Die AG Zwangsvollstreckungsrecht während der Anwaltsstation
Kurz vor dem Examen wartet die für die Meisten unbequemste AG. Es bleibt nur wenig Zeit, dass Zwangsvollstreckungsrecht in seiner Tiefe zu durchdringen.
Die Arbeitsgemeinschaft Zwangsvollstreckungsrecht findet in der Regel während der Anwaltsstation und somit kurz vor den Examensklausuren statt. Mit meinem Erfahrungsbericht möchte ich dir die Angst vor dem großen Unbekannten nehmen und dir verraten, wie du die Zwangsvollstreckungs-AG erfolgreich meisterst.
Ablauf der Arbeitsgemeinschaft Zwangsvollstreckungsrecht
Die Arbeitsgemeinschaft im Zwangsvollstreckungsrecht findet in der Regel wöchentlich statt. Zugeordnet ist sie dabei normalerweise der Anwaltsstation und nicht, wie es die Thematik erwarten lassen würde, der Zivilstation. Das führt dazu, dass Referendare häufig lange Zeit keine Berührungspunkte mit dem Zwangsvollstreckungsrecht haben. Je nachdem wann das Zweite Staatsexamen geschrieben wird, hat man somit nur in den letzten sechs, maximal neun Monaten vor den Prüfungen wirklich Kontakt zum achten Buch des BGB.
Die Arbeitsgemeinschaft findet dabei nicht während der gesamten Anwaltsstation statt, sondern ist (zumindest in Rheinland-Pfalz) auf zwei Monate komprimiert, um die letzten Monate vor dem Examen dem Selbststudium zu überlassen und freizuhalten. Du merkst sicher jetzt schon, dass da in sehr kurzer Zeit ein enormer Berg an Wissen auf dich zukommt, welches in kürzester Zeit erarbeitet und verstanden werden muss. Da im Ersten Examen das Zwangsvollstreckungsrecht eher geringere Bedeutung hat, ist ein Vorwissen bei den Meisten (wie auch bei mir!) leider kaum vorhanden.
Inhaltlich wird die Arbeitsgemeinschaft häufig so aufgebaut sein, dass ihr euch von Tag eins an, Woche für Woche durch Original-Examensklausuren arbeitet und die examensrelevanten Schwerpunkte erkennen und lösen lernt. In meiner AG wurde jede Woche eine Klausur gemeinsam gelöst, die ihren Schwerpunkt bei einer der zahlreichen vollstreckungsrechtlichen Rechtsbehelfe hat. So näherten wir uns diesen der Reihe nach praktisch und erarbeiteten nach und nach ihre Tücken. Begleitet wurde die Arbeitsgemeinschaft durch Referate und wöchentlichen Aktenvorträgen, welche im Anschluss mit der ganzen Gruppe diskutiert wurden. So starteten wir etwa in Woche eins mit der Vollstreckungsgegenklage, in Woche zwei folgte die Titelgegenklage, dann die Schuldnererinnerung, die Einziehungsklage und so weiter. Die größte Schwierigkeit war dabei, sich auf ein völlig neues Rechtsgebiet einzulassen, welches aufgrund der zahlreichen Klagearten und der formalisierten Prüfung zeitweise eher an das öffentliche Recht als an das gewöhnte und bekannte Zivilrecht erinnert.
JurCase informiert:
In anderen Bundesländern, etwa im benachbarten Hessen, dauert die AG Zwangsvollstreckungsrecht indes rund vier Monate. Deshalb wird dort das Wissen zunächst theoretisch durch Frontalunterricht vermittelt, bevor es an die regelmäßige Bearbeitung von Original-Examensklausuren geht. Wem diese Wissensvermittlung nicht reicht, kann an einer der – zumindest in Hessen – angebotenen Arbeitstagungen zum Zwangsvollstreckungsrecht teilnehmen. Bei diesen „Crashkursen“ handelt es sich um Weiterbildungsmöglichkeiten, bei denen ein bestimmtes Thema binnen drei vollen Tagen vermittelt wird.
Die beste Vorbereitung
In der Arbeitsgemeinschaft selbst wird aufgrund der kurzen Zeit kaum Zeit sein, sich den wirklichen Basics zu widmen. Was ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ist, welche Voraussetzungen er hat und wie man sich gegen ihn wehren kann, wird deshalb oft schon als bekannt vorausgesetzt. Die Falllösungen stützen sich auf wiederkehrende Einzelprobleme, ohne jedoch das „große Ganze“ darlegen zu können. Wieder das Problem, dass du hier kaum auf das Wissen aus der ersten Prüfung zurückgreifen kannst.
Wem hier das Wissen fehlt, dem wird es schwerfallen, in den AG-Stunden der Fallbesprechung zu folgen, geschweige denn möglicherweise aktiv mitzuarbeiten. Und gleichzeitig ist die Zeit, bis es im Rahmen der Examensklausuren tatsächlich ernst wird, plötzlich sehr knapp und auch die Wiederholung anderer Rechtsgebiete nimmt viel Raum des täglichen Pensums ein. Während in anderen Arbeitsgemeinschaften auch nach dem Ende der Station in der Regel genug Zeit war, Lücken aufzuarbeiten, Lehrbücher und Skripte zu lesen und Kollegen um Hilfe zu bitten, wird dir diese Zeit nach der vollstreckungsrechtlichen Arbeitsgemeinschaft aufgrund des anstehenden Examens fehlen. Eine eigene, losgelöste Vorbereitung ist deshalb gerade für die Zwangsvollstreckungsrechts-AG unbedingt sinnvoll und zu empfehlen! Im Idealfall machst du dich deshalb bereits kurz vor dem Beginn der Anwaltsstation mit den Basics des Zwangsvollstreckungsrechts vertraut. Du solltest dir bereits vorher das grundlegende Verständnis des Zwangsvollstreckungsverfahrens aneignen und erarbeiten, welche Voraussetzungen eine ordnungsgemäße Zwangsvollstreckung hat. Wichtig ist außerdem, welche Zwangsvollstreckungsorgane es überhaupt gibt und welche Arten der Zwangsvollstreckung unterschieden werden können. So wird es dir in der AG leichter fallen, nachzuvollziehen an welchem Prüfungspunkt ihr euch befindet und wie das Verfahren abläuft.
Aber keine Angst: Wenn dir der Umgang mit den Klagearten im öffentlichen Recht liegt, wirst du auch mit dem Zwangsvollstreckungsrecht wenig Probleme haben. Und auch wenn du das öffentliche Recht lieber meidest: Zwangsvollstreckung ist sehr schematisch und mit schlichtem Auswendiglernen der Klagevoraussetzungen ist dir auch schon viel geholfen.
JurCase informiert:
Frag doch einfach mal in deiner Arbeitsgemeinschaft Zwangsvollstreckungsrecht, ob die wichtigsten Rechtsbehelfe nicht in Form von kurzen Referaten präsentiert werden können. Gerade wenn der AG-Leiter nicht der Beste ist, kann es zum Verständnis enorm helfen, sich die Themen gegenseitig zu erklären.
Umgang mit den Klausuren
In den meisten Bundesländern werden im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft regelmäßig Klausuren geschrieben. Auch das ist in der AG Zwangsvollstreckungsrecht oft eine besondere Herausforderung. Denn jegliches Wissen ist neu und es werden nicht die Strafbarkeiten bestimmter Tatbestände, lediglich im neuen Gewand der Anklage abgefragt. Dazu kommt, dass die erste Klausur bereits nach wenigen AG-Einheiten geschrieben wird und sie dennoch Examensniveau hat. Wie sollst du die denn dann schon richtig lösen können??? Deshalb ist mein wichtigster Tipp: Behalte einen kühlen Kopf! Deinen Kollegen werden die ersten Zwangsvollstreckungsrechtsklausuren ebenso schwerfallen wie dir. Gehe unvoreingenommen an den Sachverhalt heran und analysiere zunächst, in welcher Art der Zwangsvollstreckung sich deine Klausur abspielt. Im nächsten Schritt solltest du überlegen, welcher Titel vorliegt und welches Vollstreckungsorgan tätig geworden ist. So wirst du schnell wissen, welcher Rechtsbehelf der passende für deinen Fall ist. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen sind häufig identisch und können dich dann nicht mehr aus der Ruhe bringen. In der Begründetheit wirst du häufig auf materiell-rechtliche Probleme stoßen, die du bereits aus dem Ersten Staatsexamen und der Zivilstation kennst. Die größte Unbekannte ist somit bereits im Rahmen der Zulässigkeit der Klage besiegt.
Solltest du dennoch größere Schwierigkeiten mit der Klausur haben und deine Noten nicht deinen Vorstellungen entsprechend ausfallen, lass dich nicht verunsichern. Auch wenn es bis zu den schriftlichen Prüfungen nicht mehr lange ist, Klausuren kannst du in der Zeit noch einige üben! Und niemand erwartet, dass die aller erste Zwangsvollstreckungsrechtsklausur gleich top ist. Deshalb solltest du auch die die Ansprüche an dich selbst realistisch halten und dir die nötige Zeit geben, die Klausurtechnik zu verstehen und die Noten nicht zu sehr zu gewichten.
Fazit
Die Arbeitsgemeinschaft Zwangsvollstreckung ist sicherlich die schwierigste und herausforderndste der Referendariats-AGs. Zum einen fehlt den Referendaren dringend notwendiges Vorwissen, zum anderen stehen schon die schriftlichen Examensprüfungen drohend bevor. Um die Arbeitsgemeinschaft gut zu meistern und möglichst viel davon mitzunehmen, ist die eigene Erarbeitung der Basics schon vor Beginn der AG unbedingt zu empfehlen. Kurzlehrbücher und Skripte sind hier bestens geeignet. Und ansonsten gilt: Ruhe bewahren und so kurz vor den Prüfungen nicht den Kopf verlieren. Auch das Zwangsvollstreckungsrecht lässt sich nach kurzer Zeit sicher beherrschen.