Das Pferderecht in der Klausur
Pferde sind nicht mehr nur ein großer Wirtschaftsfaktor. Mittlerweile gibt es Anwälte, die sich nur auf „Pferderecht“ spezialisiert haben. Insbesondere Dressur- und Springreitpferde bringen große Summen Umsatz, sodass um sie regelmäßig vor Gericht gestritten wird. Die dazugehörige Rechtsprechung bietet Stoff für Klausuren, Hausarbeiten und das Examen. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit den aufsehenerregendsten Fällen der neueren Rechtsprechung.
Kaufrechtliche Mängelrechte
Das LG Kiel (Urt. v. 22.11.2018) hat festgestellt, ein ersteigertes Pferd müsse bezahlt werden, auch wenn es krank ist, soweit der Käufer den Verkäufer nicht erst zur Nacherfüllung aufgefordert habe. Ohne Nacherfüllungsverlangen sei kein Rücktritt möglich. Laut BGH (Urt. v. 24.11.2009, Az. VIII ZR 124/09) ist sogar eine Neulieferung möglich, auch wenn der Kauf des Pferdes einen Stückkauf dargestellt hat. Dies gilt jedoch nur solange, wie die genauen Eigenschaften des Pferdes und eine Konkretisierung auf genau dieses Pferd nicht erfolgt ist, wie im Falle eines „Anfängerpferdes“ beim OLG Oldenburg (Urt. v. 01.02.2018, 1 U 51/16).
Relevant sind insbesondere auch Verbrauchsgüterkaufvorschriften, wenn der Verkäufer Unternehmer iSv. §14 BGB ist und der Käufer ein Verbraucher iSv. §13 BGB. Im BGH Urt. v. 18.10.2017, Az. VIII ZR 32/16 wurde festgestellt, dass ein Reitlehrer kein Unternehmer ist, wenn die Ausbildung und der Verkauf des Pferdes nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen und seine selbstständige berufliche Tätigkeit darstellen.
Das Pferd sei dabei am Maßstab aus §434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB zu messen, wenn die Verwendung des Tieres als Reitpferd festgelegt sei. Weiterhin ist ein Röntgenbefund kein Mangel, solange das Pferd klinisch unauffällig ist und sich zum Reiten eignet (Fortsetzung aus BGH Urt. v. 07.02.2007, Az. VIII ZR 266/06). Die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung zukünftiger Symptome ist nur relevant, wenn sie erheblich sind. Es hätte eine Beschaffenheitsvereinbarung getroffen werden müssen, damit der Käufer zum Rücktritt berechtigt wäre.
Der BGH hat in seinem Urt. v. 09.10.2019, Az. VIII ZR 240/18 festgestellt, dass das reine Leben eines Pferdes das Sachmängelrisiko steigert. Es gäbe sowohl eine nutzungs- als auch eine lebensaltersbedingte Steigerung des Sachmangelrisikos. Ein 2,5 Jahre altes Pferd sei nicht mehr neu, auch wenn das Pferd bis dato weder geritten noch angeritten war. Stellt sich beim Käufer ein Mangel heraus, sodass das Pferd nicht reitbar ist, kann der Käufer das ersteigerte Pferd nicht zurückgeben, auch wenn er Verbraucher ist (in diesem Falle auf Grund von Verjährung). Das Pferd ist hier gebrauchte Sache iSd. §474 Abs. 2 S. 2 BGB. Bei einer Versteigerung von gebrauchten Sachen, an der der Verbraucher persönlich teilnehmen kann, gelten die Verbraucherschutzvorschriften nicht, daher war hier die Verkürzung der Gewährleistungsfrist durch AGB rechtens. Dabei wurden durch den BGH keine allgemeingültige Altersgrenze festgelegt. Tiere sind eben keine Sachen, sondern Lebewesen (vgl. §90a BGB) und müssen individuell beurteilt werden.
Daran knüpft der BGH, indem er feststellt: Ein Pferd ist nicht mit einem Gebrauchtwagen vergleichbar. Wenn bei einem Pferd eine Verletzung ausgeheilt ist, stellt diese keinen Sachmangel iSv. §434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB dar (BGH Urt. v. 20.10.2019, Az. VIII ZR 69/18). Völlig ausgeheilte Rippenfrakturen sind ohne eine Beschaffenheitsvereinbarung kein Sachmangel. Der Verkäufer hat dafür einzustehen, dass bei Gefahrenübergang das Tier nicht krank ist. Lebewesen können jedoch immer Abweichungen vom Idealzustand aufweisen. (so auch schon BGH Urt. v. 18.10.2017, Az. VIII ZR 32/16).
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Haftungsfragen rund ums Pferd
Außerdem beliebt: Haftungsfragen rund um das Deliktsrecht!
In BGH Urt. v. 24.04.2018, Az. VI ZR 25/17 begehrte eine Pferdehalterin gegen eine andere Pferdehalterin Schadensersatz nach §833 S. 1 BGB iVm. §830 Abs. 1 S. 2 BGB, weil ihr Pferd lahmte, nachdem es angeblich von dem anderen Pferd getreten wurde. Der BGH stellte fest, dass allein der Umstand, dass es nicht feststeht, ob das Pferd das andere Pferd getreten habe, unerheblich sei. Jedoch entstünde auch keine gesamtschuldnerische Haftung gegen andere Tierhalter. §833 S. 1 BGB sei schon nicht erfüllt, denn es setzt voraus, dass der Unfall eine spezifische oder typische Gefahr des Tieres verwirklicht, welche aus einem der Natur entsprechenden, unberechenbaren und selbstständigen Verhalten des Tieres resultiert und dies für die Entstehung des Schadens adäquat ursächlich geworden sei. §830 BGB helfe zwar bei Kausalitätszweifeln, allerdings nur, wenn das Verhalten aller in Frage kommenden Tiere eine spezifische Tiergefahr war. Ein Tritt des Pferdes gegen ein anderes sei schon keine spezifische Tiergefahr.
Dazu passt auch OLF Frankfurt a.M., Hinweisbeschl. v. 07.02.2018, Az. 11 U 153/17. Wer einen freilaufenden Hund auf einen Ausritt mitnimmt, kann den Hundehalter nicht auf Schadensersatz nach §833 BGB in Anspruch nehmen, wenn sich das Pferd erschreckt und den Reiter abwirft. Mit einer solchen Reaktion des Pferdes sei zu rechnen. Eine spezifische Pferdegefahr besteht nach OLG Hamm (Urt. v. 22.04.2015, Az. 14 U 19/14), wenn das Pferd den Hufschmied tritt.
Das OLG Celle (Urt. v. 14.03.2016, Az. 20 U 30/13) beschloss, dass ein Landwirt, der beim Wässern seines Ackers eine angrenzende Pferdeweide trifft, seine Verkehrssicherungspflichten verletzte. Die Pferde können in Panik geraten, die Flucht ergreifen und dabei tödlich verunglücken. Eine mangelnde Kenntnis über das Pferdeverhalten sei unerheblich, der Landwirt müsse sicherstellen, dass er nur sein Grundstück trifft, sonst handelt er fahrlässig iSv. §823 Abs. 1 BGB.
Für Aufsehen sorgte auch das Urteil des OLG München (Urt. v. 09.01.2020, Az. 1 U 3011/19). Ein Veterinär haftet für Tod eines Sportpferdes durch einen anaphylaktischen Schock nach Verabreichung eines homöopathischen Mittels gegen Husten, wenn er über Risiken der Behandlung nicht aufgeklärt hat.
Irrtum rund ums Pferd
Zuletzt ist noch ein Urteil zu erwähnen, das aus der Reihe fällt:
Das OLG Hamm (Urt. v. 04.04.2019, 5 U 40/18) hat eine Abgrenzung zum Inhaltsirrtum §119 Abs. 1 BGB und des Eigenschaftsirrtums nach §119 Abs. 2 BGB vorgenommen und festgestellt, dass beim Pferd Alter und Stammbaum wertbildende Merkmale sind und daher verkehrswesentliche Eigenschaften iSv. §119 Abs. 2 BGB. In diesem Fall tummeln sich auch sachenrechtliche Problematiken, sodass sich ein Blick in die Entscheidung lohnt.
Fazit
Zusammenfassend bieten Pferdefälle wunderbare Konstruktionen rund um das Mängelgewährleistungsrecht und das Deliktsrecht. Daher sollte hier immer auf die neuste Rechtsprechung geachtet werden, sowohl durch die Oberlandesgerichte als auch durch den BGH.