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Fall des Monats Februar 2024: Reichweite der Haftung des Halters eines Traubenvollernters

By 13. Februar 2024Mai 3rd, 2024No Comments
Fall des Monats

Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 18.07.2023, Az.: VI ZR 16/23 (leicht abgewandelt)

Problem: Reichweite der Haftung des Halters eines Traubenvollernters

Einordnung: Deliktsrecht, Halterhaftung § 7 StVG

In Kooperation mit Jura Intensiv präsentieren wir dir den #examensrelevanten Fall des Monats. Dieser bietet einen Sachverhalt mit Fragestellung, sodass der Fall eigenständig gelöst werden kann. Die hier präsentierten Lösungen enthalten in aller Regel auch weiterführende Hinweise für eine optimale Examensvorbereitung.

Einleitung

Mehrfach haben wir in der RA Urteile vorgestellt, in denen es der Halterhaftung aus § 7 I StVG nicht entgegenstand, dass der Schaden außerhalb des Straßenverkehrs eingetreten ist. In BGH RA 2019, 337 ff. kam es 36 Stunden nach einem Unfall im Straßenverkehr zu einem Kabelbrand des Unfallfahrzeugs im verschlossenen Werkstattgebäude. Die Werkstatt, in die das Fahrzeug zur Reparatur geschleppt worden war, brannte nieder. Im Urteil des OLG Celle in RA 01/2023, 9 ff. fuhr ein Kfz auf einem Forstweg einen Hund an, der daraufhin einen Menschen biss. In beiden Fällen sahen die Gerichte die Halterhaftung aus § 7 I StVG als erfüllt an. In Abgrenzung hierzu enthält der vorliegende Fall neue Aspekte, die für beide Examen relevant sind.

Sachverhalt

Unternehmer B ist Halter eines Traubenvollernters. Dabei handelt es sich um eine fahrbare Arbeitsmaschine, die Trauben von den Rebstöcken löst und sie zur kurzfristigen Aufbewahrung in einen Behälter befördert und gleichzeitig an den Rebstöcken entlangfährt, also als Ganzes einen stetigen Ortswechsel vornimmt, und dadurch die Erntevorrichtung fortbewegt. Dabei wird die Maschine von einem Mitarbeiter des B geführt. Aufgrund dieser Funktion handelt es sich rechtlich um ein Kraftfahrzeug i.S.d. § 1 II StVG mit einer Arbeitsfunktion. Die K beauftragte B, Weinlesearbeiten in ihrem Weinberg unter Einsatz seines Traubenvollernters durchzuführen. Dabei sollte der den Traubenvollernter führende Mitarbeiter des B nach Weisungen der K handeln. Am 30.09.2018 erntete K mit Hilfe des Traubenvollernters, der von dem seitens B eingesetzten Mitarbeiter S geführt wurde, 2,5 Tonnen Trauben. Als K und S unmittelbar nach Beendigung des Aberntevorgangs Dieselgeruch bemerkten, fand S ein Leck in der Dieselleitung des Fahrzeugs. Das stets ordnungsgemäß gewartete und stets korrekt bediente Fahrzeug war von S fachgerecht vor
dem Einsatz überprüft worden und hatte keine Auffälligkeiten gezeigt. Die geernteten Trauben wurden gepresst und anschließend chemisch-analytisch untersucht. Dabei wurde eine Kontaminierung mit Dieselkraftstoff festgestellt.

K verlangt nach Entsorgung der kontaminierten Trauben von B Schadensersatz in Höhe von 17.000 €. Zu Recht, wenn die Höhe des Schadens richtig berechnet wurde?

Hinweis: Um keine überflüssigen Fragen zum Sachverhalt aufkommen zu lassen, haben wir einige Ergänzungen vorgenommen, damit es keine Hinweise auf eine auch nur eventuell in Frage kommende Verschuldenshaftung gibt. Im Urteil geht es ausschließlich um eine Haftung aus § 7 StVG. In einer Examensklausur sind jedoch auch Ansprüche wegen einer Vertragsverletzung sowie Ansprüche aus einer deliktischen Verschuldenshaftung in Erwägung zu ziehen.

Leitsatz

Zur Reichweite der Haftung des Halters eines Kraftfahrzeugs mit Arbeitsfunktion nach § 7 I StVG (Kontaminierung von Trauben durch Austritt von Diesel aus einem Traubenvollernter bei der Ernte; Anschluss an Senatsurteil vom 21.09.2021, VI ZR 726/20).

Lösung

A. Zahlungsanspruch K gegen B aus §§ 280 I, 675 I, 611, 535 BGB

K könnte gegen B einen Anspruch auf Zahlung von 17.000 € wegen Verletzung einer Pflicht aus einem mit einem Mietvertrag verbundenen Dienstverschaffungsvertrag gem. §§ 280 I, 675 I, 611, 535 BGB haben.
Hinweis: Auf diese Art der vertraglichen Haftung ging der VI. Zivilsenat des BGH in seinem Urteil nicht ein.

I. Schuldverhältnis
Zwischen K und B muss ein Schuldverhältnis zur Zeit der Traubenernte bestanden haben. In Betracht kommt ein Vertrag, bei dem sich B verpflichtete, seinen durch seinen Mitarbeiter S bedienten Traubenvollernter zu Erntezwecken zur Verfügung zu stellen. Fraglich ist, welcher Vertragstyp eine solche Vereinbarung darstellt. Ein Vertrag über die entgeltliche Überlassung eines Kraftfahrzeugs mit einer Arbeitsfunktion bei gleichzeitiger Gestellung von Bedienungspersonal kann je nach Ausgestaltung der Vertragsbeziehung im Einzelfall als Mietvertrag verbunden mit einem Dienstverschaffungsvertrag, als Mietvertrag verbunden mit einem Dienst- oder Werkvertrag oder in vollem Umfang als Mietvertrag, Dienstvertrag oder Werkvertrag anzusehen sein. Maßgeblich ist, welche der Leistungen dem Vertrag das Gepräge geben. Ein mit einem Mietvertrag verbundener Dienstverschaffungsvertrag liegt vor, wenn die Durchführung der Arbeiten ausschließlich bei dem Besteller liegt und das vom Vermieter gestellte Bedienungspersonal den Weisungen des Bestellers unterworfen ist. (Hinweis: Diese sehr erhellenden Abgrenzungen findet man im Urteil des BGH vom 28.01.2016, I ZR 60/14.) Indem S bei der Ernte nach Anweisungen der K handeln sollte, ist dies der Fall. Es liegt folglich gem. §§ 675, 611, 535 BGB ein mit einem Mietvertrag verbundener Dienstverschaffungsvertrag vor, dessen Geschäftsbesorgungsanteil sich nach dem Dienstvertragsrecht richtet.

II. Schuldhaft begangene Pflichtverletzung
Der Schadensersatzanspruch setzt eine schuldhaft begangene Pflichtverletzung voraus. B hat die Arbeitsmaschine stets sorgfältig gewartet und ordnungsgemäß eingesetzt, weshalb ein eigenes Verschulden i.S.d. § 276 BGB zu verneinen ist. Jedoch wäre B ein Verschulden des S gem. § 278 BGB zuzurechnen, wenn S sein Erfüllungsgehilfe wäre und schuldhaft i.S.d. § 276 BGB gehandelt hätte. Indem S im Pflichtenkreis des B mit dessen Wissen und Wollen tätig ist, ist S Erfüllungsgehilfe des B. S hätte gem. § 276 II BGB fahrlässig gehandelt, wenn er die im Verkehr objektiv gebotene Sorgfalt missachtet hätte. Vorliegend hat S die Maschine ordnungsgemäß überprüft, sodass ein Verschulden des S zu verneinen ist. Mangels Verschulden scheidet ein Schadensersatzanspruch aus §§ 280 I, 675 I, 611, 535 I BGB aus.
Hinweis: Die Gerichte stellten weder ein Verschulden des B noch ein Verschulden des S fest.

B. Zahlungsanspruch K gegen B gem. § 7 I StVG

K könnte gegen B einen Anspruch auf Zahlung von 17.000 € gem. § 7 I StVG haben.

I. Rechtsgutsverletzung
Indem die geernteten, der K gehörenden Trauben mit Giftstoffen kontaminiert und entsorgt werden mussten, ist eine fremde Sache beschädigt, mithin ein geschütztes Rechtsgut verletzt worden.
(= Sachbeschädigung)

II. Halter eines Kfz
Der Vollernter ist ein Kraftfahrzeug i. S. d. § 1 II StVG. Das Fahrzeug ist auf B zugelassen, der die Nutzungen zieht und die Lasten trägt. Mithin ist B Halter des Kraftfahrzeuges.
(= Haltereigenschaft des B)

III. Realisierung der Betriebsgefahr im Kausalverlauf
§ 7 I StVG verlangt, dass sich das schädigende Ereignis „bei Betrieb“ des betroffenen Fahrzeugs ereignet hat. Daraus wird allgemein geschlossen, dass sich die Betriebsgefahr des Fahrzeugs im Kausalverlauf realisiert haben muss.
(= „bei Betrieb“: Realisierung der Betriebsgefahr im Kausalverlauf)

Dies heißt konkret, dass die Schäden am Eigentum der K innerhalb des Zurechnungszusammenhangs des Betriebs des Fahrzeugs des B entstanden sein müssen. Fraglich ist, ob eine Eigentumsverletzung, die durch die Arbeitsfunktion eines Kraftfahrzeugs auf einem Weinberg, also sowohl außerhalb einer öffentlichen Straße als auch außerhalb einer privaten Verkehrsfläche, herbeigeführt wurde, „bei Betrieb“ eingetreten ist.
Anmerkung: Entscheidende Frage des Falles: Greift die Halterhaftung ein, wenn die fremde Sache durch die Arbeitsfunktion des Kraftfahrzeuges im Weinberg beschädigt wird? Gehört dies noch zur Betriebsgefahr?

[12] Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist dieses Haftungsmerkmal entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Norm weit auszulegen. (…). Ein Schaden ist demgemäß bereits dann „bei dem Betrieb“ eines Kraftfahrzeugs entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, d.h. wenn bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit) geprägt worden ist. Erforderlich ist aber stets, dass es sich bei dem Schaden, für den Ersatz verlangt wird, um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handelt, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll, d.h. die Schadensfolge muss in den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden ist. Für die Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es damit grundsätzlich maßgeblich darauf an, dass die Schadensursache in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs steht (…).
(Hinweis: Örtlicher, sachlicher und zeitlicher Zusammenhang mit einem Betriebsvorgang oder einer Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs. Lesen Sie hierzu auch RA 07/2019, 337 ff., RA 01/2023, 9 ff. und RA 05/2023, 234 ff.).

[13] Bei Kraftfahrzeugen mit Arbeitsfunktionen ist es erforderlich, dass ein Zusammenhang mit der Bestimmung des Kraftfahrzeuges als eine der Fortbewegung und dem Transport dienende Maschine (vgl. § 1 Abs. 2 StVG) besteht. Eine Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG entfällt daher jedenfalls dann, wenn die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Kraftfahrzeuges keine Rolle mehr spielt und das Fahrzeug nur noch als Arbeitsmaschine eingesetzt wird oder bei Schäden, in denen sich eine Gefahr aus einem gegenüber der Betriebsgefahr eigenständigen Gefahrenkreis verwirklicht hat. Eine Verbindung mit dem „Betrieb“ als Kraftfahrzeug kann dagegen zu bejahen sein, wenn eine „fahrbare Arbeitsmaschine“ gerade während der Fahrt bestimmungsgemäß Arbeiten verrichtet. Dieser Gesichtspunkt kann jedoch nicht losgelöst von dem konkreten Einsatzbereich des Fahrzeugs gesehen werden. Ausschlaggebend ist insoweit nicht das Stehen oder Fahren während der Arbeitsfunktion. Wann haftungsrechtlich nur noch die Funktion als Arbeitsmaschine infrage steht, lässt sich nur im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände entscheiden (…). Ergibt diese Gesamtbetrachtung, dass der Unfall in keinem haftungsrechtlich relevanten Zusammenhang mit der Bestimmung des Kraftfahrzeugs als eine der Fortbewegung und dem Transport dienende Maschine steht, sondern dass vielmehr die Funktion des Kraftfahrzeugs als Arbeitsmaschine im Vordergrund steht, wird der Schadensablauf nicht durch den Betrieb des Kraftfahrzeuges geprägt (…).
(Hinweis: Sehr wichtig für die Abgrenzung:Wenn der Schaden ausschließlich auf der Funktion als Arbeitsmaschine beruht und die Fortbewegungs- und Transportfunktion keine Rolle spielt, realisiert sich nicht die Betriebsgefahr des Kraftfahrzeugs. Differenzieren muss man, wenn sich ein Kraftfahrzeug während des Arbeitsvorgangs fortbewegt. Es kommt dann darauf an, ob im Einzelfall die Funktion des Fahrzeugs als Arbeitsmaschine im Vordergrund stand.)

[14] Während es nach ständiger Senatsrechtsprechung (Hinweis: So etwa in RA 07/2019, 337ff.) grundsätzlich einer Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG nicht entgegen steht, dass der Schaden auf einem Privatgelände eingetreten ist (…), ist es bei der Beurteilung der haftungsrechtlichen Natur des Einsatzes eines Kraftfahrzeuges mit Arbeitsfunktion unter Schutzzweckgesichtspunkten durchaus von Bedeutung, ob der Arbeitseinsatz auf oder in örtlicher Nähe zu Straßenverkehrsflächen stattfindet (…). 
(Hinweis: Bei einem Kfz mit Arbeitsfunktion ist es für den örtlichen Zusammenhang mit dem Straßenverkehr relevant, ob das Fahrzeug zum Arbeiten auf oder in örtlicher Nähe zu einer Straßenverkehrsfläche eingesetzt wird. Beispiele: Mäharbeiten am Fahrbahnrand oder Einsatz eines Streufahrzeugs.)
Verrichtet etwa eine „fahrbare Arbeitsmaschine“ wie ein Mähfahrzeug während der Fahrt auf dem Seitenstreifen einer Autobahn Mäharbeiten, so ist ein Schadensereignis wie die Beschädigung eines vorbeifahrenden Fahrzeugs durch einen beim Mähvorgang hochgeschleuderten Gegenstand vom Schutzzweck des § 7 StVG erfasst (…). Ähnliches gilt, wenn ein im Straßenverkehr eingesetztes Streukraftfahrzeug während der Fahrt Streugut auswirft und dadurch ein am Straßenrand abgestellter Pkw beschädigt wird (…). Anders verhält es sich hingegen, wenn sich das Unfallgeschehen weder auf einer öffentlichen noch einer privaten Verkehrsfläche ereignet und die Fortbewegungs- und Transportfunktiondes Kraftfahrzeugs lediglich dem Bestellen einer landwirtschaftlichen Fläche dient (…). (Hinweis: Eine wichtige Abgrenzung enthält die „Kreiselmäher-Entscheidung“, BGH, Urteil vom 21.09.2021, VI ZR 726/20.) So hat der Senat bereits entschieden, dass die Haftung eines Traktorhalters nach § 7 Abs. 1 StVG zu verneinen ist, wenn durch einen vom Traktor angetriebenen Kreiselmäher beim Mähen einer als Weideland genutzten Wiesenfläche ein Stein hoch geschleudert und dadurch ein Mensch verletzt wird (…). Dasselbe gilt, wenn ein von einem Traktor angetriebener Kreiselschwader beim Bearbeiten einer zuvor gemähten Wiese einen Metallzinken verliert und durch diesen eine Sache beschädigt wird (…).

[15] Nach diesen Grundsätzen durfte das Berufungsgericht die Kontaminierung der Trauben nicht der vom Traubenvollernter des Beklagten ausgehenden Betriebsgefahr zurechnen. Das Risiko, das sich im Streitfall verwirklicht hat, fällt nicht in den Schutzbereich des § 7 StVG. Die notwendige Gesamtbetrachtung der Umstände des Streitfalls ergibt, dass der Unfall hier in keinem haftungsrechtlich relevanten Zusammenhang mit der Bestimmung des Traubenvollernters als einer der Fortbewegung und dem Transport dienenden Maschine stand, sondern dass vielmehr seine Funktion als Arbeitsmaschine im Vordergrund stand, so dass der Schadensablauf nicht durch den Betrieb des Kraftfahrzeuges geprägt wurde.
(Hinweis: Hier stand nicht die Fortbewegung oder der Transport im Vordergrund, sondern allein die Funktion als Arbeitsmaschine: Dies fällt nicht unter die Betriebsgefahr gem. § 7 I StVG.)

[16] Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts handelt es sich bei dem Traubenvollernter (…) um eine Arbeitsmaschine, die gerade während der Fahrt bestimmungsgemäß Arbeiten verrichtet. Ausschlaggebend für die Frage der Zurechnung der Betriebsgefahr ist allerdings entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht, dass sich das Fahrzeug während der Arbeitsfunktion (Ernte) fortbewegt. Vielmehr ist in die Gesamtbetrachtung der konkrete Einsatzbereich des Traubenvollernters einzubeziehen. Maßgeblich ist hier, ähnlich wie in dem mit Senatsurteil vom 21. September 2021 – VI ZR 726/20 (…) entschiedenen Fall, dass sich das Unfallgeschehen weder auf einer öffentlichen noch einer privaten Verkehrsfläche, sondern im Weinberg der Klägerin ereignete und die Fortbewegungsfunktion des Traubenvollernters während seines Einsatzes im Weinberg lediglich der Ernte der Trauben diente, seine Arbeitsfunktion also im Vordergrund stand.
(Hinweis: Darauf kommt es an: Wie bei der „Kreiselmäher“-Entscheidung stand die Arbeitsfunktion außerhalb einer öffentlichen Straße und außerhalb einer privaten Verkehrsfläche im Vordergrund. Die Anbaufläche auf einem Weinberg ist keine private Verkehrsfläche.)

[17] Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Argumentation des Berufungsgerichts (…), wonach sich in der Kontaminierung der Trauben anders als im sogenannten Kreiselmäherfall (…) nicht eine von einem externen, von dem Transportfahrzeug lediglich fortbewegten Gerät ausgehende Gefahr verwirklicht habe. (Hinweis: Es spielt rechtlich keine Rolle, ob die Arbeitsmaschine von einem Kraftfahrzeug gezogen wird (so im „Kreiselmäherfall“) oder ob die Arbeitsfunktion in das Kraftfahrzeug so integriert ist, dass beides eine Einheit bildet.) Zwar mögen bei einem Traubenvollernter die für die Arbeits- und die Fortbewegungsfunktion verantwortlichen Bauteile als „untrennbare Einheit“ – also in einer engen räumlichen und funktionalen Verbindung zueinander – in einem Kraftfahrzeug vereint sein und sich zugleich in enger räumlicher Nähe zum Erntegut befinden, das somit in stärkerem Maße der Gefahr einer Schädigung durch ein defektes Bauteil ausgesetzt sein kann. Dies ändert aber weder etwas daran, dass die Arbeitsfunktion des Traubenvollernters, für die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die Motorkraft (und damit auch der Dieselkraftstoff) ebenfalls benötigt wird, jedenfalls während der Ernte im Vordergrund steht, weil die Fortbewegungsfunktion insoweit lediglich der Ernte im Weinberg dient, noch daran, dass es sich bei dem Weinberg um keine Verkehrsfläche handelt.
(Hinweis: Entscheidend ist der Ort sowie die Art der Benutzung im Zeitpunkt des  schädigenden Ereignisses.)

[18] Der Einwand der Revisionserwiderung, der Traubenvollernter des Beklagten habe die Trauben nicht nur abgeerntet, sondern diese auch bestimmungsgemäß vom Weinberg weg an eine Straße verbracht, damit sie dort umgeladen und sodann in das Weingut der Klägerin transportiert werden konnten, greift nicht durch. (…) Allein der Umstand, dass vor oder nach dem Ernteeinsatz im Weinberg nicht die Arbeits-, sondern die Fortbewegungsfunktion eines Traubenvollernters im Vordergrund stehen kann (ähnlich wie bei einem Traktor auf dem Weg zum oder vom Feld), erlaubt es nicht, ein Schadensereignis während der Ernte der Betriebsgefahr des Traubenvollernters zuzurechnen.
(Hinweis: Es kommt nach Auffassung des VI. Zivilsenates auch nicht darauf an, dass die Trauben nach dem Arbeitseinsatz durch die Fortbewegungsfunktion verbracht wurden – entscheidend sind sowohl der Ort als auch die Art der Nutzung im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses.)

Folglich hat sich im Kausalverlauf nicht die Betriebsgefahr realisiert. Mithin scheidet eine Haftung gem. § 7 I StVG aus.

C. Ansprüche aus § 823 BGB oder § 831 BGB

Mangels Verschuldens entfallen verschuldensabhängige Ansprüche auf Schadensersatz aus unerlaubter Handlung gem. § 823 BGB oder gem. § 831 BGB.

D. Ergebnis

K hat keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 17.000 € gegen B.

Fazit

Eine Haftung aus § 7 I StVG erfordert, dass die Rechtsgutsverletzung „bei dem Betrieb“ des Kfz eingetreten ist. Hierzu ist nötig, dass ein örtlicher, sachlicher und zeitlicher Zusammenhang mit einem Betriebsvorgang oder einer Betriebseinrichtung besteht. Dabei steht einer Haftung nicht grundsätzlich entgegen, dass der Schaden auf einem Privatgelände eingetreten ist. Ist der Schaden außerhalb einer öffentlichen Straße oder einer privaten Verkehrsfläche eingetreten, kommt es bei einem Kfz mit einer Arbeitsvorrichtung (Kranwagen, Mähdrescher, Mähkreisel, Vollernter) entscheidend darauf an, ob die Rechtsgutsverletzung im Zusammenhang mit der Fortbewegungsfunktion oder mit der Arbeitsfunktion eingetreten ist.

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Beitragsautor:

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