#HierZucktDeinPrüfungsamt im Zivilrecht in Kooperation mit RiOLG Dr. Janko Büßer
Moin zusammen,
heute empfehle ich ein Urteil des XI. Zivilsenats vom 14. Mai 2024, in dem es zwar teils um Besonderheiten des Bankrechts, überwiegend aber um höchst examensrelevante Fragen zum Vertrag mit Schutzwirkung, zur Drittschadensliquidation, zur Vermutung aufklärungsgerechten Verhaltens und zum Verjährungsbeginn geht.
JurCase informiert:
Das Urteil des XI. Zivilsenats vom 14.05.2024 – XI ZR 327/22 findest du kostenfrei hier auf der Seite des Bundesgerichtshofs.
Was ist passiert?
Kurz gesagt: Die Kläger veranlassten über ihre Hausbank H. (und unter Einschaltung der Landesbank L.) eine Überweisung in Höhe von 350.000,00 Euro an U. auf deren Geschäftskonto bei der Beklagten in der Schweiz. Die Beklagte schrieb U. diesen Betrag am 6. März 2012 gut.
Allerdings war zu diesem Zeitpunkt bereits eine Verfügung der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht (FINMA) ergangen, durch die der U. jede Entgegennahme von Publikumseinlagen untersagt wurde sowie sämtliche Kontoverbindungen und Depots gesperrt, zwei in Zürich ansässige Rechtsanwälte als Untersuchungsbeauftragte mit alleiniger Handlungsbefugnis eingesetzt und den Organen der U. Rechtshandlungen ohne Zustimmung der Untersuchungsbeauftragten untersagt wurden. Diese Verfügung wurde der Beklagten per Fax der Untersuchungsbeauftragten vom 5. März 2012 mit der Bemerkung weitergeleitet, der U. seien „sämtliche Vermögenswerte mit sofortiger Wirkung gesperrt (Sperrung nur für Ausgänge)“. Kurz darauf wurde über das Vermögen der U. das Konkursverfahren nach Schweizer Recht eröffnet.
Mit der Klage begehren die Kläger von der Beklagten Schadensersatz u.a. i.H.v. 350.000,00 Euro aus eigenem und abgetretenem Recht der H. und der L.
Worum geht es?
Das Geld der Kläger ist weg, denn U. ist pleite. Muss die Beklagte den Klägern diesen Schaden ersetzen, weil sie die Gutschrift erteilt hat, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt die Verfügung der FINMA kannte?
Der BGH hatte hierfür eine Reihe von interessanten Fragen zu beantworten:
- War die Beklagte aus dem Vertragsverhältnis mit H. verpflichtet, auf die Verfügung der FINMA hinzuweisen, damit H. die Kläger hätte informieren können?
- Entfaltet das Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten und H. Schutzwirkung für die Kläger oder sind die Grundsätze der Drittschadensliquidation anzuwenden?
- Kann sich die Beklagte mit der Behauptung verteidigen, H. hätte die Information ohnehin nicht an die Kläger weitergeleitet, weil H. wie sie davon ausgegangen wäre, dass aufgrund der Information durch die Untersuchungsbeauftragten nur Auszahlungen vom Konto der U. untersagt gewesen seien? In diesem Zusammenhang stellt der BGH klar, dass die Vermutung aufklärungsgerechten Verhaltens nicht nur für alle Aufklärungs- und Beratungsfehler eines Anlageberaters gilt, sondern ebenso für die Verletzung von Warn- und Hinweispflichten durch eine Bank im Zahlungsverkehr. Deshalb war auch zu klären, ob das Berufungsgericht die Behauptung der Beklagten zu Recht als Behauptung „ins Blaue hinein“ ansehen und für unbeachtlich halten durfte.
- Schließlich musste sich der BGH noch mit der Verjährungseinrede der Beklagten beschäftigen. Dabei geht es um die bislang streitige Frage, auf wessen Kenntnis es hinsichtlich des Verjährungsbeginns nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 ZPO in den Fällen der Drittschadensliquidation ankommt: auf die der geschädigten Kläger oder die – hier deutlich früher vorhandene – der H. als der ursprünglichen Anspruchsinhaberin.
Warum solltest du die Entscheidung noch lesen?
- Du könntest die Entscheidung nutzen, um dich mit dem Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte und der Drittschadensliquidation zu beschäftigen. Einen guten Überblick über beide Konstellationen erhältst du bspw. bei Brockmann/Künnen (JA 2019, 729).
- Du könntest dich mit den Grundsätzen der Darlegungs- und Beweislast und ihren Ausnahmen im Allgemeinen sowie der Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens im Besonderen befassen. Um diese Vermutung ging es auch schon in diesem Beitrag.
- Im Referendariat könntest du dir die Anforderungen an die Substantiierung des Parteivortrags ansehen.
Und sonst?
Die Entscheidung enthält noch einen interessanten Aspekt zur Zulässigkeit der Klage, auf den es vor allem im Rahmen einer Anwaltsklausur aus Klägersicht ankommen kann.
Die Kläger stützen ihre Klage auf Ansprüche aus eigenem und abgetretenem Recht, ohne ausdrücklich klarzustellen, in welcher Reihenfolge das Gericht diese Ansprüche prüfen soll. Genügt das den Anforderungen an die Bestimmtheit des Klagegrundes (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO)?
Hierzu musst du wissen, dass es sich bei Ansprüchen aus eigenem und abgetretenem Recht um verschiedene Streitgegenstände handelt, auch wenn sie auf dasselbe Ziel gerichtet sind, denn (bei identischem Antrag) sind die Lebenssachverhalte unterschiedlich. Damit liegt eine objektive Klagehäufung vor (§ 260 ZPO), bei der ein Kläger grundsätzlich angeben muss, in welchem Verhältnis die Ansprüche zueinander stehen sollen. Eine alternative Klagehäufung ist unzulässig.
Der BGH hält die Klage aber für hinreichend bestimmt, da sie jedenfalls konkludent auf die materielle Rechtslage Bezug nehme. Danach gehen Ansprüche aus eigenem Recht solchen aus einer Drittschadensliquidation grundsätzlich vor.
Und nicht vergessen: Schreib regelmäßig Übungsklausuren!
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