#HierZucktDeinPrüfungsamt im Strafrecht in Kooperation mit VRiLG Dr. Nils Godendorff
Moin zusammen,
heute empfehle ich Dir zwei Entscheidungen und den Gesetzgeber:
1) Zum einen den Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 09.04.2024 – 5 Ws 19/24.
2) Zum Zweiten empfehle ich Dir den Beschluss des BGH vom 18.04.2024 – 1 StR 106/24. Der Beschluss ist nicht weniger wichtig als die Entscheidung aus Hamburg, aber danach ergangen, es lohnt sich, sich das Ganze chronologisch zu erschließen.
3) Und weil es chronologisch gehen soll, empfehle ich Dir drittens und trotzdem davor die Ausführungen aus dem Gesetzgebungsverfahrens, konkret BT-Drs 20/8704, S. 132. Das ist der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Cannabisgesetz, der sogenannte Referentenentwurf.
Warum die langen Ausführungen? Weil in eben diesem „Referentenentwurf“ drin steht:
„Sofern sich eine der genannten Tathandlungen auf eine nicht geringe Menge bezieht, liegt ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall vor, denn durch den illegalen Umgang mit nicht geringen Mengen wird insbesondere gefördert, dass Cannabis in einem nicht geringen Ausmaß illegal in den Verkehr kommt bzw. in ihm bleibt. Der konkrete Wert einer nicht geringen Menge wird abhängig vom jeweiligen THC-Gehalt des Cannabis von der Rechtsprechung aufgrund der geänderten Risikobewertung zu entwickeln sein. Im Lichte der legalisierten Mengen wird man an der bisherigen Definition der nicht geringen Menge nicht mehr festhalten können und wird der Grenzwert deutlich höher liegen müssen als in der Vergangenheit.“
Und was sagt der BGH zu diesem Referentenentwurf?
In etwas feineren Worten sagt er: Nö. Es bleibt, wie es ist.
Der BGH meint, dass die Bestimmung der nicht geringen Menge aus dem 500fachen der einen Rauschzustand herbeiführenden Menge (15mg THC) gebildet wurde und sagt mehr oder minder: Solange die Menschheit nicht einen evolutionären Schritt macht dahingehend, dass es mehr braucht, um bekifft zu sein, lassen wir das mal so. Und 500 mal 15mg THC ergeben auch im Jahr 2024 nun mal 7,5 g THC, selbst wenn sich ein Referatsleiter auf den Kopf stellt und mit den Füßen wackelt. Und wenn man sich auf jahrzehntealte Rechtsprechung bezieht, dann kann man nicht gleichzeitig eine Änderung erwarten. Und legt dann sehr anschaulich die Norm aus. Ob das im Angesicht der Gesetzesbegründung auf Ewigkeiten bestand haben wird, sei mal dahingestellt.
Und warum #zucktDeinPrüfungsamt dabei?
Ich denke, dass Deine Prüferin oder Dein Prüfer in der mündlichen Prüfung zucken könnten. Weil man nämlich wunderbar abprüfen kann, in welchem Verhältnis Gesetzentwurf / Referentenentwurf, Gesetzgebungsverfahren und eine Art Aufgabenübertragung mit gebundener Direktive an die Rechtsprechung so stehen.
Und dann geht das große Zucken weiter, wenn stellenweise die Verfassungswidrigkeit dieses Vorgehens des BGH postuliert wird.
Und was musst Du wissen?
- Was steht in meiner Prüfungsgegenstände-Verordnung?
- Fragen meine Prüfer/innen in der mündlichen gern aktuelle Gesetzgebungsverfahren ab?
- Waren meine Prüfer/innen selbst mal in einem Ministerium tätig?
- Wie läuft so ein Gesetzgebungsverfahren und welches Gewicht hat der Referentenentwurf?
- Was müsste ein anderer Senat des BGH machen, wenn er es anders sieht?
- Wie wurde (und nach Ansicht des BGH wird) die nicht geringe Menge berechnet?
Und nicht vergessen: Bildet Lerngruppen für die Mündliche!
Mit den besten Grüßen aus Hamburg
Nils Godendorff