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Der strafrechtliche Aktenvortrag im Referendariat

By 18. September 2018Oktober 18th, 2023No Comments
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Der strafrechtliche Aktenvortrag im Referendariat

Leitfaden und Tipps zum strafrechtlichen Aktenvortrag

In den meisten deutschen Bundesländern beginnt die mündliche Prüfung des Zweiten Staatsexamens mit einem Kurzvortrag, dem sogenannten Aktenvortrag. Der folgende Erfahrungsbericht soll einen kurzen Einblick zu den Anforderungen an den strafrechtlichen Aktenvortrag sowie Tipps und Tricks zur erfolgreichen Ableistung geben.

In Schleswig-Holstein ist die Staatsanwaltsstation die erste Station im Referendariat. Da hier, im Gegensatz z.B. zu Hamburg, der Kurzvortrag noch kein Bestandteil des Ersten Examens ist, werden die meisten Referendare erstmalig hiermit konfrontiert.

Vorbereitung auf den Aktenvortrag in der Pflicht-AG

In der Pflichtarbeitsgemeinschaft wird eine Einheit meist auch dem Aktenvortrag gewidmet. In meiner AG wurde hierbei zunächst der generelle Ablauf des Kurzvortrags durchgegangen. An einem zweiten Termin folgte dann ein Rollenspiel, in dem vier zufällig ausgewählte AG-Teilnehmer einen ausgesonderten Aktenvortrag des GPA unter Examensbedingungen vorbereiteten. Diesen trugen sie dann vor vier, ebenfalls zufällig als Prüfungskommission ausgewählten, anderen AG-Teilnehmern vor. Zum Abschluss gab der AG-Leiter seine Einschätzung zur Bewertung und einige Verbesserungsvorschläge ab. Natürlich fehlten auch hier Erfahrungsberichte aus seiner eigenen Prüfungserfahrung nicht, anhand derer besprochen wurde, wie man es besser nicht machen sollte.

Der Ablauf des Aktenvortrages

Da der jeweilige Ablauf des Kurzvortrages sich aus den Prüfungsordnungen ergibt, will ich Ausführungen hierzu kurz halten, der Vollständigkeit halber dürfen sie aber natürlich nicht fehlen.

In Schleswig-Holstein bekommt man zunächst ein Aktenstück ausgehändigt, das in 90 Minuten eigenständig zu bearbeiten ist.

Für die Strukturierung des Aktenvortrages hat sich bei mir der Vorschlag meines AG-Leiters bewährt:

  • Einleitung
  • Sachbericht
  • Pauschaler Entscheidungsvorschlag
  • Rechtliche Würdigung
  • Konkreter Entscheidungsvorschlag

Die Ergebnisse der Analyse sind nach Bearbeitung des Aktenstückes in höchstens 15 Minuten vorzutragen. Ich persönlich versuche, nach ca. 10 Minuten fertig zu sein, damit den Prüfern noch ein wenig Zeit für etwaige Nachfragen bleibt. Da in den meisten Fällen die Zeit fehlt, nach der Gliederung den Vortrag noch einmal zu üben und hierbei die Zeit zu stoppen, habe ich mir angewöhnt, nicht mehr als eine beidseitig beschriebene DIN A4-Seite vorzubereiten. Hierdurch werde ich gezwungen, lediglich Stichpunkte aufzuschreiben und den Vortrag somit frei zu halten. Weiterhin hat sich für mich herausgestellt, dass sich bei meiner Schriftgröße und -art hierdurch ca. 10 Minuten ergeben, wodurch ich mir die Stoppuhr sparen kann.

Die eigene Vorbereitung auf den Aktenvortrag

Natürlich hat jeder Mensch seinen eigenen Stil, v.a. im Bereich der Prüfungsvorbereitung, daher kann ich Tipps hierzu nur aus meiner eigenen Erfahrung, bzw. Berichten von Freunden und Kollegen geben. Ich persönlich habe mich zusätzlich zu der Vorbereitung und den Materialien der Pflicht-AG mit dem Jäckel/Schneider „Der strafrechtliche Aktenvortrag im Assessorexamen“ vorbereitet und kann diesen wärmstens empfehlen. Auf 74 Seiten wird hierbei kurz der Ablauf sowie die generelle Vorbereitung des Aktenvortrages geschildert. Zusätzlich enthält das Buch noch sechs Übungsfälle, die sich vor allem für die Übung in der privaten Lerngruppe eignen. Mir hat es ungemein geholfen, bereits zu Beginn der ersten Station Mitstreiter für eine private Lerngruppe gefunden zu haben. In dieser bereiteten wir v.a. den Aktenvortrag vor. Gerade für Menschen, die – wie ich – Schwierigkeiten mit spontanen Vorträgen haben und ggf. auch etwas unter Prüfungsnervosität leiden, kann ich diese private Vorbereitung sehr empfehlen. Ich habe dadurch schnell die Scheu vor dem Aktenvortrag verloren und durch die stete Wiederholung eine eigene Routine entwickeln können. Diese sechs Übungsfälle sind bei wöchentlichem Zusammentreffen der Lerngruppe allerdings schnell bearbeitet (v.a. wenn alle Mitglieder mit dem Jäckel/Schneider arbeiten). In Schleswig-Holstein ist Nachschub aber schwer zu bekommen, weil die durch das GPA vorgegebenen Kurzvorträge nicht für den Vorbereitungsdienst freigegeben sind. Auch die AG-Leiter und Ausbilder haben regelmäßig nur einen kleinen Fundus zur Verfügung, der ungern mit anderen Prüflingen geteilt werden soll. Auf der Seite des Justizprüfungsamtes NRW ist jedoch eine große Sammlung an Aktenvorträgen zu finden. Mit einigen landesüblichen Anpassungen der Lösungsskizze sind diese auch für Schleswig-Holstein sehr gut verwendbar.

Übung des Aktenvortrags in der Einzelausbildung

Im Rahmen der Einzelausbildung bieten die meisten Ausbilder die Übung von Aktenvorträgen an. Die Anzahl variierte bei uns von einem bis fünf angebotenen Aktenvorträgen. Die meisten Kollegen hielten zwei bis drei. Auch der Ablauf war verschieden. So durften einige ihre Vorträge im Vorfeld zuhause bearbeiten, während andere morgens den Vortrag und einen Sitzplatz zur Vorbereitung  zugeteilt bekamen und im Anschluss den Vortrag halten mussten. Persönlich habe ich das Zweite erlebt und finde dies aufgrund der Examensnähe auch besser. Die Benotung der Vorträge im Rahmen der Einzelausbildung fließt auch nicht ins Stationszeugnis ein. Diese sollen einzig der Vorbereitung auf das Examen dienen. Da viele Einzelausbilder nicht selbst im Examen prüfen, sollte auch eher auf die konstruktiven Verbesserungsvorschläge als auf die mitgeteilte Vortragsnote geachtet werden.

Der Aktenvortrag vor dem Abteilungsleiter oder auch „Wie, der hat mich vergessen?!“

Als „Endgegner“ in der Staatsanwaltsstation begegnet Referendaren in Schleswig-Holstein der Aktenvortrag vor einem zugewiesenen Abteilungsleiter. Dessen Benotung kann auf Wunsch auch ins Zeugnis einfließen. Ich persönlich habe mich für die Ableistung desselben entschlossen und es nicht bereut, ebenso die meisten Kollegen. Der Ablauf des Abteilungsleitervortrages variiert allerdings ebenfalls. Als kleinen Exkurs, wie es eher nicht laufen sollte, erzähle ich euch von meinem Abteilungsleitervortrag:

Ich hatte mich frühzeitig für einen Termin zum Ende der Station hin entschieden, sodass genügend Vorbereitungszeit blieb. Nach einigen Terminschwierigkeiten konnte auch der mir zugewiesene Abteilungsleiter für diesen Plan gewonnen werden. Anders als in der Einzelausbildung gab er mir aber den Vortrag nicht persönlich heraus, sondern ein Kollege, der mir auch bei der Platzsuche behilflich war. Vorbereitet hatte ich mich anhand der ausgesonderten GPA-Vorträge, sowohl von meiner Ausbilderin als auch von der oben erwähnten Website. Mein Abteilungsleiter wies mir jedoch kein 10-seitiges, übliches Aktenstück zu, sondern eine 40-seitige Ermittlungsakte, die er vor einigen Jahren selbst vorliegen hatte. Das warf mich bereits zu Beginn zugegebenermaßen aus der Bahn. Die Akte wies zusätzlich auch keinen Bearbeitervermerk aus, außer einen vorn aufgeklebten Post-It, dass BtM-Delikte nicht zu prüfen waren. Blöd war nur, dass außer BtM in der Akte lediglich noch für einen der vier Beschuldigten eine standardmäßige GefKV zu finden war. Üblicherweise endet der Aktenvortrag auch mit einer konkreten Entscheidung, meist Anklageerhebung, selten auch Einstellung. Bei mir war der Aufenthalt des Beschuldigten allerdings unbekannt, sodass ich eine Einstellung nach § 154f StPO in Verbindung mit § 131a StPO vorschlagen musste. Damit 10 Minuten zu füllen fiel mir – das erste Mal in der gesamten Vorbereitung- extrem schwer. Aus Verzweiflung habe ich daher alles angeprüft, sogar noch eine Sachbeschädigung am verwendeten gefährlichen Werkzeug – einer durch die Schläge zerbrochenen Holzlatte. Nachdem ich mich heroisch 90-Minuten mit meiner Akte herumgeschlagen hatte, fand ich mich pünktlich vor dem Büro des Abteilungsleiters ein. Leider war dieser nicht da. Nach einer Viertelstunde Wartezeit, waren die Frusttränen, die ich mir bei der Bearbeitung der Akte noch verkniffen hatte, schon merklich schwerer zurückzuhalten. Der wirklich freundlichen Suche durch seine Büronachbarin war es zu verdanken, dass er schließlich zumindest auf dem Handy erreicht werden konnte. Er hatte mich schlicht vergessen! Nach einer weiteren viertelstündigen Wartezeit erschien er dann mit den Worten „Tja, ist ja nicht so schlimm, so hatten Sie ja noch fast eine Dreiviertelstunde mehr Zeit, dann muss ja jetzt auch ordentlich was kommen“. Die zweistellige Benotung, die ich für den folgenden und absolut schlechtesten strafrechtlichen Aktenvortrag der gesamten Zeit bekommen habe, empfinde ich immer noch ein wenig als Schmerzensgeld…

Fazit

Wieso habe ich euch gerade die letzte Horrorstory wieder erzählt, fragt ihr euch vielleicht. Paradoxerweise, damit ihr keine Angst vor den Aktenvorträgen bekommt. Bei mir ist gefühlt alles Menschenmögliche falsch gelaufen und ich bin trotzdem mit einer guten zweistelligen Bewertung aus dem Vortrag gegangen.

Mit routinierter Vorbereitung, sowohl in der AG und auch zuhause bzw. in einer privaten Lerngruppe, lassen sich Aktenvorträge schnell und unkompliziert einüben und auch mit guten Noten bewältigen.

Und von meinen Kollegen wie auch meiner Ausbilderin wurde mir versichert, dass ein derart verkorkster Vortrag wie der vor meinem Abteilungsleiter die absolute Ausnahme bildet.

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Beitragsautor:

Regina Kardel

Regina Kardel

Regina berichtete uns über ihre Erlebnisse und Erfahrungen, die sie während ihres juristischen Vorbereitungsdienstes gemacht hat. Mittlerweile ist sie zugelassene Rechtsanwältin mit eigener Kanzlei. Deshalb schreibt sie aktuell für JurCase-Jobs über die anwaltliche Karriere.

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