Eine nicht nur akademische Unterscheidung
Bei Delikten mit mehreren Beteiligten gibt es meistens eine Teilnahmeproblematik. Teilnehmer sind diejenigen, die nicht Täter iSd. §25 StGB sind. Eine Teilnahme ist deshalb grundsätzlich nur an Vorsatzdelikten möglich, nicht aber an Fahrlässigkeitsdelikten. Bei der Teilnahme wird jeder unabhängig von der Schuld der Anderen bestraft. Nach herrschender Meinung der akzessorietäts-orientierten Verursachungstheorie ist der Strafgrund der Teilnahme die Förderung bzw. Mitverursachung der Haupttat, denn auch der Teilnehmer verletze zumindest mittelbar das tatbestandlich geschützte Rechtsgut. Meistens ist dabei zu unterscheiden, ob eine Anstiftung oder eine Beihilfe vorgelegen hat.
Die Anstiftung
Es muss zunächst eine vorsätzlich vollendete oder versuchte rechtswidrige Haupttat vorliegen, §26 StGB. Der Anstifter muss den Täter zur Tat bestimmt haben. Bestimmen ist dabei jedes Hervorrufen des Tatentschlusses beim Haupttäter, wofür jede Form der psychischen Beeinflussung in Frage kommt. Dabei muss es zumindest einen geistigen Kontakt geben, mit dem der Wille des Haupttäters beeinflusst wird. Der Bundesgerichtshof [BGH] hält alle Äußerungen für tatbestimmend, die dazu geeignet sind, den Haupttäter tatbereit zu machen. Eine Anstiftung kann nicht durch Unterlassen begangen werden. Beim Unterlassen fehlt der für die Anstiftung typische „Anstoß“ zur Tat. Allerdings ist eine Anstiftung zum Unterlassen möglich!
Eine besondere Schwierigkeit ergibt sich, wenn der Täter bereits zur Tat entschlossen ist (omnimodo facturus). Der Täter kann dann nicht mehr zur Tat bestimmt werden und es kommt nur noch psychische Beihilfe in Betracht. Allerdings ist in diesem Falle nach herrschender Meinung noch eine Aufstiftungmöglich, wenn der Täter entschlossen war, das Grunddelikt zu begehen und zur Begehung der qualifizierten Form aufgestiftet wird. Der Täter könnte z. B. entschlossen sein, einen Raub zu begehen und wird vom Anstifter dazu bestimmt, einen qualifizierten Raub iSd. §250 StGB zu begehen. Da das qualifizierte Delikt nach herrschender Meinung eine eigenständige, im Unrecht nicht teilbare Tat sei, kann hier eine Anstiftung in Betracht kommen.
Anders sieht es bei der Abstiftung aus. Hier verringert der Teilnehmer das Unrecht, da er den Täter zu einem geringeren Delikt bestimmt, beispielsweise zu Diebstahl statt zu Raub. Daher scheidet eine Strafbarkeit des Teilnehmenden aus.
Im subjektiven Tatbestand der Anstiftung muss ein Anstiftervorsatz vorliegen, sowohl in Form eines Doppelvorsatzes bezüglich des Erfolges der Haupttat als auch bezüglich des eigenen Bestimmens zu dieser Tat. Exzesse der Haupttat werden dabei nicht erfasst, denn die Haupttat muss hinreichend konkretisiert sein.
Ein weiteres interessantes Problem ist der sogenannte agent provocateur. Dies ist meistens ein Polizist, ein V-Mann, ein Verdeckter Ermittler, der gar keinen Vorsatz bezüglich des Erfolges der Haupttat hat, da der Haupttäter vor Erfolgseintritt festgenommen werden soll. Eine Teilnahmestrafbarkeit scheidet damit aus. Für den Täter muss im Rahmen der Strafzumessung eine Milderung auf Grund von Art. 6 EMRK angerechnet werden, da ihn der agent provocateur zu dieser konkreten Tat erst bestimmt hat und er diese Tat ohne die Anstiftung wohl nicht begangen hätte (allerdings wurden meistens vorher bereits Straftaten begangen und dieses Vorgehen dient nur zur Verhaftung des Täters).
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Die Beihilfe
Wie bei der Anstiftung muss auch für die Beihilfe iSd. §27 StGB eine vorsätzliche, mindestens versuchte, rechtswidrige Haupttat vorliegen. Der Teilnahmebeitrag ist hier das Hilfeleisten zur Haupttat im Rahmen eines Förderns. Das kann auch vorliegen, wenn die Haupttat erst viel später erfolgt. Laut BGH muss der Gehilfenbeitrag für die Haupttat auch nicht kausal geworden sein, d. h. er kann hinweggedacht werden, ohne, dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele. Allerdings fallen Alltagshandlungen nicht unter die Beihilfestrafbarkeit.
Zur Beihilfe ist ein geistiger Kontakt zum Haupttäter nicht erforderlich. Ein bloßes Handeln im Hintergrund ohne Wissen des Haupttäters ist ausreichend. Daher ist auch eine Beihilfe durch Unterlassen möglich.
Bei der psychischen Beihilfe ist ein technischer Rat ausreichend. Umstritten ist, ob auch neutrale Handlungen, die berufstypisch sind, umfasst werden können, etwa das Verkaufen von Werkzeugen oder Waffen in einem Laden. Ein Teil der Rechtsprechung und Literatur bewertet dies anhand des Kriteriums des erlaubten Risikos. Das Verhalten soll im strafbaren Bereich sein, wenn das erlaubte Risiko durch die Hilfeleistenden überschritten wird, ansonsten sei die objektive Zurechnung nicht gegeben. Der überwiegende Teil der Rechtsprechung arbeitet mit dem Kriterium der „Förderung eines erkennbar Tatgeneigten“ und stellen auf ein hinreichendes Wissen des Hilfeleistenden hinsichtlich der Tatbegehung ab. Wie auch bei der Anstiftung muss ein doppelter Vorsatz hinsichtlich des Erfolgs der Haupttat als auch bezüglich des Hilfeleistens vorliegen.
Unterscheidung
Die Anstiftung ist das Hervorrufen des Tatentschlusses. Im Gegensatz dazu wird bei der Beihilfe eine Haupttat gefördert, zu der bereits ein Tatentschluss vorlag. Die Beihilfe muss auch nicht kausal zur Haupttat sein, wohingegen jede Form der psychischen Beeinflussung eine Anstiftung sein kann. Nach herrschender Meinung muss bei der Anstiftung zumindest ein geistiger Kontakt mit Willensbeeinflussung stattfinden. Bei der Beihilfe reichen auch Alltagshandlungen aus. Dabei ist auch kein geistiger Kontakt erforderlich. Hier ist allerdings auch eine psychische Stärkung ausreichend. Der Versuch der Beihilfe ist nicht strafbar, der Versuch der Anstiftung hingegen schon, wenn der Anstiftervorsatz hinreichend konkretisiert und vorbehaltlos ist, siehe Umkehrschluss aus §30 StGB. Anstiftung und Beihilfe können in der Klausur anhand dieser Kriterien gut unterschieden werden!