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Gewusst

Words are very unnecessary – Irrtümliche Falschbezeichnung des verkauften Grundstücks? (V ZR 89/22)

By 11. September 2023Oktober 10th, 2023No Comments
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#HierZucktDeinPrüfungsamt im Zivilrecht in Kooperation mit RiOLG Dr. Janko Büßer

Moin zusammen, heute empfehle ich das Urteil des V. Zivilsenats vom 23. Juni 2023, das für Prüfungen mal wieder wie gemacht ist. Es geht um die Auslegung eines notariellen Grundstückskaufvertrags.

JurCase informiert:

Das Urteil des VIII. Zivilsenats vom 23.06.2023 – V ZR 89/22 findest du kostenfrei hier auf der Seite des Bundesgerichtshofs.

Was ist passiert?

Mit notariellem Vertrag vom 9. Dezember 2009 verkauften die Beklagten den Klägern ein mit einem Wohnhaus bebautes Grundstück zum Preis von 270.000 €. Als Kaufgegenstand war (nur) das Flurstück 291/3 genannt. Die Kläger gingen bei Vertragsschluss aber irrtümlich davon aus, dass hierzu auch das angrenzende, 19 m² große Flurstück 277/22 gehöre. Tatsächlich steht dieses Flurstück jedoch im Eigentum eines Dritten, der es nunmehr von den Klägern als den Besitzern herausverlangt.

Die Kläger begehren die Rückabwicklung des Vertrages sowie die Feststellung, dass die Beklagten sie von sämtlichen sich im Zuge der Rückabwicklung ergebenden materiellen Schäden freizustellen haben.

Worum geht es?

Die Kläger möchten den Kauf rückgängig machen, weil ihnen (nach ihrem Vortrag) das Flurstück 291/3 allein nichts nützt. Sie sind der Auffassung, sich mit den Beklagten auch über 277/22 geeinigt zu haben. Da die Beklagten dieses Flurstück aber nicht übertragen konnten, da es im Eigentum eines Dritten steht (§ 275 Abs. 1 BGB), halten sich die Kläger gemäß §§ 326 Abs. 5, 323 Abs. 5 S. 1 BGB für zum Rücktritt berechtigt.

Im Mittelpunkt des Falls steht die Frage, ob sich die notariell beurkundete Einigung der Parteien tatsächlich über das ausdrücklich erwähnte Flurstück 291/3 hinaus auch auf 277/22 bezieht.

Nach ständiger Rechtsprechung können für die Auslegung notariell beurkundeter Verträge auch außerhalb der Urkunde liegende Umstände herangezogen werden. Dies setzt aber grundsätzlich voraus, dass der einschlägige rechtsgeschäftliche Wille der Parteien in der formgerechten Urkunde einen, wenn auch nur unvollkommenen, Ausdruck gefunden hat. Da 277/22 jedoch an keiner Stelle erwähnt wird, fehlt es wohl an einem solchen Ausdruck.

Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn die Partei trotzdem übereinstimmend auch 277/22 in die Einigung einbeziehen wollten und somit eine irrtümliche Falschbezeichnung vorliegt.

Der BGH hatte deshalb zu entscheiden, ob eine solche falsa demonstratio hier anzunehmen ist. Dabei war insbesondere zu beachten, dass 277/22 nicht im Eigentum der Verkäufer stand.

Außerdem beschäftigt sich der BGH mit einem Rückabwicklungsanspruch aus culpa in contrahendo und dessen Verjährung. Ausgangspunkt ist die Frage, ob die Beklagten den Irrtum der Kläger hervorgerufen oder erkannt und nicht berichtigt haben.

Warum solltest du die Entscheidung noch lesen?

1. Du könntest dich allgemein mit der Auslegung von Verträgen und der falsa demonstratio im Besonderen beschäftigen, deren Grundsätze für Grundstückskaufverträge der BGH ausführlich darstellt.

2. Der BGH erläutert, warum es nicht zur Beschaffenheit des Flurstücks 291/3 gehört, dass es sich auf das Nachbargrundstück (277/22) bezieht, sodass ein Rücktritt aus dem Gewährleistungsrecht ausscheidet.

3. Der BGH weist auf die Besonderheiten für die Fälligkeit des Eigentumsverschaffungsanspruchs bei Grundstücken hin.

Und sonst?

Mal wieder Verjährung.

Zum einen: Nach § 218 Abs. 1 BGB ist ein Rücktritt unwirksam, wenn der Leistungs- oder Nacherfüllungsanspruch verjährt ist, was du also inzident prüfen musst. Das gilt auch für den Fall der Unmöglichkeit der Leistung (S. 2).

Zum anderen: In den meisten Fällen kommst du mit der Regelverjährung §§ 195, 199 Abs. 1 BGB gut über die Runden. Es gibt aber zahlreiche andere Vorschriften, die du ebenfalls kennen solltest:

  • Im vorliegenden Fall ist § 196 BGB einschlägig, der auch Ansprüche auf Rückabwicklung eines Grundstückskaufvertrages erfasst. Für den Verjährungsbeginn gilt § 200 S. 1 BGB, so dass es auf die Anspruchsentstehung ankommt. (Genau hier spielt die oben erwähnte Fälligkeit eine Rolle.)
  • Schau dir bei Gelegenheit mal den Katalog des § 197 Abs. 1 BGB an. Beachte dabei, dass für den Verjährungsbeginn § 200 BGB nur für Nr. 1 und 2 gilt, für Nr. 3 bis 6 dagegen § 201 BGB.
  • Es gibt viele spezielle Verjährungsvorschriften. Die wichtigsten sind §§ 438, 479, 548, 606, 634a, 651g, 852 BGB.

JurCase informiert:

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Beitragsautor:

Dr. Janko Büßer

Dr. Janko Büßer

Dr. Janko Büßer ist Richter am Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg, Dozent und Autor. In seinem LinkedIn-Newsletter präsentiert er examensrelevante BGH-Entscheidungen im Zivilrecht und vieles mehr für Studium und Referendariat. Die Reihe #HierZucktDeinPrüfungsamt in Kooperation mit Herrn Dr. Büßer findest du auch bei JurCase!

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