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Gewusst

Die Schuldrechtsreform 2022 – das neue (digitale) Kaufrecht – Teil 2

By 8. Februar 2022Oktober 11th, 2023No Comments
Zivilrecht

Welche Änderungen sind seit dem 01.01.2022 im BGB in Kraft?

Neben den neu eingeführten digitalen Produkten und den damit verbundenen Sachmängelbegriffen, die in Die Schuldrechtsreform 2022 – das neue (digitale) Kaufrecht – Teil 1 erläutert wurden, enthält die Schuldrechtsreform einige weitere Änderungen, die für das Erste und Zweite Staatsexamen klausurrelevant sind. Diese wichtigsten weiteren Neuerungen werden im Folgenden dargestellt:

Die §§ bezeichnen die ab 01.01.2022 geltenden Fassungen, wenn nichts anderes angegeben ist.

Der Nacherfüllungsanspruch § 439 BGB

Der Nacherfüllungsanspruch aus § 439 BGB bleibt weitestgehend erhalten. Es werden jedoch klarstellend einige Änderungen vorgenommen, die bisher lediglich durch fortlaufende Rechtsprechung entwickelt und angewendet wurden.

1. § 439 Abs. 3 BGB

Die Kosten für Aus- und Wiedereinbau schuldet der Verkäufer nur, wenn der Mangel erst nach Einbau offenkundig wird. Es kommt nicht mehr auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Käufers an.

2. § 439 Abs. 5 BGB

Neu eingefügt wurde die Pflicht des Käufers, die Sache dem Verkäufer zwecks Nacherfüllung zur Verfügung zu stellen. Die Kosten dafür trägt weiterhin der Verkäufer (§ 439 Abs. 2 BGB).

3. § 439 Abs. 6 BGB

Normiert die neue Rücknahmeverpflichtung der mangelhaften Sache des Verkäufers auf eigene Kosten.

Der Verbrauchsgüterkauf §§ 474 ff. BGB

Einige klausurrelevante Änderungen ergeben sich im Verbrauchsgüterkaufrecht. Hier solltest du dir die neuen Regelungen unbedingt einmal in Ruhe durchlesen. Die Normen sind teilweise sehr umfangreich, sodass erstmaliges Lesen in der Klausur enorm viel Zeit kosten kann.

1. § 474 Abs. 2 BGB

In öffentlichen Versteigerungen gekaufte Waren fallen zukünftig nur dann nicht unter die Vorschriften des Verbrauchsgüterkauf, wenn der Verbraucher darüber informiert wurde.

2. § 475 BGB

Abs. 3: Bisher war § 442 BGB auch im Verbrauchsgüterkauf anwendbar, mit der Folge, dass die Kenntnis des Käufers vom Mangel gemäß § 442 BGB die Mängelrechte ausschloss. Die Anwendung von § 442 BGB ist nun ausgeschlossen, sodass die Kenntnis des Käufers zum Ausschluss der Mängelrechte nicht mehr genügt.

Abs. 4: Der Verkäufer hat nun auch im Verbrauchsgüterkauf das Recht, die Nacherfüllung vollständig zu verweigern, wenn sie unverhältnismäßig ist. Bisher war eine Totalverweigerung ausgeschlossen.

Abs. 5: Neu eingefügt wurde, dass dem Verbraucher durch die Nacherfüllung keine Unannehmlichkeitenentstehen dürfen. Ansonsten kann sich der Verkäufer schadensersatzpflichtig machen.

Abs. 6: Der Verkäufer hat die Kosten der Rücksendung bei Rücktritt oder Schadensersatz statt der ganzen Leistung zu tragen (S. 1). Die Rückzahlung ist entgegen § 320 BGB bereits fällig, wenn der Verbraucher den Nachweis über die Rücksendung erbracht hat (S. 2).

3. § 475d BGB

Neu eingefügte Regelung, die die §§ 440, 281, 323 BGB im Verbrauchsgüterkaufrecht verdrängt. Danach ist für den Rücktritt wegen eines Mangels oder die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs wegen eines Mangels die Fristsetzung gemäß §§ 323, 281 BGB in den in § 475d Abs. 1 BGB aufgezählten Fällen entbehrlich. Es bedarf insbesondere keinem ausdrücklichen Nacherfüllungsverlangen mehr, wenn der Verkäufer die Nacherfüllung nicht innerhalb einer angemessenen Frist durchführt (Nr. 1). Die Frist ist außerdem entbehrlich, wenn sich trotz versuchter Nacherfüllung ein Mangel zeigt (Nr. 2), die ordnungsgemäße Nacherfüllung verweigert wird (Nr. 4), oder der Verkäufer auch ohne ausdrückliche Verweigerung offensichtlich nicht nacherfüllen wird (Nr. 5).

4. § 475e BGB

Neu eingefügte Norm, die besondere Verjährungsregeln für Waren mit digitalen Inhalten enthält.

5. § 476 BGB

Negative Beschaffenheitsvereinbarungen, die unterhalb der objektiven Anforderungen an eine Ware liegen, können nur noch unter den verschärften Voraussetzungen des § 476 Abs. 1 S. 2 BGB getroffen werden. Es bedarf einer ausdrücklichen Information des Verbrauchers sowie einer ausdrücklichen Vereinbarung. Auch die Verjährung kann gemäß § 476 Abs. 2 S. 2 BGB nur unter den genannten Bedingungen verkürzt werden.

6. § 477 BGB

Wichtige Änderung, mit welcher die Beweislastumkehr für das Vorliegen eines Sachmangels von ehemals sechs auf nunmehr zwölf Monate verlängert wurde. Bei Tieren gilt weiterhin die sechsmonatige Frist. Für Waren mit digitalen Elementen, deren Bereitstellung dauerhaft vereinbart wurde, gilt sogar ein Zeitraum von zwei Jahren.

Bezahlen mit Daten

Neu eingefügt aufgrund einer EU-Richtlinie wurde auch § 312 Abs. 1a BGB. Danach sind die Vorschriften der §§ 327 ff. BGB und andere verbraucherschützende Regelungen auch dann auf Verbraucherverträge anwendbar, wenn der Verbraucher kein monetäres Entgelt zahlt, sondern ausschließlich personenbezogene Daten bereitstellt, also mit seinen Daten bezahlt. Eine Ausnahme besteht, wenn die Daten ausschließlich der Vertragsabwicklung dienen.

Lieferantenregress §§ 445a f. BGB

Geringfügige Änderungen wurden auch in den Normen des Lieferantenregress gemacht. Gemäß §§ 445a Abs. 1, 439 Abs. 6 S. 2 BGB kann der Verkäufer vom Lieferanten auch die Kosten für die Rücknahme einer Sache ersetzt verlangen. Außerdem kann er beim Lieferanten Regress nehmen, wenn dieser gegen die Aktualisierungspflichtverstößt. Dies soll den Lieferanten zu Aktualisierungen zwingen. In § 445b Abs. 2 BGB wurde die Höchstgrenze der Ablaufhemmung der Verjährung von höchstens fünf Jahren gestrichen.

JurCase informiert:

Im Mai 2022 wird ein weiteres Gesetz zur Umsetzung einer Verbraucherschutzrichtlinie in Kraft treten. Zur besseren Durchsetzung des Verbraucherschutzes werden in Art. 246e EGBGB weitreichendeBußgeldvorschriften für eine schuldhafte Verletzung von Verbraucherinteressen geregelt, etwa im Falle der Verwendung einer nach § 309 BGB unwirksamen AGB-Klausel, der Nichterfüllung von Informationspflichten oder der Nichterfüllung bestimmter Pflichten des Unternehmers nach einem wirksamen Widerruf durch den Verbraucher. Auch werden Informationspflichten für Betreiber eines Online-Marktplatzes eingeführt.

Online-Kündigungsrecht

Ab Juli 2022 gibt es außerdem das Recht des Verbrauchers, jeden Vertrag, den er online abgeschlossen hat, auch online wieder zu kündigen. Betroffen sind vor allem Dauerschuldverhältnisse wie Streaming-Abos. Gemäß dem zukünftigen § 312k BGB bedarf es auf einer Website zukünftig eine leicht zugängliche Schaltfläche für Kündigungen. Dieser „Kündigungsbutton“ muss gut lesbar und entsprechend beschriftet sein.

Fazit

Die Beiträge Die Schuldrechtsreform 2022 – das neue (digitale) Kaufrecht – Teil 1 und Teil 2 sollen lediglich einen Überblick über die wichtigsten Neuerungen geben. Zum abschließenden Verständnis sollten die Normen jedoch alle einmal genau gelesen werden. Du wirst merken, dass sie trotz ihres enormen Umfangs doch gut verständlich und mit Hilfe obiger Erläuterungen weniger schwierig sind, als sie auf den ersten Blick scheinen.

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Beitragsautor:

Isabelle Mewes

Isabelle Mewes

Isabelle absolviert ihren juristischen Vorbereitungsdienst am Landgericht Mainz. Für JurCase gibt sie Einblicke in ihr Referendariat. Daneben teilte sie Erfahrungen über ihr Ehrenamt zu Studienzeiten bei ELSA mit. Sie beschäftigt sich außerdem mit Schlüsselqualifikationen.

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