 fortbestand, konnte die Klägerin die Flüge nicht antreten. Diese fanden zwar statt, die Beklagte hätte die Klägerin aber aufgrund des Einreiseverbots nicht befördert.

Die Klägerin nimmt die Beklagte nun auf Erstattung des Flugpreises in Anspruch.

Worum geht es?

Die Klägerin hat Flüge bezahlt, die sie nicht antreten konnte, weil die Beklagte sie nicht in die USA befördert hätte. Da möchte sie natürlich ihr Geld zurück. (Die Fluggastrechte-Verordnung spielt dabei keine Rolle.)

Indem die Klägerin den Flug nicht antrat, hat sie (konkludent) den Rücktritt vom Beförderungsvertrag, bei dem es sich um einen Werkvertrag handelt, erklärt. Das konnte aber schon deshalb nicht automatisch zu einem Anspruch auf Rückzahlung des Flugpreises führen, weil die Parteien einen solchen Anspruch im Vertrag ausgeschlossen hatten.

Wie steht es aber mit Unmöglichkeit? Ist dem Schuldner die Erbringung der geschuldeten Leistung gemäß § 275 BGB unmöglich, kann der Gläubiger vom Vertrag zurücktreten (§ 326 Abs. 5 BGB). Ist damit für die Klägerin der Erstattungsanspruch aus § 346 Abs. 1 BGB entstanden? Das kommt darauf an!

Auf den Rücktritt nach § 326 Abs. 5 BGB ist § 323 BGB anzuwenden. Nach dessen Abs. 6 ist der Rücktritt u.a. dann ausgeschlossen, wenn der Gläubiger für den Umstand, der ihn zum Rücktritt berechtigen würde, allein oder weit überwiegend verantwortlich ist.

Aber die Klägerin konnte ja nun wirklich nichts für Pandemie und Einreiseverbot! Stimmt, die Beklagte aber auch nicht!

Der BGH musste sich deshalb an dieser Stelle (und im Zusammenhang mit einem Anspruch aus §§ 812 Abs. 1, 648a BGB) ausführlich mit der Frage befassen, zu wessen Lasten dieses Risiko geht.

Warum solltest du die Entscheidung noch lesen?

  • Das Urteil fügt sich in eine Reihe von examensrelevanten Entscheidungen im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie, die auch an dieser Stelle schon häufiger eine Rolle gespielt haben (z.B. hier). Du solltest dir von Zeit zu Zeit einen Überblick verschaffen.
  • Unmöglichkeit“ ist ein Klassiker des Schuldrechts, den du in seinen wesentlichen Ausprägungen natürlich kennen solltest.
  • Dasselbe gilt für das Rücktrittsrecht und die (außerordentliche) Kündigung.

Und sonst?

Die Unmöglichkeit der Leistungserbringung ist eine Einwendung, die das Gericht auch dann berücksichtigen muss, wenn sich der Schuldner nicht ausdrücklich darauf beruft. Es genügt, dass er Tatsachen vorträgt, aus denen sich die Unmöglichkeit ergibt, ohne dass er den Begriff der Unmöglichkeit verwenden muss. Das gilt auch für die sonstigen rechtshindernden und rechtsvernichtenden Einwendungen.

Anders ist es bei den rechtshemmenden Einreden, vor allem bei der Verjährung. Diese darf das Gericht nur dann bei seiner Entscheidung berücksichtigen, wenn der Beklagte diese Einrede ausdrücklich erhebt oder der Kläger selbst vorträgt, dass sich der Beklagte vorprozessual auf die Einrede der Verjährung berufen habe. Letzteres ist vor allem für die Klägerklausur im zweiten Examen wichtig: Wie immer solltest du Gegenrechte des Beklagten in der Klageschrift nur dann thematisieren, wenn du sie zugleich entkräften kannst. Hat sich der Beklagte vorprozessual auf Verjährung berufen, musst du also darlegen können, dass er damit nicht durchdringt, zum Beispiel weil der Ablauf der Verjährungsfrist durch Verhandlungen für eine ausreichende Zeit gehemmt war (§ 203 BGB).

Und nicht vergessen: Schreib regelmäßig Übungsklausuren!

JurCase informiert:

Hier findest du den Newsletter von Dr. Büßer auf LinkedIn. Dort findest du außerdem auch wertvolle Tipps zum Referendariat.

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Beitragsautor:

Dr. Janko Büßer

Dr. Janko Büßer

Dr. Janko Büßer ist Richter am Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg, Dozent und Autor. In seinem LinkedIn-Newsletter präsentiert er examensrelevante BGH-Entscheidungen im Zivilrecht und vieles mehr für Studium und Referendariat. Die Reihe #HierZucktDeinPrüfungsamt in Kooperation mit Herrn Dr. Büßer findest du auch bei JurCase!

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