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Gewusst

Hände hoch oder ich pumpe (oder hau damit zu)

By 16. Oktober 2023No Comments
HierZucktDeinPrüfungsamt

#HierZucktDeinPrüfungsamt im Strafrecht in Kooperation mit VRiLG Dr. Nils Godendorff

Moin zusammen,
heute empfehle ich dir den Beschluss des 4. Strafsenats vom 28. März 2023 – 4 StR 61/23. Es gibt drei zivilrechtliche Grundsätze: Der Handwerker muss sein Geld bekommen, die arme alte Frau, der Insolvenzverwalter gewinnt.

Es gibt aber auch Grundsätze für Prüfungsämter: Im Zivilrecht werden alle Fälle auf Bütte gedruckt und gerahmt, die mit Pferden zu tun haben. Darüber informiert Dich Janko Büßer. David Stadermann steht fürs Abschleppen im ÖffR parat. Und für die strafrechtlichen Prüfungsämter gilt in gleichem Maßstab: Wenn der BGH was zu § 250 StGB aufschreibt, zuckt es dort – deshalb empfehle ich diese Entscheidung des 4. Senates.

JurCase informiert:

Den Beschluss des BGH vom 28.03.2023 (4 StR 61/23) findest du kostenfrei hier auf der Seite des Bundesgerichtshofs.

Grundlegendes

Zum Einstieg eine Frage zu Eckklammern: Warum stehen eigentlich im Habersack (fka Schönfelder) eigentlich manche Überschriften in [Eckklammern]? – Der Grund ist, dass das keine amtlichen Überschriften sind, sondern vom Verlag selbst erdachte. Bei akuten Freizeitproblemen lies das Handbuch der Rechtsförmlichkeit des BMJ, 3. Aufl., Rn. 321.

Jetzt nimm bitte § 250 StGB zur Hand. Keine Eckklammern, also ist die Überschrift eine amtliche. Damit wäre an sich die gesamte Norm als schwerer Raub zu tenorieren. Das wäre aber unpraktisch und deshalb judiziert der BGH in ständiger Rechtsprechung (statt vieler BGH, Beschluss vom 8. Juli 2014 – 2 StR 144/14), dass § 250 Abs. 2 StGB ein besonders schwerer Raub ist. Das steht nicht im Gesetz, ist aber so. Und damit zum eigentlichen Fall:

Was ist passiert?

Drei Personen, darunter die Geschädigte, stehen zum Rauchen vor einer Kneipe. Der Angeklagte wollte die Handtasche der Geschädigten rauben, die auf einem Tisch neben ihr stand, hatte aber Sorge vor eventueller Gegenwehr. Also nahm er eine Luftpumpe, hielt sie wie ein Gewehr mit ausgezogenem Kolben auf Brusthöhe vor sich. Er hielt die Luftpumpe 20 bis 30 cm vor das Gesicht der Geschädigten und forderte die Herausgabe der Handtasche. Weder die Geschädigte noch ihre Begleiter erkannten die Luftpumpe. Sie liefen ins Lokal und ließen die Handtasche zurück. Der Angeklagte nahm die Handtasche an sich und lief davon, insbesondere das Bargeld behielt er.

Das Landgericht Essen verurteilte den Angeklagten wegen schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren. Der Angeklagte revidierte ohne Erfolg.

Worum geht es?

Der BGH führt erneut aus, dass unter Scheinwaffen Waffen zu fassen seien, welche sich als Mittel zur Überwindung des Widerstands eigneten. Ausgenommen hiervon sind dem 4. Strafsenat zufolge nur Gegenstände, die für einen objektiven Beobachter schon nach ihrem äußeren Erscheinungsbild offensichtlich ungefährlich sind.

Wichtig: Das ist nicht durch die Geschädigte oder ihre Begleiter zu beurteilen! Ein bisschen wie der objektive Empfänger im Zivilrecht musst Du Dir dafür einen unbeteiligten, die Sachlage nüchtern betrachtenden Dritten vorstellen, der sich den Gegenstand in Ruhe ansehen darf. Wenn dieser zu dem Ergebnis kommt, dass es unschön ist, mit einer Luftpumpe verprügelt zu werden, dann kann das eine Scheinwaffe sein.

So sieht das auch der BGH hier und bestätigt die Essener Richterinnen und Richter: Auch wenn der Angeklagte die Luftpumpe nicht als Schlagwerkzeug genutzt hat oder einen Schlag angedroht hat, sondern eine Schusswaffe vorgetäuscht habe, ist das „sonst ein Werkzeug oder Mittel…, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern“, vgl.  in § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB.

Warum solltest du die Entscheidung noch lesen?

  1. Wie oben beschrieben zuckt es bei § 250 StGB immer und in jedem Prüfungsamt.
  2. Die Entscheidung stellt noch einmal sehr schön dar, was Scheinwaffe sein kann und was nicht.
  3. Die Entscheidung hilft bei niedrigem Blutdruck, weil man sich so schön über diese Rechtsprechung aufregen kann. Ich habe bis heute nicht verstanden, warum die Luftpumpe nun eine Strafuntergrenze von 3 Jahren rechtfertigt, eine aus Seife geschnitzte, mit schwarzer Schuhcreme echt dargestellte Pistole aber vermutlich nicht (es sei denn, man nimmt das Eskalationspotential des Erstickens zur Hand). Ich habe mich übrigens mal an einer Rechtfertigung und Einordnung versucht, NStZ 2018, 321.

Und nicht vergessen: Schreib regelmäßig Übungsklausuren!

Mit den besten Grüßen aus Hamburg
Nils Godendorff

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Beitragsautor:

Dr. Nils Godendorff

Dr. Nils Godendorff

Dr. Nils Godendorff ist vorsitzender Richter am Landgericht in Hamburg. Auf LinkedIn gibt Dr. Godendorff unter dem Hashtag #HierZucktDeinPrüfungsamt Hinweise zu examensrelevanten strafrechtlichen Entscheidungen. Die Reihe #HierZucktDeinPrüfungsamt in Kooperation mit Herrn Dr. Godendorff findest du auch bei JurCase!

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