Reinschnuppern in das Universum der Rechtsmittelinstanz
Die Wahlstation im Wahlfach Strafrecht leistete ich während des Referendariats am 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main ab. Dies ermöglichte mir, einen Einblick in die Arbeit einer Rechtsmittelinstanz zu gewinnen und das Strafrecht aus einer neuen Perspektive kennenzulernen.
Das unbeliebte Wahlfach Strafrecht
Immer wieder hört man, Strafrecht sei das am wenigsten beliebte Wahlfach für die Wahlstation und somit auch für den Aktenvortrag. Und auch in meinem Bezirk waren wir häufig nur acht oder neun Teilnehmende in der Wahlfach-AG. Dennoch kann ich Strafrecht als Wahlfach empfehlen: Während du in anderen Rechtsgebieten häufig viel Neues lernen musst, kannst du im Strafrecht auf das zurückgreifen, was du sowieso schon für das Erste Examen und das schriftliche Assessorexamen lernen musstest. (Das gilt natürlich auch für die Wahlfächer Zivilrecht und Verwaltungsrecht). Es kommen nur wenige neue Themengebiete, häufig aus dem Jugendstrafrecht und dem Strafvollzugsrecht, hinzu. Wenn du grundsätzlich strafrechtlich interessiert bist, ist es außerdem eine tolle Chance, ohne den Druck des schriftlichen Examens noch einmal eine strafrechtliche Station zu absolvieren und gegebenenfalls konkrete Karriereoptionen zu erwägen.
Die Mitarbeit in einem Strafsenat am Oberlandesgericht
Sicherlich hängt es sehr von der/dem konkreten Ausbilder:in ab, wie die Mitarbeit tatsächlich aussieht. Ich konnte in meiner Zeit am 3. Strafsenat am Oberlandesgericht Frankfurt am Main aber tatsächlich intensiv mitarbeiten und mich mit meinem Wissen und meinen Fähigkeiten einbringen. Meinen Ausbilder, Richter am Oberlandesgericht, traf ich regelmäßig einmal pro Woche in seinem Büro zur Besprechung neu eingetroffener Akten. Wenn ich ankam, stapelten sich häufig drei bis sechs Akten, die mein Mitreferendar und ich zwischen uns aufteilten und zu Hause bis zur nächsten Woche bearbeiteten.
Das Oberlandesgericht ist als Rechtsmittelinstanz insbesondere zuständig für Revisionen amtsgerichtlicher Urteile bzw. landgerichtlicher Berufungsurteile. Dazu kommen Rechtsbeschwerden in Ordnungswidrigkeitsverfahren. Ordnungswidrigkeitsverfahren gingen dabei deutlich häufiger im Senat ein als Revisionen, sodass ich eine ganze Reihe von Rechtsbeschwerden während meiner Wahlstation bearbeitete. Dies war insoweit etwas ganz Neues und sehr lehrreich, da das Ordnungswidrigkeitenrecht nicht zum Pflichtstoff im Staatsexamen gehört. Es war spannend, sich mich der Thematik auseinanderzusetzen und die Systematik der (Rechts-)Beschwerde kennenzulernen. Auch für den strafrechtlichen Aktenvortrag im Strafrecht konnte ich dort Einiges an Wissen hinzugewinnen. Denn gerade im Aktenvortag ist es nicht unüblich, auch mal mit exotischeren Verfahrensarten, wie etwa der Beschwerde nach §§ 304 ff. StPO, konfrontiert zu werden. Die Bearbeitung solcher Fragestellungen fiel mir deutlich leichter, nachdem ich selbst die Arbeitsweise des Beschwerde-/Rechtsmittelgerichts erfahren habe.
Auch eine Revision mal außerhalb einer Klausur zu bearbeiten, war spannend und hat sogar Spaß gemacht. Hier konnte ich mein bereits erworbenes Wissen aus der Strafstation endlich einmal praktisch anwenden. Spannend war es auch, die vielen Begründungsschriften der Verteidiger:innen zu lesen und zu erkennen, wie schwer es tatsächlich sein kann, den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO gerecht zu werden, nach welchen die Verfahrensrüge in der Revision so genau ausgeführt werden muss, dass ein Blick in die Akte und das Protokoll selbst nicht mehr notwendig ist. So konnte ich nebenbei auch etwas für die Praxis als Strafverteidiger lernen.
Alles in allem wurde ich in die Arbeit des Strafsenats sehr gut eingebunden und hatte das Gefühl, dass meine Arbeit tatsächlich geschätzt wurde und sie für den Ausbilder tatsächlich eine Arbeitserleichterung darstellte. Alle Akteneingänge wurden von uns Referendarinnen und Referendaren selbstständig bearbeitet und lediglich im Anschluss besprochen.
Bewerbung ans Oberlandesgericht
Das Bewerbungsverfahren ist sicherlich an jedem Oberlandesgericht anders. Im Idealfall hast du schon eine:n konkrete:n Ansprechpartner:in, die/der bereit ist, dich in der Wahlstation auszubilden. Ich habe mich auf eine Stellenausschreibung meines Ausbilders für Referendarinnen und Referendare beworben. Ansonsten ist der einfachste Weg, dich mit der Referendarstelle im entsprechenden Oberlandesgericht in Verbindung zu setzen. Oft gibt es Listen, in die du dich eintragen lassen kannst. Natürlich kann man dann leider häufig nicht beeinflussen, in welchem Senat man tatsächlich ausgebildet wird. Außerdem solltest du dich nicht zu spät bewerben; ich gehörte mit knapp 8 Monaten vor Beginn der Station schon eher zu den Spätentschlossenen. Im Zweifel ist deine Wunschstelle dann jedoch schon vergeben.
JurCase informiert:
Das OLG muss nicht notwendigerweise das sein, welches originär für dich zuständig ist. Ich habe im Strafsenat in einem anderen Bundesland mitgearbeitet. Es gibt dann jedoch möglicherweise noch ein paar weitere Formalia bei der Bewerbung zu beachten. Ich musste einen Antrag auf gastweise Zuweisung in das andere Bundesland stellen. Informiere dich deshalb frühzeitig, welche Anforderungen dein Oberlandesgericht bei Bezirkswechsel an dich stellt.
Zwischen Wahlstation und Mündlicher Prüfung
Schwierig kann es vielleicht sein, ein Gleichgewicht zu finden zwischen der Mitarbeit in der Wahlstation und der Vorbereitung für die mündliche Prüfung. Hier kann ich empfehlen, deine Wünsche einfach klar zu kommunizieren und dir im Zweifel für die letzten zwei Wochen vor der mündlichen Prüfung etwas Urlaub aufzuheben. Denn einerseits ist die Wahlstation endlich eine Station, in der der größte Druck des schriftlichen Examens nicht mehr auf einem liegt und man endlich auch mal Zeit hat, sich intensiver in einer Station einzubringen. Andererseits sollte man nicht unterschätzen, dass die mündliche Prüfung und der Aktenvortrag eben doch noch einmal um die 30% der Endnote ausmacht und einem einen ordentlichen Notensprung verschaffen kann. In meiner Ausbildung wurde ich sehr gut in der Vorbereitung unterstützt, habe ausreichend Zeit zum Lernen bekommen und durfte jederzeit alle Fragen rund um die mündliche Prüfung stellen. Außerdem wurde ich mit einer ganzen Reihe von Unterlagen mit Tipps und Tricks für die mündliche Prüfung versorgt.
Du hast jetzt auch Lust bekommen auf eine Wahlstation am Oberlandesgericht?
Dann empfehle ich dir: Suche ein Oberlandesgericht in der Nähe heraus und bewirb dich!
- Du lernst, was es bedeutet, Entscheidungen aus der Vorinstanz auf Herz und Niere zu prüfen und objektiv die Rechtmäßigkeit eines Urteils zu bewerten.
- Du lernst, wie ein Rechtsmittelgericht denkt und arbeitet.
- Dein Lebenslauf wird mit einer weiteren strafrechtlichen Station angereichert, was dir helfen kann, wenn du später strafrechtlich Arbeiten möchtest.
- Du kannst eigenverantwortlich arbeiten und deine eigenen Ideen einbringen.
- Dein Aktenvortag wird im Strafrecht sein, was dir im Vergleich zu Wahlfächern wie Steuer- oder Medienrecht weniger Arbeit in der Vorbereitung macht, da du Vieles sowieso lernen musst.
- Du kannst das Wissen auch für andere strafrechtliche Berufe, etwa in der Anwaltschaft, sehr gut nutzen.
JurCase informiert:
Auch im Bereich Zivilrecht gibt es die Möglichkeit, in einem Zivilsenat am Oberlandesgericht eine Wahlstation zu machen. Wenn dein Herz doch eher für das Zivilrecht tickt, dann überlege doch, dies einmal in Betracht zu ziehen. Eine Rechtsmittelinstanz kennenzulernen, lohnt sich sicher in jedem Rechtsgebiet!
Fazit
Die Wahlstation war für mich eine der Highlights im Referendariat. Die Arbeit der Rechtsmittelinstanz, bei der Vorentscheidungen auf Fehler untersucht werden, macht viel Spaß und es ist klasse, einmal die oberste Instanz zu sein. Mir wurde viel Eigenverantwortung überlassen und ich hatte das Gefühl, mich langsam tatsächlich auf einen Beruf vorzubereiten.