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Referendariat

Die Verwaltungsstation beim Gemeinde- und Städtebund

By 16. April 2021Oktober 11th, 2023No Comments
Verwaltungsstation

Vertritt als „Anwältin der Gemeinden“ bei einem kommunalen Spitzenverband die Interessen der Gemeinden und Städte gegenüber Politik, Medien und Gesellschaft!

Die Verwaltungsstation bietet vielfältige Möglichkeiten! Warum deshalb nicht mal eine etwas ungewöhnlichere Station wählen und ein paar Monate bei einem kommunalen Spitzenverband reinschnuppern? Für mich war die Station beim Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz definitiv eine meiner liebsten!

Kommunaler Spitzenverband – was?

Kommunale Spitzenverbände nennt man die Zusammenschlüsse kommunaler Gebietskörperschaften, also der Gemeinden und Städte. Es gibt sie sowohl auf Bundes- als auch auf Länderebene. Es handelt sich dabei um rein privatrechtlich organisierte Verbände, denen die in ihrem Gebiet liegenden Gemeinden oder Städte freiwillig angehören können. Die Verbände finanzieren sich über Mitgliedsbeiträge der beigetretenen Städte bzw. Gemeinden und können somit parteipolitisch neutral und unabhängig von Landeszuschüssen arbeiten. Als Gegenzug für die Mitgliedsbeiträge setzen sich die Spitzenverbände gegenüber der Politik für ihre Mitglieder ein. Sie vertreten deren Interessen und üben Einfluss auf Landesregierungen und Bundesregierung aus. Dazu veröffentlichen sie beispielsweise Stellungnahmen zu geplanten Gesetzen und Verordnungen oder treten in den direkten Dialog mit Parteien und Fraktionen. Darüber hinaus stehen sie den Gemeinden aber auch rechtsberatend zur Seite und entwerfen für sie Mustersatzungen oder Argumentationshilfen. In Deutschland gibt es vor allem die kommunalen Städtetage, welche die Interessen der im jeweiligen Bundesland befindlichen Städte vertreten, sowie die kommunalen Gemeinde- und Städtebünde. Diese vereinen die Interessen der einzelnen Gemeinden.

Meine Verwaltungsstation führte mich für zwei Monate zum Gemeinde- und Städtebund Rheinland-Pfalz. Als Dachverband steht darüber der Deutsche Städte- und Gemeindebund, der als kommunale Interessenvertretung auf Bundesebene und in Europa tätig wird.

Was hat das mit der Verwaltungsstation zu tun?

Die kommunalen Spitzenverbände sind in den meisten Bundesländern als mögliche Ausbildungsstellen in der Verwaltungsstation zugelassen. Und auch wenn das Ganze auf den ersten Blick erstmal gar nicht so klassisch juristisch wirkt, verbirgt sich dahinter doch eine Menge fachlich juristischer Arbeit. So habe ich zwar nicht gelernt, Urteile, Beschlüsse oder Widerspruchsbescheide zu verfassen, konnte mich aber dennoch vertieft mit verwaltungsrechtlichen, überwiegend kommunalrechtlichen Sachverhalten beschäftigen. Und auch das Kommunalrecht ist in den Klausuren des Zweiten Staatsexamens immer wieder ein bei den Prüfungsämtern beliebtes, bei den Referendaren aber eher vernachlässigtes Thema. Da ich mit Kommunalrecht bislang am wenigsten anfangen konnte, entschied ich mich, mich meinen Dämonen zu stellen und zu dem theoretischen Wissen aus der Uni endlich greifbare Sachverhalte kennenzulernen. Die Station beim Gemeinde- und Städtebund wird mir mit Sicherheit sehr positiv in Erinnerung bleiben.

Deshalb solltest du deine Station beim Gemeinde- und Städtebund ableisten

Wahrscheinlich kannst du dir noch nicht so ganz vorstellen, was ich beim Gemeinde- und Städtebund täglich gemacht habe und warum mir ausgerechnet diese Station so gut gefallen hat.

Die Arbeit beim Gemeinde- und Städtebund ist eher rechtsberatend. So war ich dafür zuständig, einkommende Anfragen von Gemeinden im ganzen Bundesland eigenständig zu bearbeiten. Dabei handelte es sich stets um juristische Probleme, die nicht mehr gemeindeintern geklärt werden konnten. Die „Akte“ bestand in der Regel lediglich aus einigen E-Mails und gegebenenfalls wenigen weiteren Dokumenten. Ich habe die Sachverhalte begutachtet und schriftliche Lösungsvorschläge oder rechtliche Einschätzungen und Stellungnahmen für die Gemeinden verfasst. Im Vorfeld war in der Regel eine intensive Recherche notwendig, um Präzedenzfälle zu finden und um mich in die jeweiligen Themen einzuarbeiten. Dabei erhielt ich einerseits einen tollen Überblick über mein Bundesland – von vielen der Gemeinden hatte ich zuvor noch nie gehört – andererseits einen Einblick in die Verwaltungsarbeit in den kleinsten Gemeinden des Landes. Die Gemeinden waren bei meiner Arbeit nicht die Beklagten, wie sie es in verwaltungsrechtlichen Klausuren häufig sind, sondern die Mandanten. Außerdem verfasste ich Stellungnahmen für die Gemeinden direkt, so entstand das Gefühl, tatsächlich helfen zu können. Das unterscheidet die Referendarsarbeit beim Gemeinde- und Städtebund erheblich von der in den Verwaltungsgerichten oder Behörden, bei denen man ausgewählte Sachverhalte zur Bearbeitung erhält und diese in erster Linie zur Korrektur durch den Ausbilder anfertigt. Ich wurde so von Beginn der Station an in die tägliche Arbeit eingebunden.

Darüber hinaus ist die Arbeit sehr frei gestaltbar. Mangels fester Formen, wie Urteil oder Bescheid, blieb mir stets selbst überlassen, wie ich ein Problem löse und es den Gemeinden präsentiere. Hier war vor allem Kreativität gefragt – rechtlich sowie in der schriftlichen Darstellung. So entwickelte ich in einem Fall etwa eine Art rechtlichen Leitfaden dazu, wie Anträge in eine Gemeinderatssitzung eingeführt werden können, damit über sie Beschluss gefasst werden kann. An anderer Stelle prüfte ich einen Sachverhalt zum Thema Beseitigungsanspruch und Duldungspflichten schulmäßig von A bis Z im rechtlichen Gutachten.

Diese kreative, sehr individuell am jeweiligen „Mandanten“ ausgerichtete Arbeitsweise zeichnet die Verwaltungsstation beim Gemeinde- und Städtebund definitiv aus. Ich konnte meine eigenen Ideen frei entwickeln, sie mit Rechtsprechung und Gesetzen untermauern und anschließend praxistauglich präsentieren.

Weiterer Pluspunkt ist die umfangreiche Palette der rechtlichen Probleme. Neben recht bekannten Fragestellungen zur Gemeindeordnung, wie der Befangenheit von Ratsmitgliedern oder der Prüfung eines öffentliche-rechtlichen Vertrags, kam ich auch mit mir bis dahin unbekannten Themen in Kontakt. Besonders intensiv beschäftigte ich mich mit Wasserabgabesatzungen, dem Sportförderungsgesetz sowie Straßenausbaubeiträgen.

Wenn du also Spaß an juristischer Recherche und der Detektivarbeit auf der Suche nach Präzedenzfällen, sowie Lust am freien, selbstgestalteten Arbeiten hast und außerdem gerne mal an der Seite der Gemeinden stehen möchtest, dann wird dir die Ausbildung beim Gemeinde- und Städtebund sicherlich genauso gut gefallen wie mir!

JurCase informiert:

In Deutschland gibt es aktuell über 10.700 einzelne Gemeinden. Die beiden kleinsten Gemeinden sind Gröde in Schleswig-Holstein und Dierfeld in Rheinland-Pfalz. Diese beiden haben gerade einmal zehn Einwohner! Trotzdem haben diese Gemeinden einen eigenen Ortsbürgermeister und Gemeinderat!

Du solltest kein Referendariat beim Gemeinde- und Städtebund machen, wenn…

Natürlich gibt es auch ein paar Aspekte, die du möglicherweise als Nachteil ansehen könntest. Hier möchte ich dir direkt Wind aus den Segeln nehmen.

… du unbedingt nur Themen höchster Examensrelevanz bearbeiten möchtest.

Es ist vermutlich eher weniger wahrscheinlich, dass vertiefte Kenntnisse im Straßenausbaubeitragsrecht im Examen abgefragt werden. Das ist sicher richtig. Dennoch spielt Kommunalrecht eine nicht zu vernachlässigende Rolle und auch in anderen Ausbildungsstationen werden dir immer wieder mal eher exotische Rechtsgebiete begegnen.

… du lediglich die für das Examen relevanten Formalien einüben möchtest.

Es ist ein kleiner Nachteil, dass dir ein kommunaler Spitzenverband wohl keine klassischen Akten bieten kann und du keine Urteile oder Verwaltungsbescheide anfertigst. Aber mit ein bisschen Fleißarbeit und aktiver Mitarbeit in der Arbeitsgemeinschaft stellt dies keinen ernstzunehmenden Nachteil dar.

… du so wenig Arbeitsbelastung wie möglich haben möchtest.

Tatsächlich durfte ich an einer großen Menge an Anfragen der Gemeinden arbeiten. Das erhöht natürlich den Arbeitsaufwand. Jedoch wird die erhöhte Arbeitsfrequenz durch den eher geringen Umfang der Arbeiten ausgeglichen. Die Gemeindeanfragen sind in der Regel auf ein oder zwei konkrete juristische Fragen begrenzt. Deshalb fallen auch die schriftlichen Ausarbeitungen eher kurz und knapp aus – außerdem möchte eine Gemeinde eine einfache Problemlösung von dir und keine wissenschaftliche Abhandlung.

Bewerbung beim Gemeinde- und Städtebund

Die Bewerbungsverfahren sind in den Verwaltungsstationen in der Regel von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedlich. Erkundige dich deshalb frühzeitig darüber, wie dies in deinem Bundesland gehandhabt wird. Sicher werden Dir Mitarbeiter der Prüfungsämter oder der Landgerichte weiterhelfen können. Ich musste mich direkt beim Gemeinde- und Städtebund bewerben. Nach der Zusage ließ ich mir dann dort eine Bescheinigung über die Ausbildungsstelle erstellen und reichte diese bei der für die Verwaltungsstation zuständigen Verwaltungsbehörde (Kreisverwaltung) ein, welche mich dann offiziell der Ausbildung dort zuwies.

Fazit

Wenn du den Beitrag bis hier hin gelesen hast, wirst du hoffentlich meine Begeisterung bemerkt haben. Deine Kollegen im Referendariat werden höchstwahrscheinlich bei einer der vielen städtischen oder gemeindlichen Verwaltungsbehörden unterkommen. Sei mutig und probiere Etwas ganz anderes aus! Für mich hat sich die Ausbildung beim Gemeinde- und Städtebund gelohnt – ich konnte sogar eine neuen berufliche Perspektive für mich entdecken!

 

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Beitragsautor:

Isabelle Mewes

Isabelle Mewes

Isabelle absolviert ihren juristischen Vorbereitungsdienst am Landgericht Mainz. Für JurCase gibt sie Einblicke in ihr Referendariat. Daneben teilte sie Erfahrungen über ihr Ehrenamt zu Studienzeiten bei ELSA mit. Sie beschäftigt sich außerdem mit Schlüsselqualifikationen.

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