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Gewusst

Me, myself and I – Vollstreckungsgläubigerin als eigene Rechtsnachfolgerin (VII ZB 54/21)

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#HierZucktDeinPrüfungsamt im Zivilrecht in Kooperation mit RiOLG Dr. Janko Büßer

Moin zusammen,
heute empfehle ich einen Beschluss des VII. Zivilsenats vom 17. Januar 2024, in dem es um die namentliche Bezeichnung des Titelgläubigers als allgemeine Voraussetzung der Zwangsvollstreckung geht.

JurCase informiert:

Den Beschluss des VII. Zivilsenats vom 17. Januar 2024 (VII ZB 54/21) findest du kostenfrei hier auf der Seite des Bundesgerichtshofs.

Was ist passiert?

Die Gläubigerin erwirkte gegen den Schuldner einen Vollstreckungsbescheid. Nach mehrfacher Abtretung der titulierten Forderung landet der Anspruch wieder bei ihr. Nun möchte sie eine Forderung des Schuldners gegen seine Bank pfänden lassen.

Das Vollstreckungsgericht hat den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zurückgewiesen. Die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung lägen nicht zweifelsfrei vor. Aufgrund der Ringabtretung bestünden Zweifel an der Parteiidentität zwischen der Antragstellerin als ursprünglicher Gläubigerin und als Rechtsnachfolgerin des letzten Zedenten. Die sofortige Beschwerde blieb ebenfalls ohne Erfolg. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde.

Worum geht es?

Gemäß § 750 Abs. 1 S. 1 ZPO muss u.a. der Vollstreckungsgläubiger im Urteil oder in der Vollstreckungsklausel namentlich bezeichnet sein. Da unsere Gläubigerin aus einem Vollstreckungsbescheid vollstrecken will, gilt § 750 Abs. 1 S. 1 ZPO hier mit der Einschränkung, dass eine Vollstreckungsklausel nur dann erforderlich wird, wenn nicht der ursprüngliche Gläubiger, sondern dessen Rechtsnachfolger die Vollstreckung betreibt (§§ 794 Abs. 1 Nr. 4, 795 S. 1, 796 ZPO).

Für das Vollstreckungsgericht (und ihm folgend das Beschwerdegericht) stellt sich die Frage, ob auch unsere Antragstellerin infolge der Abtretungen eine Rechtsnachfolgeklausel braucht, obwohl sie im Vollstreckungsbescheid als Gläubigerin namentlich bezeichnet ist. Sollte das so sein, müsste sie entweder mittels öffentlicher oder öffentlich beglaubigter Urkunde die Abtretungen nachweisen (§ 727 Abs. 1 ZPO) oder – wenn sie das nicht kann – Klage auf Erteilung der Vollstreckungsklausel erheben (§ 731 ZPO; hierzu unten mehr).

Der BGH musste also klären, ob der formale Vergleich der Identität der Antragstellerin ausreicht oder ob eine Prüfung der materiellen Berechtigung zu erfolgen hat.

(Da die Antwort eigentlich auf der Hand liegt: Es reicht aus, dass die Antragstellerin im Titel als Gläubigerin bezeichnet ist.)

Warum solltest du die Entscheidung noch lesen?

  • Sichere Kenntnisse des Zwangsvollstreckungsrechts brauchst du in beiden Examen. Fürs erste Examen deshalb hier noch mal dieser Literaturtipp: Kliebisch, Zwangsvollstreckungsrechtliche Klausuren im Assessorexamen, JuS 2013, 316.
  • Um die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung ging es schon hier unter „Und sonst?“.
  • Denk dran: Entgegen der landläufigen Annahme gibt es nicht nur den Gerichtsvollzieher als Vollstreckungsorgan. Den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gemäß §§ 829, 835 ZPO zur Vollstreckung eines auf Zahlung gerichteten Titels in eine Forderung erlässt das Vollstreckungsgericht (§ 828 Abs. 1 ZPO). Dabei handelt es sich um das Amtsgericht am (inländischen) Wohnsitz des Schuldners (§§ 828 Abs. 2, 12, 13 ZPO). Weitere Vollstreckungsorgane neben Gerichtsvollzieher und Vollstreckungsgericht sind das Prozessgericht (bspw. für die Vollstreckung von Titeln, die auf die Vornahme von Handlungen oder auf Unterlassungen gerichtet sind, §§ 887, 888, 890 ZPO) und das Grundbuchamt (bspw. für die Eintragung der Zwangshypothek, § 867 Abs. 1 ZPO).
  • Zur Frage, wann eine Rechtsnachfolge offenkundig iSv § 727 Abs. 1 ZPO ist, hat der VII. Zivilsenats ebenfalls gerade eine Entscheidung veröffentlicht: Beschluss vom 31. Januar 2024 – VII ZB 57/21 -, Rn. 16 ff.

Und sonst?

Im Verhältnis von § 727 ZPO und § 731 ZPO gibt es zwei streitige Fragen, mit denen du dich bei Gelegenheit kurz beschäftigen solltest:

  1. Muss der Gläubiger in jedem Fall zunächst einen Antrag nach § 727 ZPO stellen, auch wenn er die erforderlichen Nachweise nicht führen kann, oder gilt das – nur bzw. jedenfalls – dann, wenn er sich die Urkunden leicht beschaffen könnte?
  2. Muss er, wenn er erfolglos einen Antrag nach § 727 ZPO gestellt hat, zwingend sofortige Beschwerde gegen den zurückweisenden Beschluss einlegen, selbst wenn die Zurückweisung auf fehlenden Nachweisen beruht, die er ohnehin nicht beschaffen kann?

Einzelheiten hierzu und auch sonst einen sehr guten Überblick über die Klage nach § 731 ZPO erhältst du bei Dr. Marc-Christian Pieronczyk, Die Klauselerteilungsklage gem. § 731, JuS 2023, 642.

Und nicht vergessen: Schreib regelmäßig Übungsklausuren!

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Beitragsautor:

Dr. Janko Büßer

Dr. Janko Büßer

Dr. Janko Büßer ist Richter am Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg, Dozent und Autor. In seinem LinkedIn-Newsletter präsentiert er examensrelevante BGH-Entscheidungen im Zivilrecht und vieles mehr für Studium und Referendariat. Die Reihe #HierZucktDeinPrüfungsamt in Kooperation mit Herrn Dr. Büßer findest du auch bei JurCase!

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