Eine Checkliste für die etwas andere Revisionsklausur im Strafrecht im Zweiten Staatsexamen
Häufig ist eine der beiden Strafrechtsklausuren im Assessorexamen eine Revisionsklausur. Dabei wird aus der Sicht eines Anwalts, der einen fiktiven Mandanten berät, die Erfolgsaussicht einer Revision gegen ein erstinstanzliches Urteil überprüft und gegebenenfalls die entsprechenden Anträge an das Gericht ausformuliert.
Immer wieder werden jedoch auch die weniger geläufigen Typen der Revisionsklausur abgefragt. Etwa die Revision aus Sicht der Staatsanwaltschaft, aus Sicht des Nebenklägers oder die Revision gegen ein zweitinstanzliches Urteil, das Berufungsurteil. Besonders letzterer Typ wird in Arbeitsgemeinschaften oder Repetitorien häufig nicht geübt und auch geläufige Skripte enthalten wenige bis keine Informationen über die Revision gegen das Berufungsurteil.
Das Vorgehen in der Klausur ist dabei weitgehend identisch mit dem gegen ein Urteil der ersten Instanz. Dennoch gibt es einige Besonderheiten, die es zu kennen lohnt.
JurCase informiert:
Durch ein wenig Blättern in Gesetz und Kommentar wirst du in der Klausur schnell die relevanten Normen finden. Kennst du die wichtigsten Probleme jedoch bereits, bleibst du trotz der vermutlich ungewohnten Situation ruhig und sparst wertvolle Zeit, die du in die Ausarbeitung deines Gutachtens investieren kannst.
Vorgehen in der Klausur
Achtung: In der Revision gegen das Berufungsurteil wird ausschließlich dieses überprüft! Die Entscheidung erster Instanz wird hier nicht mehr untersucht. Lass dich also nicht von einem (auszugsweise) abgedruckten amtsgerichtlichen Urteil in die Irre führen! Dies wird nicht auf seine Richtigkeit hin beleuchtet.
I. Zulässigkeit der Revision
In der Prüfung der Zulässigkeit sind keine Abweichungen vom bekannten Schema zu beachten. Gemäß § 333 StPO ist die Revision zulässig gegen Urteile der Strafkammern des Landgerichts, unbeachtlich ob diese aus erster oder zweiter Instanz stammen.
Im Rahmen der Beschwer darf dem Verurteilten im Rahmen der Berufung keine Abhilfe auf sein Berufungsbegehren geschafft worden sein.
II. Begründetheit der Revision
In der Begründetheit der Revision gibt es dagegen ein paar Fallhöhen. Mit dem entsprechenden Wissen können diese jedoch einfach umgangen werden und deine Note erheblich in die Höhe schnellen.
- Statthaftigkeit der Berufung
Die Statthaftigkeit der Berufung hat das Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen. Fehlt diese, liegt schon ein Verfahrenshindernis vor und das Berufungsurteil hätte nicht ergehen dürfen. Die Folge ist, dass das Berufungsurteil aufgehoben und die Berufung als unzulässig verworfen werden muss. Das amtsgerichtliche Urteil wird wiederhergestellt. Wann die Berufung statthaft ist, ergibt sich aus § 312 StPO. Danach sind alle Urteile von Strafrichter und Schöffengericht der Berufung zugänglich.
- Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot
Auch in der Berufungsinstanz gilt gemäß § 331 StPO das Verbot der Reformatio in peius. Das Revisionsgericht prüft auch die Einhaltung des § 331 StPO in der Vorinstanz von Amts wegen. Ein Verstoß stellt ein Verfahrenshindernis dar.
- Prüfungsmaßstab des Berufungsgerichts
Gemäß § 327 StPO ist das Berufungsgericht an die Berufungsanfechtung gebunden, auch wenn diese nur beschränkt erfolgte. Nicht angefochtene Urteilsfeststellungen entfalten Bindungswirkung. Das Revisionsgericht überprüft von Amts wegen, ob sich das Berufungsgericht darangehalten hat. Sollte es fehlerhaft über nicht angefochtene Feststellungen oder die Schuldfrage neu entschieden haben, so ist die Revision erfolgreich. Das Berufungsurteil muss auch ohne ausdrückliche Rüge aufgehoben werden.
Achtung: Dies stellt in der Klausur häufig dann einen revisibelen Fehler dar, wenn die Berufungsbegründung oder die Berufungsanträge in dem Aktenauszug abgedruckt sind.
- Zuständigkeit in erster Instanz
Ein Verfahrenshindernis besteht auch dann, wenn das Berufungsurteil eine Strafe erkennt, die nicht zum Zuständigkeitsbereich des Amtsgerichts in erster Instanz gehört. Etwa, wenn die Berufungsinstanz eine Freiheitsstrafe von über vier Jahren verhängt. Es liegt eine Missachtung der Strafkompetenz des Amtsgerichts vor und das Berufungsgericht hätte gemäß § 328 Abs. 2 StPO an das zuständige Gericht verweisen müssen.
- Gang der Berufungshauptverhandlung
Während die Revision gegen ein erstinstanzliches Urteil bereits begründet ist, wenn in der Hauptverhandlung der Anklagesatz der Staatsanwaltschaft gemäß § 243 Abs. 3 S. 1 StPO nicht verlesen wurde, ist es unschädlich, wenn dieser in der Berufungsinstanz nicht erneut verlesen wurde. Für den Gang der Berufungshauptverhandlung gelten gemäß § 332 StPO die Normen über de Hauptverhandlung im ersten Rechtszug, von zentraler Bedeutung ist jedoch § 324 StPO. Dieser enthält einige Besonderheiten, die von dem Gang der Hauptverhandlung gemäß § 243 StPO abweichen:
§324 Abs. 1 S. 1 StPO: Der Berichterstatter hält einen Vortrag über die Ergebnisse des bisherigen Verfahrens. Der Berichterstatter ist in der Regel der Vorsitzende der zuständigen kleinen Strafkammer. Zu den Ergebnissen des Verfahrens gehört auch das Ermittlungsverfahren, soweit es für die Berufung von Bedeutung ist. Auch die Berufungsbegründung ist vorzutragen und darf verlesen werden.
§324 Abs. 1 S. 2 StPO: Anstelle des Anklagesatzes der Staatsanwaltschaft wird das Urteil erster Instanz verlesen, soweit es für die Berufung relevant ist.
Dies ist bei solchen Urteilsfeststellungen nicht der Fall, die etwa nur Mitangeklagte betreffen oder solche, die nicht angefochten werden. Beweiswürdigung und Strafzumessung sind von der Verlesung nach Möglichkeit auszunehmen, zwingend ist dies nicht.
Eine Ausnahme vom Verlesungsgebot besteht bei Verzicht der Beteiligten gemäß § 324 Abs. 1 S. 2 Hs. 2 StPO.
Wurde das Berufungsurteil durch das Revisionsgericht aufgehoben und an das Berufungsgericht zurückverwiesen und es fand eine erneute Berufungshauptverhandlung statt, ist auch die Verlesung des aufgehobenen Urteils zulässig und teilweise zwingend erforderlich.
Sinn und Zweck der Berichterstattung und der Verlesung ist die Klarstellung des Verhandlungsgegenstands und das Hervorheben der relevanten rechtlichen Gesichtspunkte. Es handelt sich um protokollierungsbedürftige wesentliche Bestandteile der Hauptverhandlung gemäß § 273 Abs. 1 StPO.
Bei Verstoß liegt ein relativer Revisionsgrund gemäß § 337 StPO vor, der zur Revisionsbegründung führen kann, soweit das Urteil auf dem Fehler beruht.
§324 Abs. 2 StPO: Wird der Angeklagte in der Berufungshauptverhandlung nicht erneut zur Sache vernommen, ist das Urteil zwingend aufzuheben.
- Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme
§325 StPO enthält eine Erleichterung bei der Verlesung von Urkunden. Im Übrigen gilt jedoch das bekannte Gebot der Unmittelbarkeit, sodass ein Revisionsgrund vorliegt, wenn Protokolle über Aussagen von Zeugen aus der erstinstanzlichen Hauptverhandlung entgegen § 325 Hs. 2 StPO verlesen wurden.
- Revision gegen Verwerfungsurteil
Bleibt der Angeklagte in der Berufungshauptverhandlung aus, wird die Berufung gemäß § 329 Abs. 1 StPO verworfen. Gegen ein zu Unrecht ergangenes Verwerfungsurteil ist die Revision gemäß § 333 StPO ebenfalls statthaft. Überprüft wird seitens des Revisionsgerichts lediglich § 329 StPO, insbesondere ob der Angeklagte ordnungsgemäß geladen oder rechtzeitig entschuldigt war. Nachträgliches Vorbringen ist unbeachtlich.
Fazit
Da der Klausurtyp Vielen eher unbekannt ist, kommt in der Klausur schnell Panik auf. Du siehst aber, mit nur wenig Mehraufwand lassen sich die wichtigsten Rügen in der Klausur im Rahmen der Revision gegen das Berufungsurteil finden. Es lohnt sich, die genannten Normen einmal nachzuschlagen. So bleibst du ruhig und weißt, wonach du in der Klausur Ausschau halten solltest.