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Gewusst

Nö, doch nicht! – Wirksamkeit eines sog. Handwerker-Widerrufs nach Ausführung des Auftrags (VII ZR 151/22)

By 9. Oktober 2023No Comments
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#HierZucktDeinPrüfungsamt im Zivilrecht in Kooperation mit RiOLG Dr. Janko Büßer

Moin zusammen, heute empfehle ich ein Urteil des VII. Zivilsenats vom 6. Juli 2023 (VII ZR 151/22), in dem es mal wieder um ein klassisches Examensthema geht, nämlich den Widerruf eines „Haustürgeschäfts“ – hier in der Form des „Handwerker-Widerrufs“.

JurCase informiert:

Das Urteil des VII. Zivilsenats vom 06.07.2023 – VII ZR 151/22 findest du kostenfrei hier auf der Seite des Bundesgerichtshofs.

Was ist passiert?

Die Kläger beauftragten den Beklagten mit der Erneuerung von Dachrinnen und mit Abdichtungsarbeiten im Eingangsbereich ihres Reihenhauses (Hauptauftrag). Während der Ausführung dieser Arbeiten am 22. und 23. August bemerkte ein Mitarbeiter des Beklagten, dass der Wandanschluss des Daches defekt war, und teilte dies dem Kläger mit. Nachdem der Beklagte dem Kläger die ungefähre Größenordnung der für diese, vom Hauptauftrag unabhängigen Arbeiten anfallenden Vergütung sowie die voraussichtliche Dauer der Arbeiten mitgeteilt hatte, beauftragten die Kläger den Beklagten auch mit diesen Arbeiten (Zusatzauftrag), die anschließend ausgeführt wurden. Der genaue Ablauf der Beauftragung ist zwischen den Parteien streitig. Die Kläger zahlten die für beide Aufträge vom Beklagten in Rechnung gestellte Betrag.

Mit einem am 5. September in den Briefkasten des Beklagten eingelegten Schreiben widerriefen die Kläger beide Aufträge als Haustürgeschäfte und nehmen den Beklagten auf Rückzahlung des Werklohns in Anspruch.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen, weil ein Widerruf jedenfalls rechtsmissbräuchlich sei. Das Berufungsgericht hat dieses Urteil in Bezug auf den Zusatzauftrag abgeändert und den Beklagten insoweit zur Zahlung verurteilt. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Beklagten.

Worum geht es?

Die Kläger haben den Zusatzauftrag als Haustürgeschäft widerrufen.

Da der Zusatzauftrag auf der Baustelle und damit außerhalb der Geschäftsräume des Beklagten geschlossen wurde, kommt ein Widerrufsrecht nach §§ 312g Abs. 1, 312b Abs. 1 BGB grundsätzlich in Betracht.

Ist dieser Widerruf wirksam, ist der Beklagte gemäß §§ 355 Abs. 3 S. 1, 357 Abs. 1 BGB verpflichtet, den empfangenen Werklohn an die Kläger zurückzuzahlen. Das Problem: Schon wegen der fehlenden Widerrufsbelehrung hätte er keinen Wertersatzanspruch für die erbrachten Leistungen (§ 357a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB) und damit die Reparatur auf eigene Kosten erbracht.

Der BGH hat – anders als das Berufungsgericht – seiner Entscheidung den – nach Zurückverweisung aufzuklärenden – Tatsachenvortrag des Beklagten zugrunde gelegt, wonach der Beklagte den Klägern telefonisch ein Angebot für den Zusatzauftrag gemacht habe, das die Kläger erst am nächsten Tag auf der Baustelle angenommen hätten (hierzu noch am Ende).

Auf dieser Grundlage hatte sich der BGH mit folgenden Fragen beschäftigt:

  • Genügt es für die Annahme eines Haustürgeschäfts nach § 312b Abs. 1 Nr. 1 BGB, dass die Kläger ihre Annahmeerklärung in Anwesenheit des Beklagten auf der Baustelle abgegeben haben?
  • Muss § 312b Abs. 1 Nr. 2 BGB richtlinienkonform und über den Wortlaut hinaus auch dann angewendet werden, wenn der Verbraucher kein Angebot abgegeben, sondern – wie hier – die Annahme erklärt hat?
  • Wäre der Widerruf der Kläger nicht ohnehin nach § 312g Abs. 2 Nr. 11 BGB ausgeschlossen, weil die Kläger den Beklagten unstreitig aufgefordert haben, die erforderlichen Arbeiten im Rahmen des Zusatzauftrags auszuführen?
  • Und was ist mit dem Argument des Beklagten, dass es am rechtzeitigen Absenden der Widerrufserklärung nach § 355 Abs. 1 S. 5 BGB fehle, weil die Kläger ihr Schreiben unstreitig nicht per Post versandt, sondern selbst in seinen Briefkasten eingelegt hätten (sic!).
  • Schließlich: Hatte das Amtsgericht mit seiner Auffassung recht, dass der Widerruf rechtsmissbräuchlich sei?

Warum solltest du die Entscheidung noch lesen?

1. Da die Regelungen zum Verbraucherwiderruf im Allgemeinen und zum Haustürwiderruf im Besonderen europäische Verbraucherschutzrichtlinien umsetzen, hat der BGH die einschlägigen Vorschriften richtlinienkonform ausgelegt. Mit dieser wichtigen Auslegungsmethode solltest du vertraut sein.

2. Der BGH sah keinen Grund, die Sache dem EuGH vorzulegen. Die Grundzüge des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV solltest du kennen.

3. Die Erteilung von Folge- oder Zusatzaufträgen auf der Baustelle kommt in der Baupraxis regelmäßig vor. Trotzdem hat der EuGH in seinem Urteil vom 17. Mai 2023 (C-97/22) (auf die Vorlage des Landgerichts Essen) keinen Grund gesehen, den Wertersatzausschluss für erbrachte Leistungen bei unterbliebener Widerrufsbelehrung (im deutschen Recht heute der erwähnte § 357a Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB) irgendwie abzufedern. Diese Entscheidung solltest du bei Gelegenheit lesen.

Und sonst?

Das Berufungsgericht hat im Rahmen des streitigen Beklagtenvortrags im Tatbestand seines Urteils die vom BGH aufgegriffene Behauptung des Beklagten zu dessen telefonischem Angebot am ersten und der Annahme durch die Kläger auf der Baustelle am zweiten Tag aufgeführt. In den Entscheidungsgründen ist es dann aber davon ausgegangen, dass der Zusatzauftrag unstreitig bei gleichzeitiger Anwesenheit der Kläger und des Beklagten auf der Baustelle erteilt worden sei.

Der BGH befasst sich deshalb kurz mit der Frage, ob die (fehlerhafte) Feststellung durch das Berufungsgericht nach § 314 ZPO bindend ist, weil der Beklagte keinen Tatbestandsberichtigungsantrag nach § 320 Abs. 1 ZPO gestellt hat, der nach ständiger Rechtsprechung auch die Wiedergabe von Parteivortrag in den Entscheidungsgründen des Urteils erfasst. Er hält aber an der ebenfalls ständigen Rechtsprechung fest, dass im Fall widersprüchlicher Feststellungen keine Bindungswirkung eintrete und folglich auch keine Tatbestandsberichtigung erforderlich sei.

Im Hinblick auf Berufungsklausuren im zweiten Examen habe ich mich bereits in einem früheren Beitrag mit der Bindung an die Feststellungen zum Parteivortrag im Tatbestand des angefochtenen Urteils beschäftigt.

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Beitragsautor:

Dr. Janko Büßer

Dr. Janko Büßer

Dr. Janko Büßer ist Richter am Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg, Dozent und Autor. In seinem LinkedIn-Newsletter präsentiert er examensrelevante BGH-Entscheidungen im Zivilrecht und vieles mehr für Studium und Referendariat. Die Reihe #HierZucktDeinPrüfungsamt in Kooperation mit Herrn Dr. Büßer findest du auch bei JurCase!

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