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Gewusst

Das Schadensersatzrecht im Zivilrecht (Teil 2)

By 12. Mai 2021Oktober 11th, 2023No Comments
Zivilrecht

Schadensersatz statt oder neben der Leistung? Eine wichtige Feinheit im Schadensrecht

Beim Schadensersatzrecht wird unterschieden zwischen dem Schadensersatz statt oder neben der Leistung. Diese Unterscheidung ist besonders prüfungsrelevant, und zwar sowohl im Ersten als auch im Zweiten Examen. Hinzu kommen besondere Probleme wie der Deckungskauf und der Betriebsausfallschaden. Sagen dir diese Begriffe nichts? Dann solltest du dich auf jeden Fall noch einmal dahingehend bei uns einlesen, damit du erfolgreich durch dein Staatsexamen kommst.

Schadensersatz neben der Leistung

Der Schadensersatz neben der Leistung kann sich aus § 280 Abs. 1 BGB ergeben, gegebenenfalls in Kombination mit § 241 Abs. 2 BGB. Dies stellt den einfachen Schadensersatz dar. Beim Schadensersatz neben der Leistung bleibt die ursprünglich geschuldete Leistung bestehen, der Schadensersatzanspruch tritt neben den Primäranspruch. Dies ergibt sich auch aus § 281 Abs. 4 BGB. Hierbei werden Schäden erfasst, die endgültig eingetreten sind und nicht durch Nacherfüllung behebbar sind. Die Schäden sind bereits vor endgültigem Ausbleiben der Leistung endgültig eingetreten, sie entfielen nicht mehr, wenn die Leistung jetzt noch erfolgen würde.

JurCase informiert:

Neben einem Schadensersatz neben der Leistung kann unter Umständen auch ein Ersatz des Verzugsschadens nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB gefordert werden.

Schadensersatz statt der Leistung

Beim Schadensersatz statt der Leistung (§ 280 Abs. 1, Abs. 3 BGB) wird die ursprünglich geschuldete Leistung nicht mehr erbracht. Damit entfällt die Primärleistungspflicht und der Schadensersatzanspruch tritt an Stelle des ursprünglichen Hauptleistungsanspruches.

Der Schadensersatz statt der Leistung kann sich in fünf Fällen ergeben:

  • aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 Alt. 1 BGB,
    wenn er auf einer Nichtleistung des Schuldners beruht;
  • aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 Alt. 2 BGB,
    wenn er auf eine Schlechtleistung des Schuldners beruht (Sonderproblem: Teilleistung);
  • aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 282 BGB,
    wenn er auf eine Schutzpflichtverletzung seitens des Schuldners beruht;
  • aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB,
    im Falle einer sog. nachträglichen Unmöglichkeit der Leistungserbringung i.S.v. § 275 BGB;
  • aus § 311a Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB;
    im Falle einer sog. anfänglichen Unmöglichkeit.

Ein Schadensersatz statt der Leistung kann verlangt werden, wenn durch Nachholung der ausgebliebenen Leistung der Schaden bis zum letztmöglichen Zeitpunkt hätte vermieden werden können und das Interesse des Gläubigers an der Leistung befriedigt worden wäre. Hier werden deshalb dann alle Schäden abgedeckt, die entfielen, wenn der Schuldner im spätmöglichsten Zeitpunkt, also eine logische Sekunde vor endgültigem Ausbleiben der Leistung nacherfüllt hätte. Der Schuldner soll also nur haften, wenn der Schaden auf dem endgültigen Ausbleiben der Leistung beruht. Die Leistungspflicht endet mit Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs oder der Ausübung eines Rücktrittsrechts.

JurCase informiert:

Die Unterscheidung zum Schadensersatz neben der Leistung wird notwendig auch wegen § 281 Abs. 1 BGB, der vorsieht, dass für den Schadensersatz statt der Leistung grundsätzlich eine angemessene Nachfristsetzung erforderlich ist, um dem Schuldner die zweite Chance zu eröffnen, seine Leistung zu erbringen und die Schadensersatzpflicht damit zu verhindern. Es wäre allerdings unbillig, wenn der Gläubiger solche Schäden ersatzlos hinnehmen müsste, die durch nachträgliche Erfüllung des Schuldners gar nicht vermieden werden können, wie zum Beispiel die Mietkosten wegen vorübergehender Nutzung einer Ersatzsache. Der Schuldner hat durch die begangene Pflichtverletzung einen Schaden verursacht und die Leistung auch bei Fristsetzung bereits verzögert, daher kann ein Schadensersatzanspruch neben der Leistung entstanden sein.

Sonderproblem: Deckungskauf

Eine wichtige BGH-Entscheidung aus 2013 (Urt. vom 03.07.2013, Az. VIII ZR 169/12) befasste sich mit der Frage, ob die Mehrkosten eines Deckungskaufes, den der Käufer nach Ablauf der von ihm gesetzten Frist, aber noch vor dem Erlöschen des Erfüllungsanspruchs getätigt hatte, als Verzugsschaden nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB zu ersetzten ist. Ein Deckungskauf ist der Kauf einer anderen Sache als der bereits gekauften, weil die gekaufte Sache nicht rechtzeitig ankam.

Der Käufer hatte in diesem Fall trotz des Fristablaufs und nach Vornahme des Deckungskaufs auf Lieferung bestanden und diese schließlich auch erhalten. Der BGH hatte dem Käufer zunächst einen Ersatz nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 mit der Begründung versagt, dass dieser Anspruch zwar mit Fristablauf tatbestandlich dem Grunde nach gegeben gewesen sei, aber mit späterer Annahme der Leistung durch den Käufer wieder erloschen sei. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass sich Erfüllung und Schadensersatz statt der Leistung schon begrifflich ausschließen. Obwohl sich der Verkäufer im Zeitpunkt des Deckungskaufs noch im Schuldnerverzug befand hat der BGH auch einen Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 abgelehnt. Jeder Deckungskauf ist eine endgültige Ersetzung der ursprünglich erwarteten Leistung durch eine gleichwertige andere.

Sonderproblem: Betriebsausfallschaden

Ein weiterer umstrittener Fall stellt der Schadensersatz für einen Betriebsausfallschaden dar. Ein solcher liegt vor, wenn eine Kneipe eine Bierzapfanlage bestellt und diese auf Grund eines Produktionsfehlers alsbald komplett ausfällt. Der Betrieb wird für zwei Wochen komplett lahmgelegt durch den Ausfall und es entsteht ein Schaden von 4.000 Euro. Es handelt sich dann hierbei erstmal nicht um einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung, denn der Schaden ist bereits endgültig eingetreten. Es ist jedoch umstritten, ob es sich um einen Verzugsschaden (§§ 280 Abs.1, Abs. 2, 286) oder um einen einfachen Schadensersatzanspruch neben der Leistung handelt (§ 280 Abs. 1 BGB). Nach wohl herrschender Meinung ist ein Verzugsschaden nur einschlägig, wenn der Schaden ausschließlich auf der Verzögerung der Leistung beruht. Hierzu wird angeführt, dass eine erforderliche Mahnung bei einer Schlechtleistung sinnlos wäre. Es wird also davon ausgegangen, dass ein Betriebsausfallschaden ein typischer Fall des Mangelfolgeschadens darstellt und somit über § 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1 BGB zu ersetzen ist (so auch die Gesetzesbegründung, BT Drs. 14/6040, S. 25).

Fazit

Der Schadensersatz statt und neben der Leistung kann voneinander abgegrenzt werden durch die Kontrollfrage:Können Schadensersatzansprüche und der Erfüllungsanspruch nebeneinanderstehen? Wenn ja, dann handelt es sich um einen Schadensersatzanspruch neben der Leistung. Wenn nein, dann handelt es sich um einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung. Eine weitere Kontrollfrage ist: Wäre der Schaden eingetreten, hätte der Schuldner die Leistung noch erbracht? Wenn ja, dann ist es ein Schadensersatz neben der Leistung. Wenn nein, dann ist es ein Schadensersatz statt der Leistung! Die Unterscheidung ist sehr wichtig, um die richtige Anspruchsgrundlage zu finden und ist bis ins Examen relevant.

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Beitragsautor:

Lisa-Marie Schuchardt

Lisa-Marie Schuchardt

Lisa-Marie absolvierte nach ihrem Jurastudium ein Auslandsstudium in Aberdeen für den Master of Laws (LL.M.). Zu Beginn ihrer Tätigkeit bei uns schrieb sie hauptsächlich über das Studium. Im Anschluss dessen berichtete sie von ihrem Masterstudium. Außerdem leistete sie einen maßgeblichen Beitrag für unsere #Gewusst-Reihe.

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