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Gewusst

Basiswissen StPO: Die Strafprozessordnung im Zweiten Staatsexamen

By 17. März 2022Oktober 11th, 2023No Comments
Strafrecht

Die wichtigsten Normen für das Assessorexamen im Überblick

Während im Ersten Staatsexamen die Strafprozessordnung (StPO) eine untergeordnete Rolle spielt und vor allem in Form von Zusatzfragen oder in der mündlichen Prüfung relevant wird, ist sie im Zweiten Examen von evidenter Bedeutung. Der Beitrag soll die wichtigsten Normen im Überblick darstellen.

Im Beitrag Grundwissen Strafprozessordnung (StPO) findest du bereits einen Überblick über allgemeine Prozessgrundsätze, die in der strafrechtlichen Examensklausur beachtet werden sollten, die Besetzung der Gerichte in der jeweiligen Instanz sowie zu den Beweisverwertungsverboten. Weitere Normen, die in der Vorbereitung auf das Assessorexamen zumindest mal einen Blick wert sind, sind §§ 22 ff., 153 ff., 168c, 170, 228, 230, 231 und 251 StPO.

Das Ermittlungsverfahren

Besonders wichtig für die Staatsanwalts-, aber teilweise auch für die Revisionsklausur sind die Normen, die den Ablauf des Ermittlungsverfahrens regeln. Hier existieren viele Fallhöhen, die zu einem Beweisverwertungsverbot führen können, wenn nicht sauber gearbeitet wird.

§ 152 Abs. 2 StPO – Anfangsverdacht: Er ist die Grundlage jeder polizeilichen Arbeit. Nur wenn ein Anfangsverdacht vorliegt, können gegen den Verdächtigen Ermittlungsmaßnahmen durchgeführt werden. Anfangsverdacht liegt vor, wenn zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine verfolgbare Straftat vorliegen. Es besteht ein Beurteilungsspielraum der Staatsanwaltschaft.

§ 136 Abs. 1 StPO – Beschuldigtenvernehmung: Die Norm knüpft an die Beschuldigtenstellung an. Beschuldigter ist, gegen wen ein objektiver Anfangsverdacht besteht und gegen wen die Strafverfolgungsorgane das Strafverfahren betreiben. Diese Stellung darf dem Beschuldigten nicht willkürlich vorenthalten werden, da sie verschiedene Beschuldigtenrechte mit sich bringt. Er ist als Beschuldigter gemäß § 136 Abs. 1 StPO zu belehren. Unterbleibt die Belehrung kann der Fehler in einer weiteren Vernehmung durch eine sogenannte qualifizierte Belehrung behoben werden. Hier gibt es in Klausuren häufig Probleme. Eine informatorische Befragung unterliegt nicht der Belehrungspflicht, unschädlich sind auch Spontanaussagen des Verdächtigen vor erfolgter Belehrung.

§ 136a StPO – Verbotene Vernehmungsmethoden: Ebenfalls ein beliebtes Klausurthema. Es besteht ein absolutes Beweisverwertungsverbot gemäß § 136a Abs. 3 StPO, wenn der Beschuldigte in seiner Willensentschließungs- und Willensbetätigungsfreiheit beeinträchtigt wird und dies kausal auf einer der genannten verbotenen Vernehmungsmethoden beruht. Verbotene Täuschung ist häufig von zulässiger kriminalistischer List zu unterscheiden. Ist eine Kausalkette zwischen verbotener Vernehmungsmethode und Aussage nicht zu erkennen, bleibt die Aussage dennoch verwertbar.

§ 163 StPO – Generalklausel für die Ermittlungsbefugnisse der Polizei: Sie findet dann Anwendung, wenn keine Spezialermächtigungen einschlägig sind.

§§ 52, 53, 55 StPO – Zeugen: Zeugen, die in der in § 52 Abs. 1 StPO genannten Weise mit dem Beschuldigten verwandt sind oder zu den in § 53 StPO genannten Berufsgruppen gehören, haben ein Zeugnisverweigerungsrecht. Angehörige müssen darüber gemäß § 52 Abs. 3 StPO belehrt werden. Sinn und Zweck der Norm ist der Schutz des Familienfriedens. Zeugen, die Gefahr laufen, sich durch ihre Aussage selbst zu belasten, müssen gemäß § 55 Abs. 2 StPO über ihr Aussageverweigerungsrecht belehrt werden. Dies besteht nicht für ihre gesamte Aussage, sondern nur für die Teile, die zu einer Selbstbelastung führen könnten. Geschützt wird der nemo-tenetur Grundsatz, wonach sich niemand selbst belasten muss.

§§ 170 Abs. 1, 203 StPO – Hinreichender Tatverdacht: Prüfungsmaßstab für die Erhebung der Anklage. Die Staatsanwaltschaft wird Anklage erheben, wenn hinreichender Tatverdacht vorliegt. Dies ist der Fall, wenn es nach Aktenlage wahrscheinlich ist, dass der Beschuldigte Täter einer Straftat ist, eine Verurteilung also wahrscheinlicher ist als ein Freispruch. Diese Definition darf in keiner Anklage-Klausur fehlen.

Polizeiliche Zwangsmaßnahmen

§ 81a StPO – Körperlicher Eingriff (Blutentnahme): Die Norm spielt bei Verkehrsdelikten oft eine Rolle oder wenn die Schuldfähigkeit des Beschuldigten nach Alkoholkonsum fraglich ist. Der richterlichen Anordnung bedarf es dann nicht, wenn der Beschuldigte in die Maßnahme eingewilligt hat oder Gefahr im Verzug ist.

§§ 94 ff. StPO – Sicherstellung und Beschlagnahme: Wird ein für die Untersuchung relevanter Gegenstand nicht freiwillig zur Sicherstellung herausgegeben, muss er förmlich beschlagnahmt werden. Die Beschlagnahme bedarf der richterlichen Anordnung gemäß § 98 Abs. 1 StPO. Für die Beschlagnahme bei Dritten gilt § 95 StPO. Besonders zu beachten sind die Beschlagnahmeverbote in § 97 StPO, etwa bezüglich Mitteilungen zwischen Beschuldigtem und Angehörigen im Sinne des § 52 Abs. 1 StPO. Ein Verstoß führt hier regelmäßig zu einem Verwertungsverbot.

§§ 100a ff. StPO: Häufig geht es um technisch aufgezeichnete Telefongespräche (Telekommunikationsüberwachung § 100a StPO) oder die akustische Wohnraumüberwachung (§ 100c StPO). Hier ist besonderes Augenmerk auf den Straftatenkatalog in § 100a Abs. 2 StPO zu legen. Die Maßnahmen sind nur bei besonders schwerwiegenden Straftaten im Einzelfall zulässig und bedürfen der richterlichen Anordnung. Bei Verstoß besteht ein Verwertungsverbot. Bei Zufallsfunden ist auf § 479 Abs. 2 S. 1 StPO abzustellen, der an einen hypothetisch rechtmäßigen Ermittlungsverlauf anknüpft. Auch der Zugriff auf E-Mails oder SMS ist über § 100a StPO zulässig.

§§ 102 ff. StPO – Durchsuchung: Möglich beim Beschuldigten und bei Dritten nach § 103 StPO. Umfasst sind die Durchsuchung von Wohnung und der betroffenen Person selbst. Ein Durchsuchungsbeschluss tritt spätestens nach 6 Monaten außer Kraft. Eine fehlerhafte Durchsuchung führt in der Regel nicht zu einem Beweisverwertungsverbot.

§ 112 StPO – Untersuchungshaft: Sehr wichtige Norm in der StA-Klausur. Im B-Gutachten sind die Voraussetzungen der U-Haft häufig zu prüfen. Es bedarf eines dringenden Tatverdachts und wenigstens eines Haftgrundes. Die Maßnahme darf außerdem nicht unverhältnismäßig sein oder als Ersatzhaft dienen. Deshalb sind auch hier Verwertungsverbote und Verfahrenshindernisse zu beachten. § 112 Abs. 3 StPO ist verfassungskonform auszulegen und findet nur Anwendung, wenn wenigstens ein weiterer Haftgrund nach Absatz 2 vorliegt.

JurCase informiert:

Stehen polizeiliche Zwangsmaßnahmen zur Überprüfung, muss stets auch der Aspekt der Verhältnismäßigkeit und der Willkür beachtet werden. Dies gilt nicht nur bei Verhängung von Untersuchungshaft. Willkür liegt häufig dann vor, wenn sich Polizeibeamte bewusst über Verfahrensvorschriften hinwegsetzen.

In der Hauptverhandlung

§ 244 StPO – Beweisaufnahme: Die Norm ist besonders in der Revisionsklausur relevant. Stellt der Beschuldigte gemäß § 244 Abs. 3 StPO einen Beweisantrag, kann dieser nur unter den engen Voraussetzungen der § 244 Abs. 3 bis 6 StPO per Gerichtsbeschluss abgelehnt werden. Zunächst sollte jedoch immer geprüft werden, ob tatsächlich ein formgerechter Beweisantrag vorliegt. Dabei ist insbesondere auf die Konnexität von Beweismittel und Beweisbehauptung zu achten, da ansonsten ein bloßer Beweisermittlungsantrag vorliegt. § 244 Abs. 2 StPO normiert die allgemeine Aufklärungs- und Ermittlungspflicht des Gerichts.

§ 252 StPO – Zeugnisverweigerungsrecht: Die Norm schützt das Zeugnisverweigerungsrecht aus §§ 52 ff. StPO. Eine Umgehung durch Verlesung einer früheren Aussage ist danach unzulässig. Zulässig sind jedoch formfreie Vorhalte aus Vernehmungsprotokollen, wenn der Zeuge aussagt. Unzulässig ist auch die Vernehmung eines Polizeibeamten, der die frühere Vernehmung geleitet hat als Zeugen vom Hörensagen. Eine Ausnahme besteht, wenn die damalige Vernehmungsperson eine richterliche gewesen ist und bei der damaligen Vernehmung ordnungsgemäß belehrt worden ist. Nicht betroffen von § 252 StPO sind außerdem Spontanaussagen. Auf das Auskunftsverweigerungsrecht ist die Norm unanwendbar. Die Vernehmung einer Verhörsperson ist hier zulässig.

§ 254 StPO – Verlesung eines richterlichen Protokolls: Ausnahme vom Verlesungsverbot, wenn der Beschuldigte ordnungsgemäß durch einen Richter vernommen wurde.

§ 257c StPO – Verständigung: Gegenstand der Verständigung können nur Rechtsfolgen sowie Maßnahmen zum Verfahrensverlauf sein. Ein Geständnis soll regelmäßig Teil einer Verständigung sein. Es darf eine Ober- und Untergrenze einer zu erwartenden Strafe festgelegt werden, die jedoch weder nach oben noch nach unten unangemessen hoch oder niedrig sein darf, um den Angeklagten nicht unangemessen unter Druck zu setzen.

§ 264 StPO – Prozessuale Tat: Die prozessuale Tat legt den Umfang der angeklagten Straftat fest. Sie beschreibt einen einheitlichen Lebenssachverhalt, der nicht willkürlich oder unnatürlich auseinandergerissen werden soll. Steht eine weitere, nicht angeklagte prozessuale Tat im Raum, muss Nachtragsanklage erhoben werden. Der Strafklageverbrauch bezieht sich auf die gesamte prozessuale Tat.

Fazit

Mit den genannten Normen können bereits viele typische Klausurprobleme mühelos umschifft werden. Im Beitrag Grundwissen Strafprozessordnung (StPO) findest du bereits alles zu den Verfahrensgrundsätzen. Die Kenntnis und das Verständnis der beschriebenen Normen sind unverzichtbar für die Klausur im Assessorexamen. Mit ihnen kann eine solide Klausur verfasst werden.

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Beitragsautor:

Isabelle Mewes

Isabelle Mewes

Isabelle absolviert ihren juristischen Vorbereitungsdienst am Landgericht Mainz. Für JurCase gibt sie Einblicke in ihr Referendariat. Daneben teilte sie Erfahrungen über ihr Ehrenamt zu Studienzeiten bei ELSA mit. Sie beschäftigt sich außerdem mit Schlüsselqualifikationen.

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