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Basiswissen VwGO: Die Verwaltungsgerichtsordnung im Zweiten Staatsexamen

By 10. März 2022Oktober 11th, 2023No Comments

Die wichtigsten Normen für das Assessorexamen im Überblick

Während im Straf- und Zivilrecht für das Referendarsexamen hauptsächlich materiell-rechtliche Probleme erlernt werden und das notwenige Prozessrecht erst im Referendariat vertieft wird, kommst du im Öffentlichen Recht schon während deiner Unizeiten mit dem Prozessrecht der VwGO in Kontakt. Zur Vertiefung soll dieser Beitrag die relevantesten Normen aus der Verwaltungsgerichtsordnung darstellen, die für das Bestehen des Zweiten Examens zusätzlich notwendig werden.

Im Beitrag Grundwissen Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) findest Du bereits einen Überblick über die verschiedenen verwaltungsrechtlichen Klagearten. Vertiefte Ausführungen zu den Klagearten findest du indes in der dritten Ausgabe unseres kostenfreien Digitalmagazins examensrelevant.

Grundwissen VwGO

Die bereits für das Erste Staatsexamen erlernten verfahrensrechtlichen Besonderheiten zu den jeweiligen Klagearten (§§ 40 ff. VwGO) und dem Vorverfahren (§§ 68 ff. VwGO) gehören zweifelsohne auch im Assessorexamen zu den absoluten Basics. In der Zweiten Juristischen Staatsprüfung spielen noch weitere Normen eine zentrale Rolle, die sicher beherrscht werden müssen.

Gerichtliche Zuständigkeiten, §§ 45 ff., 52 VwGO müssen bestimmt werden, um eine Klage am richtigen Verwaltungsgericht zu erheben. Die sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus den §§ 45 ff. VwGO. Im normalen Klausurfall im ersten Rechtszug ist dies in der Regel das Verwaltungsgericht gemäß § 45 VwGO. Für spezielle Sachverhalte ist das Oberverwaltungsgericht erstinstanzlich gemäß §§ 47, 48 VwGO zuständig. Hier solltest du das Gesetz aufmerksam lesen. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts in erster Instanz ist in § 50 VwGO normiert. Die örtliche Zuständigkeit resultiert auf § 52 VwGO. In den Fällen der Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen ist dies stets das Verwaltungsgerichts, in dessen Bezirk der Verwaltungsakt erlassen oder beantragt wurde. Im Übrigen gilt das Wohnsitzprinzip.

Die förmliche Zustellung ist gemäß § 56 Abs. 1 VwGO notwendig, wenn dies im Gesetz vorgeschrieben ist. Wichtigstes Beispiel ist die Zustellung des Widerspruchsbescheids gemäß § 73 Abs. 3 VwGO.

Absoluter Klausurklassiker ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 VwGO. Die Wiedereinsetzung ist immer dann zu prüfen, wenn eine gesetzlich vorgeschriebene Frist vermeintlich versäumt wurde.

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Denke immer daran, dass die VwGO nur im gerichtlichen Verfahren (Klage- oder Eilrechtsverfahren) Anwendung findet. Für das Widerspruchsverfahren und die verfahrensrechtlichen Besonderheiten im Ausgangsverfahren halten die jeweils geltenden Landesgesetze eigene Regeln bereit. Die Verwaltungsgerichtsordnung wird nicht angewendet.

Prozessuale Besonderheiten

Gemäß § 65 VwGO kann oder muss das Gericht in einigen Fällen die Beiladung Dritter anordnen. Beizuladen sind solche Dritte, deren Interessen durch das Urteil berührt werden. Beigeladene werden im Rubrum unter der Kläger- und Beklagtenpartei mit ladungsfähiger Anschrift aufgeführt. Gemäß § 121 VwGO erstreckt sich die Rechtskraft des Urteils auch auf sie.

In einfach gelagerten Fällen soll das Gericht die Entscheidung einem Einzelrichter gemäß § 6 Abs. 1 VwGO übertragen werden. Dies muss zu Beginn der Entscheidungsgründe im Urteil kurz dargelegt werden. In der Urteilsformel wird der Zusatz Richter am Verwaltungsgericht als Einzelrichter aufgenommen.

Ohne mündliche Verhandlung und durch Gerichtsbescheid kann gemäß § 84 Abs. 1 VwGO in Sachverhalten entscheiden, die keine besondere Schwierigkeit aufweisen. Die Entscheidung wird nicht mit Urteil, sondern mit Gerichtsbescheid überschrieben. Ehrenamtliche Richter wirken nicht mit. Neben der Berufung haben die Beteiligten die Möglichkeit, die Durchführung der mündlichen Verhandlung zu beantragen. Dann gilt der Gerichtsbescheid als nicht ergangen. Darauf ist in der Rechtsmittelbelehrung hinzuweisen. Ein Gerichtsbescheid ist in der Regel nur nach eindeutigem Hinweis im Bearbeitervermerk zu verfassen.

Die Klageänderung richtet sich entweder nach § 173 VwGO i.V.m. § 264 ZPO oder nach § 91 VwGO. Erstere ist dann einschlägig, wenn eine der Fallgruppen des § 264 ZPO vorliegt, etwa bei einem Übergang von der Verpflichtungsklage zur Feststellungsklage nach Erledigungserklärung oder bei einem zusätzlichen Annexantrag gemäß § 113 Abs. 1 S. 2 VwGO. Im Rahmen des § 91 VwGO darf der Absatz zwei nicht übersehen werden, wonach rügelose Einlassung auf die Klageänderung erfolgen kann.

Die Klagerücknahme gemäß § 92 VwGO hat zur Folge, dass das Verfahren eingestellt wird (§ 92 Abs. 3 VwGO). Bleibt ein Teil der Klage rechtshängig, muss im Tenor des Urteils die Einstellung deklaratorisch ausgesprochen werden und über den restlichen Teil eine Entscheidung im Übrigen ergehen. Nach Beginn der mündlichen Verhandlung kann nur mit Zustimmung des Gegners zurückgenommen werden. Die Einstellung ist unanfechtbar und die Rücknahme unwiderruflich, es kann jedoch erneut Klage erhoben werden.

Eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung ist gemäß § 101 Abs. 2 VwGO möglich, wenn alle Beteiligten einverstanden sind. Das Einverständnis zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung solltest du in den Zweckmäßigkeitserwägungen der Anwaltsklausur stets im Hinterkopf haben.

Die übereinstimmende Erledigung ist in § 161 Abs. 2 VwGO geregelt. Die Entscheidung ergeht als Beschluss. Ob tatsächlich ein erledigendes Ereignis eingetreten ist, wird seitens des Gerichts nicht überprüft. Das Verfahren wird lediglich analog § 92 Abs. 3 VwGO unanfechtbar eingestellt. Ist bereits ein Urteil ergangen, wird dieses unwirksam. In den Gründen I. ist darzustellen, warum die Einstellung erfolgt ist. Sodann ist lediglich nach billigem Ermessen über die Kosten zu entscheiden. Dabei kommt es darauf an, wer ohne Erledigungserklärung die Kosten zu tragen gehabt hätte.

Die einseitige Erledigung ist nicht gesetzlich normiert und § 161 Abs. 2 VwGO findet auch keine analoge Anwendung. Sie ist eine Klageänderung sui generis, denn nur so ist es dem Kläger möglich, einer negativen Kostenentscheidung zu entgehen. Eine Klagerücknahme würde zur Kostentragung gemäß § 155 Abs. 2 VwGO führen, bei einer Fortsetzungsfeststellungklage würde noch eine Sachentscheidung ergehen, die im Falle der Erledigung jedoch nicht mehr gewünscht ist. Voraussetzung für die einseitige Erledigung ist, dass dem Klagebegehren nach Klageerhebung durch ein außerprozessuales Ereignis die Grundlage entzogen wird und die Klage dadurch ihre Erfolgsaussichten verliert. Aus welchem Grund einseitig für erledigt erklärt wird, ist irrelevant. Ob im Rahmen der einseitigen Erledigung auch zu Zulässigkeit und Begründetheit der ursprünglichen Klage überprüft wird, ist umstritten. Die herrschende Meinung will dies nur dann zulassen, wenn der Beklagte ein berechtigtes Interesse an der Sachentscheidung hat. Denn der Beklagte hat stets die Möglichkeit, der Erledigung zuzustimmen und dadurch eine Überprüfung gemäß § 161 Abs. 2 VwGO zu veranlassen. Zur Bewertung des berechtigten Interesses werden die Fallgruppen der Fortsetzungsfeststellungsklage herangezogen. Der Tenor entspricht dem einer Feststellungsklage.

Nebenentscheidung

Im Urteil ergeht eine Kostengrundentscheidung gemäß §§ 154 ff. VwGO. Der unterliegende Teil hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Bei anteiligem Unterliegen und Obsiegen wird eine Quote erstellt, eine Vorschrift entsprechend § 92 Abs. 2 ZPO existiert in der Verwaltungsgerichtsordnung nicht. Die Kosten werden in der Regel nicht gegeneinander aufgehoben, da die Beklagte in der Regel nicht anwaltlich vertreten ist und damit nur geringe außergerichtliche Kosten hat.

Die Kosten für die Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts im Vorverfahren können gemäß § 162 Abs. 2 S. 2 VwGO ebenfalls erstattet werden, wenn die Bevollmächtigung für notwendig erklärt wird. Dies ist besonders bei rechtlich oder tatsächlich schwierigen Sachverhalten der Fall.

Die Kosten des Beigeladenen werden gemäß § 162 Abs. 3 VwGO nur erstattet, wenn dieser selbst einen Antrag gestellt hat, sich also gemäß § 154 Abs. 3 VwGO ebenfalls dem Kostentragungsrisiko ausgesetzt hat.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 167 VwGO, welcher auf die Vorschriften der Zivilprozessordnung verweist. Bei Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen sowie der Fortsetzungsfeststellungsklage ist entsprechend § 167 Abs. 2 VwGO nur die Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.

In der Rechtsmittelbelehrung ist auf den Antrag auf Berufung gemäß §§ 124a Abs. 4, 124 Abs. 1 VwGO hinzuweisen.

Fazit

Die Kenntnis und das Verständnis der beschriebenen Normen sind unverzichtbar für die Klausur im Assessorexamen. Mit ihnen kann eine solide Klausur verfasst werden. Weitere Normen, die weniger relevant aber durchaus einen kurzen Blick wert sind, sind die zur verwaltungsgerichtlichen Vollstreckung nach §§ 167 ff. VwGO sowie die Normen zur Klageerhebung und Inhalt der Klageschrift §§ 81, 82 VwGO. Hier werden immer mal wieder kleinerer Probleme in Klausuren eingebaut.

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Beitragsautor:

Isabelle Mewes

Isabelle Mewes

Isabelle absolviert ihren juristischen Vorbereitungsdienst am Landgericht Mainz. Für JurCase gibt sie Einblicke in ihr Referendariat. Daneben teilte sie Erfahrungen über ihr Ehrenamt zu Studienzeiten bei ELSA mit. Sie beschäftigt sich außerdem mit Schlüsselqualifikationen.

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