Wenn Private einen fremden Pkw abschleppen lassen
Ein Klassiker im Zivilrecht, der jedoch oft nur mit Hintergrundwissen gut zu bearbeiten ist: Das Abschleppen eines Autos. Dies kann zum Beispiel beim Parken auf einem Parkplatz erfolgen, der den Kunden nur zu den Öffnungszeiten des jeweiligen Geschäfts zur Verfügung steht. Meistens ist die Frage, ob der Parkplatzinhaber den widerrechtlich Parkenden abschleppen lassen darf und wer dies bezahlen muss.
Die Berechtigung zum Abschleppen – Sachenrecht
Die Berechtigung zum Abschleppen kann sich aus § 859 BGB ergeben. Als Vorfrage ist zu klären, ob es sich bei dem unberechtigten Parken um eine Besitzentziehung nach § 859 Abs. 3 BGB oder eine Besitzstörung nach § 859 Abs. 1 BGB handelt.
Manche unterscheiden danach, ob dem Grundstücksbesitzer mehrere Parkplätze zustehen, dann solle es sich um eine Besitzstörung handeln, gegen welche die Besitzwehr nach Abs. 1 zulässig wäre. Wird das Auto auf dem einzigen vorhandenen Parkplatz abgestellt (z. B. Einfahrt), dann soll es sich um eine Besitzentziehung handeln und eine Besitzkehr nach Abs. 3 sei zulässig.
In jedem Falle muss der Besitz am Parkplatz bestehen. Dies steht dem Inhaber auch in seiner Abwesenheit zu, § 854 BGB. Dann muss der Besitz entzogen bzw. gestört worden sein durch eine verbotene Eigenmacht des Parkenden. Die Besitzentziehung ist die vollständige und dauerhafte Beseitigung des unmittelbaren Besitzes, wohingegen die Besitzstörung die Beeinträchtigung des unmittelbaren Besitzes durch einen Eingriff in die Sachherrschaft darstellt. Eine verbotene Eigenmacht liegt vor, wenn dem Besitzer ohne dessen Willen sein Besitz entzogen wird oder er gestört wird, sofern das Gesetz die Entziehung oder Störung nicht gestattet. Daraus entsteht ein Selbsthilferecht des Parkplatzinhabers iSd. § 859 Abs. 1 oder Abs. 3 BGB. Beide Absätze berechtigen zu den Maßnahmen, die zur Beseitigung der Störung oder zur Widererlangung des Besitzes erforderlich sind. Das wäre in diesem Fall das Abschleppen des Autos.
Die Besitzkehr nach § 859 Abs. 3 BGB ist jedoch nur zeitlich begrenzt („sofort“) möglich, während die Besitzwehr nach Abs. 1 dem Wortlaut nach keiner zeitlichen Begrenzung unterliegt. Nach herrschender Ansicht wird die Besitzwehr jedoch auch der zeitlichen Grenze der Besitzkehr unterworfen, da es sich immer noch um eine Ausübung des Selbsthilferechts handelt und dies im Rechtsstaat eher die Ausnahme darstellen soll. Daher ist davon auszugehen, dass das Abschleppen am gleichen Tag bzw. direkt nach der Entdeckung des Verstoßes erfolgen muss.
Anzumerken ist noch, dass das Selbsthilferecht des Besitzers den Einschränkungen von Treu und Glauben nach § 242 BGB unterliegt. Ein Verstoß könnte vorliegen, wenn auf einem großen Parkplatz noch ausreichend freie Parkplätze für Kunden zur Verfügung stünden. Das ist aber abzulehnen, ansonsten könnte der rechtmäßige Besitzer seinen Besitz nur verteidigen, wenn der widerrechtlich Parkende den letzten freien Parkplatz besetzen würde.
Ein Verstoß gegen § 242 BGB könnte auch darin gesehen werden, dass die Entscheidung des Abschleppens des Autos auf ein Unternehmen übertragen wird, welches den Parkplatz überwacht und ein eigenes wirtschaftliches Interesse am Abschleppen möglichst vieler Fahrzeuge hat. Dieser Verstoß ist abzulehnen, wenn eine Vereinbarung zwischen einem Abschleppunternehmen und dem Parkplatzbesitzer konkret durch Hinweisschilder deutlich gemacht wird. Damit ist der Parkplatzinhaber zur Entfernung des Autos nach § 859 Abs. 1 oder Abs. 3 BGB berechtigt.
Berechtigung zum Abschleppen – GoA
Weiterhin könnte eine Berechtigung zum Abschleppen aus einer Geschäftsführung ohne Auftrag [GoA] nach §§ 683 S. 1, 677 BGB hergeleitet werden. Hierbei muss man sich zunächst klarmachen: Der Parkplatzinhaber hat einen Anspruch gegen den Parkenden aus § 823 Abs. 1 BGB, der durch eine Abschleppfirma erfüllt wird. Kann dann eine Kostenerstattung vom Parkenden verlangt werden?
Die Geschäftsbesorgung liegt hier darin, dass der Inhaber das Fahrzeug abschleppen ließ. Dieses Geschäft müsste für ihn fremd sein. Man könnte erstmal an ein eigenes Geschäft denken, allerdings ist es Aufgabe des Halters, das Auto zu entfernen (bzw. er ist dazu auf Grund von §§ 861 Abs. 1, 862 Abs. 1 BGB; § 823 Abs. 1 BGB; §§ 985, 1004 BGB verpflichtet!). Somit wird nach überwiegender Ansicht ein auch-fremdes Geschäft angenommen. Der Fremdgeschäftsführungswillen wird bei einem auch-fremden Geschäft vermutet. Das Abschleppen geschah auch ohne Auftrag des Fahrzeuginhabers. Die Geschäftsführung müsste auch im Interesse des Fahrers sein. Dies wird angenommen, wenn die Übernahme des Geschäfts für den Geschäftsherren objektiv vorteilhaft und nützlich ist. Die Tilgung einer Schuld gilt grundsätzlich als vorteilhaft und somit interessengemäß. Durch das Abschleppen wird die Eigentumsbeeinträchtigung beseitigt, wozu der Störer nach § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB verpflichtet war. Daher handelte der Parkplatzinhaber hier im Interesse des Fahrzeuginhabers (kann man durchaus auch anders sehen!).
Weiterhin müsste das Abschleppen auch mit Willen des Fahrzeuginhabers geschehen sein. Der wirkliche Wille war zum Zeitpunkt des Abschleppens nicht ermittelbar. Nach einer objektiven Beurteilung aller Umstände ist anzunehmen, dass sich der mutmaßliche Wille des Geschäftsherren auf ein rechtsgetreues Verhalten gerichtet hätte und somit das Abschleppen dem Willen des Fahrzeuginhabers entsprach. Somit war der Parkplatzinhaber zum Abschleppen berechtigt.
JurCase informiert:
Der Parkplatzinhaber kann von unberechtigt Parkenden lediglich die Kosten für das Abschleppen ersetzt verlangen, nicht aber die Kosten für die reine Parkraumüberwachung. Diese Kosten sind nämlich nicht ersatzfähig, da diese Parkraumüberwachung unabhängig vom konkreten Parkverbot durchgeführt worden wären.
Kosten des Auslösens des PKW
Daran schließt sich die Frage an, ob der Fahrzeuginhaber die Kosten für das Auslösen des Wagens vom Parkplatzinhaber zurückverlangen kann. Man könnte diesen Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB herleiten, das Problem dabei liegt im Prüfungspunkt „ohne rechtlichen Grund“, d. h. ob der Parkplatzinhaber einen Anspruch gegen den Parkenden auf Zahlung der Abschleppkosten hatte. Wie oben gesagt bestand ein Anspruch aus §§ 683 S. 1, 677, 670 BGB; § 823 Abs. 1 BGB; §8 23 Abs. 2 iVm § 858 Abs. 1 BGB und somit hat der Parkende keinen Ersatzanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB.
Fazit
Das Abschleppen eines unberechtigt parkenden Fahrzeuges, ein regelmäßiges Klausurthema, ist demnach rechtmäßig und die Kosten kann sich der Parkende auch nicht ersetzen lassen. Es lohnt sich also auch im wahren Leben, nicht unberechtigt auf Privatparkplätzen von Geschäften zu parken!