
#HierZucktDeinPrüfungsamt im Strafrecht in Kooperation mit VRiLG Dr. Nils Godendorff
In Kooperation mit VRiLG Dr. Nils Godendorff präsentierten wir dir monatlich eine strafgerichtliche Entscheidung, die dein Prüfungsamt vor Freude aufzucken ließ. Dr. Nils Godendorff ist vorsitzender Richter am Landgericht in Hamburg und kennt daher genau die Rechtsprechung, die für das juristisches Prüfungsamt besonders relevant ist.
Im Folgenden findest du eine Übersicht über die strafgerichtlichen Entscheidungen des Jahres 2024, die dein Prüfungsamt besonders aufzucken ließen. Auch im Jahr 2025 bleiben diese Entscheidungen von Bedeutung – daher solltest du von ihnen unbedingt #gewusst haben!
Gebt den Kindern das Kommando, sie berechnen nicht, was sie tun? (5 StR 200/23)
Was ist passiert?
Die potentielle Geschädigte war u.a. vor dem Angeklagten ins Frauenhaus geflohen. Dort war sie vor ihm sicher, er hatte keinen Zutritt und keinen Zugriff auf sie. Deshalb forderte der Angeklagte seinen minderjährigen Neffen auf, sie dort zu töten, konkret: Sie im Schlaf mit einem Küchenmesser zu erstechen. Er zeigte dem Jungen ein Video, in dem ein Mann einen anderen erstach. Der Angeklagte erklärte seinem Neffen auch, dass er noch zu klein sei, um für die Tat bestraft zu werden. Er versprach Süßigkeiten, die Rückgabe weggenommener Spielsachen und den Kauf eines Motorrades. Der Junge hatte große Angst vor dem Angeklagten und ging zum Schein auf die Aufforderung ein.
Das Landgericht Kiel verurteilte den Angeklagten wegen versuchten Mordes in mittelbarer Täterschaft.
Was hat der BGH entschieden? Warum ist das wichtig? Dies erfährst du hier:
Kein Sich-Bereiterklären und versuchte Anstiftung – aber doppeltes Sich-Bereiterklären (StB 51/23)
Was ist passiert?
…frage ich an dieser Stelle immer. Die Antwort lautet: Wissen wir noch nicht. Es gibt keine Feststellungen, aber eine Anklagehypothese der Staatsanwaltschaft. Und die lautet wie folgt:
Haupttäter H rief den Angeklagten A am Mittag des 16.11.2022 an und forderte ihn auf, am 17.11.2022 gegen 23 Uhr einen Brandsatz auf eine noch näher zu bezeichnende Synagoge zu werfen; diese würde sich in der Nähe seines Wohnortes befinden. A solle dem H ihm bis 21 Uhr desselben Tages Bescheid geben, ob er die Tat ausführen werde. A ging davon aus, dass es sich um die Synagoge in der Stadt F(alsch) handeln würde.
A traute sich den Anschlag allein nicht zu, weshalb er sich am Nachmittag des 16.11.2022 mit dem Dritten D traf und ihn aufforderte, am 17.11.2022 gemeinsam einen Brandanschlag auf die Synagoge in F(alsch). zu verüben. Nach diesem Treffen mit D erklärte A sich gegen 19 Uhr gegenüber H bereit, den Anschlag auszuführen.
Es folgte: Die Absage des D. Dieser teilte A gegen 20 Uhr mit, nicht mitmachen zu wollen.
Am Morgen des 17.11.2022 benennt H gegenüber A per Videotelefonat die Synagoge in (R)ichtig als Ziel des geplanten Anschlags. A sah keine andere Möglichkeit, als den Brandanschlag nun allein auszuführen. Er bereitete einen Brandsatz vor und erkundete am Abend das Areal um die Synagoge in R erkundet. Da die Synagoge gut beleuchtet und erkennbar videoüberwacht war, gab er aus Angst vor Entdeckung den Plan auf, den mitgeführten Molotow-Cocktail auf die Synagoge zu werfen.
Darauf warf A den Brandsatz gegen die Fassade eines nahegelegenen Schulgebäudes.
D wandte sich am 17.11.2022 an die Polizei und teilte dies A gegen am 17.11.2022 gegen 17 Uhr mit.
Warum (und was) hat darüber der BGH in einer Beschwerde entschieden und wer hatte zuvor entschieden? Dies erfährst du hier:
Postpendenz ist nicht die Abhängigkeit von Versanddienstleistungen (2 StR 377/22)
Was ist passiert?
Das LG hat den Angeklagten unter Freispruch u.a. wegen „gewerbsmäßiger Bandenhehlerei oder schweren Bandendiebstahls“ in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Dagegen wandte sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Der BGH änderte den Urteilstenor, im Übrigen war die Revision erfolglos.
Was sagt der BGH dazu und wieso gab es daran Kritik? Dies erfährst du hier:
Geträumt werden darf, und verschenkt werden darf auch – zur Unterschlagung (6 StR 191/23)
Was ist passiert?
Das LG hat den Angeklagten unter anderem wegen veruntreuender Unterschlagung in fünf Fällen verurteilt. Dagegen wandte sich der Angeklagte mit seiner zum Teil erfolgreichen Revision.
Der Angeklagte war (offenbar) Bauunternehmer und hatte fünf geleaste, ihm nicht gehörende Baumaschinen nach Ablauf der Leasingzeit nicht herausgerückt. Das LG hatte ihn wegen aller fünf nicht herausgegebener Gegenstände wegen veruntreuender Unterschlagung verurteilt. Vier Leasinggegenstände hatte der Angeklagte weiterveräußert. In diesen Fällen hielt der BGH die Verurteilung.
Bezüglich eines weiteren Leasinggegenstandes, eines Tiefladers, hob der BGH die Verurteilung allerdings auf. Denn für diesen läge keine vollendete Zueignung vor, weil der Angeklagte den Gegenstand nicht veräußert oder sonst weitergegeben hatte. Einen Zueignungserfolg im Sinne des § 246 Abs. 1 StGB könne sich aus diesem „bloßen“ Unterlassen der Herausgabe nicht ergeben.
Was steckt dahinter und was sagt der BGH nunmehr dazu? Dies erfährst du hier:
Der BGH, der Gesetzgeber und der Konsument (1 StR 106/24 und 5 Ws 19/24)
Was ist passiert?
In diesem Beitrag werden zwei Entscheidungen und ein Referentenentwurf vorgestellt:
- Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 09.04.2024 – 5 Ws 19/24;
- Beschluss des BGH vom 18.04.2024 – 1 StR 106/24*;
- Die Ausführungen aus dem Gesetzgebungsverfahrens, konkret BT-Drs 20/8704, S. 132. Das ist der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Cannabisgesetz, der sogenannte Referentenentwurf.
*Dieser Beschluss ist nicht weniger wichtig als die Entscheidung aus Hamburg, aber danach ergangen, es lohnt sich, sich das Ganze chronologisch zu erschließen.
Was sagt der BGH zu diesem Referentenentwurf und warum #zucktDeinPrüfungsamt dabei? Dies erfährst du hier:
Irrtum, Rücktritt, Fehlverhalten (1 StR 403/23)
Was ist passiert?
Der Angeklagte ist Chirurg. Das Landgericht hat ihn wegen Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter schwerer Körperverletzung in Tatmehrheit mit schwerer Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat.
Was hat das Landgericht festgestellt und wie hat es entschieden? Was sagt der BGH dazu? Und was hat das alles mit einem Rücktritt zu tun? Dies erfährst du hier:
Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (VGH München, 10 CS 24.1062)
Was ist passiert?
Eine Entscheidung des VGH im Strafrecht?
Ja, ganz genau. Denn es geht um die Strafbarkeit der Parole
„From the river to the sea“,
zuvor aber insbesondere um die PrüfungsgegenständeVO und die Struktur der Staatsschutzdelikte. Und mit der Strafbarkeit haben sich die Verwaltungsgerichte bislang am intensivsten befasst.
Kurzum, es geht um die Struktur des § 86a StGB und um die Prüfungsreihenfolge. Wieso du diese Entscheidung sonst noch lesen solltest, erfährst du hier:
Recht gebeugt oder nur ein bisschen angebogen? (BGH6, StR 386/23)
Was ist passiert?
Das Landgericht hat die Angeklagte Richterin wegen Rechtsbeugung in 15 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision der Angeklagten hatte mit der Sachrüge Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
Die Angeklagte war Richterin in mehreren Dezernaten, unter anderem in einem betreuungsrechtlichen. Wegen zahlreicher privater Probleme stand sie unter Stress. Und wohl auch unter Zeitnot:
- In sechs Fällen ordnete die Angeklagte an bzw. genehmigte dauerhaft geschlossene Unterbringungen von bis zu drei Monaten (fünf Fälle) und in einem Fall bis zu einem Jahr. Dies tat sie jeweils ohne vorherige persönliche Anhörung der Betroffenen. In vier Fällen holte sie die Anhörung nach, in einem Fall an dem auf die Entscheidung folgenden Tag.
- In weiteren neun Fällen ordnete sie im Wege der einstweiligen Anordnung „vorläufige Unterbringungen“ an bzw. genehmigte solche, ohne die Betroffenen zuvor persönlich anzuhören. Dies begründete sie – mit Ausnahme zweier Fälle damit, dass Gefahr im Verzug bestanden habe, und verfügte zugleich die Wiedervorlage der Verfahrensakte zum Zwecke der Anhörung.
- Die persönliche Anhörung der Betroffenen holte sie trotz Wiedervorlage nur in vier Fällen nach Dabei verstrichen zwischen neun und 44 Tage.
Das ist verfahrensfehlerhaft, § 319 Abs. 1 Satz FamFG kennt da keinen Diskussionsraum.
Doch was ist die Begründung der Strafkammer für die Verurteilung? Dies erfährst du hier:
Mord, Totschlag, Straßenverkehr (4 StR 15/24)
Was ist passiert?
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in zwei tateinheitlich begangenen Fällen in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr zur Herbeiführung eines Unglücksfalls, in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlich begangenen Fällen sowie in Tateinheit mit Sachbeschädigung in fünf tateinheitlich begangenen Fällen zu einer Jugendstrafe von drei Jahren verurteilt.
An dieser Entscheidung gefiel dem BGH so einiges nicht. Was diese Entscheidung so examensrelevant macht, erfährst du hier:
Die (noch nicht ganz) befangene Staatsanwaltschaft (5 StR 473/23)
Was ist passiert?
Das Landgericht verurteilte den Angeklagten (nur) wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit versuchter Nötigung, und wegen Körperverletzung zu einer Gesamtgeldstrafe von 190 Tagessätzen. Viel gewichtiger: Bezüglich der vorgeworfenen mehrfachen Vergewaltigung der Nebenklägerin sprach es den Angeklagten frei.
Der Angeklagte revidierte und erhob die Sachrüge und die Verfahrensrüge. Mit der Sachrüge erzielte er einen kleinen Teilerfolg, die versuchte Nötigung war nach Ansicht des BGH nur eine Bedrohung. Geschenkt.
Viel wichtiger, insbesondere für Referendar:innen, die eine Revisionsklausur schreiben, war die Verfahrensrüge. Mit der Verfahrensrüge wird beanstandet, dass das Verfahren, mit dem das Gericht zum Urteil gelangt ist, falsch gelaufen ist.
Was ist im Verfahren geschehen? Was macht der BGH daraus? Dies erfährst du hier:
Die nicht geringe Menge im Lichte der zeitgenössischen Rechtsprechung (5 StR 153/24)
Was ist passiert?
Es geht um ein Urteil des Amtsgerichts Aschersleben vom 24.09.2024 – 2 Ds 69-24. Nun gut, eigentlich geht es erst einmal um den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 23.04.2024 – 5 StR 153/24 und davor dann sogar noch die Gesetzesmaterialien zum CanG.
Aufgrund dieses neuen Gesetzes kamen Fälle zum BGH, in denen es um die Frage ging, was denn eine nicht geringe Menge an THC ist. Und der BGH beließ die Grenze und Menge bei 7,5 g THC.
Welche Probleme das verursacht und was das Amtsgericht Aschersleben damit zu tun hat, erfährst du hier:
Betreute Finanzagenten – Betrug und Geldwäsche im Fokus (5 StR 401/24)
Was ist passiert?
Der Angeklagte kümmerte sich um „Finanzagenten“. Voll der coole Job, oder? Die Welt der Reichen und Schönen, immer im Kontakt mit der Finanzelite. Nee, nicht ganz. „Finanzagenten“ sind nach meiner Erfahrung in der Regel Frührentner aus Wuppertal oder Hildburghausen mit oft sanierungsbedürftigem Zahnstatus und erstaunlicher Verträglichkeit gegenüber Vodka Feige, denen oft alles egal ist und die schon ein wenig merken, dass das nicht ganz sauber ist, was sie tun, aber es sich schönreden. Wie funktionierte das? Im Ausland saß ein „Keiler“, der als Hintermann in deutschen Unternehmen anrief und die Mitarbeiter:innen zu Eil-Überweisungen an angebliche Geschäftspartner veranlasste. Damit dieses Modell läuft, braucht es die sogenannten „Finanzagenten“, also besagte Frührentner:innen, die die Verfügungsgewalt über die Empfängerkonten innehatten. Diese „Finanzagenten“ hoben die Beträge in bar ab und gaben sie an den Angekl. weiter. Dieser leitete sie dann seinerseits nach Abzug einer Provision von 10% an den Hintermann weiter.
Wie hat das Landgericht entschieden und welche examensrelevanten Besonderheiten sind hier außerdem für die Staatsexamina interessant? Dies erfährst du hier:
Und nicht vergessen: Schreibt Klausuren!
Mit den besten Grüßen aus Hamburg
Nils Godendorff