Was zählt beim Karrierestart: Gute Noten oder gute Kontakte?
Wie wertvoll ist „Vitamin B“ in der Juristenwelt?
Wenn man Biografien erfolgreicher Unternehmer liest, stößt man immer wieder auf eine gemeinsame Kernaussage: Ohne Vitamin B geht eigentlich gar nichts! Dabei versteht man unter dem Begriff Vitamin B in der Umgangssprache die Vorteilsannahme persönlicher Beziehungen bzw. Bekanntschaften zu potenziellen Vorgesetzten, Kollegen oder Geschäftspartnern.
Ob dies auch in der Juristenwelt von solch unschätzbarem Wert ist, möchte ich in diesem Blog-Beitrag ein wenig ausführen.
So unterliegen viele dem Trugschluss, dass einem bereits mit dem Erreichen von guten Noten sämtliche Karriereoptionen in den Schoß fallen. In der Realität zeigt sich aber oft, dass man auch mit weniger guten Noten seinen Traumjob ergattern kann.
Frühzeitig Kontakte knüpfen
Studierenden und Referendaren kann ich nur raten, sich frühzeitig mit anderen Kollegen und Kolleginnen zu vernetzen. Möglichkeiten bieten sich gerade in der digitalen Welt sehr viele. Ob in Foren, Karriereportalen oder sozialen Netzwerken – überall bieten sich Möglichkeiten des Austauschens und des Vernetzens. Zudem bieten neben Universitäten auch Messeveranstalter viele Veranstaltungen an, wie etwa die JuraCon in Frankfurt und München, um mit zukünftigen Arbeitgebern in erste Gespräche zukommen. Ich persönlich war immer ein großer Fan davon, mich in sozialen Netzwerken, beispielsweise in Forengruppen für Juristen, mit anderen Kollegen und Kolleginnen auszutauschen. So habe ich nicht nur neue Bekanntschaften, sondern auch viele geschäftliche Kontakte knüpfen können. Eine Bereicherung fand ich zum einen darin, dass man so erfahren konnte, dass viele andere Kollegen dieselben Probleme teilen und man so auch gemeinsame Lösungsansätze finden konnte.
Es gibt natürlich auch Kollegen und Kolleginnen, die bewusst keine sozialen Medien nutzen (z.B. aufgrund datenschutzrechtlicher Bedenken). Aber auch offline bieten sich zahlreiche Möglichkeiten, sich zu vernetzen.
Berufliche Chancen
Gerade diejenigen, die schon frühzeitig aktiv geworden sind und sich bewusst mit anderen Kollegen und Kolleginnen vernetzt haben, berichten einstimmig, dass sie bis heute beruflich von diesen Kontakten profitieren. So kommt es etwa vor, dass Anwaltskollegen mir solche Mandate vermitteln, die nicht in ihr Tätigkeitsfeld fallen. Auf der anderen Seite kenne ich immer passende Ansprechpartner, wenn ein spezielles Problem gelöst werden muss. Beispielhaft sei etwa die Abwicklung eines Verkehrsunfalls zu nennen, bei der man häufig auch ein Gutachten einholen muss. Vorteilhaft ist es dann natürlich, wenn man bereits einen zuverlässigen und bekannten Kfz-Gutachter kennt, den man den Mandanten empfehlen kann. Auf der anderen Seite werden regelmäßig potenzielle Mandanten an einen Gutachter herantreten, wenn Sie auf der Suche nach einem Verkehrsrechtler sind.
Referendaren kann ich z.B. den Tipp geben, sich bereits in ihren Stationen Gedanken darüber zu machen, welchen beruflichen Weg sie weitergehen wollen. So bieten sich etwa später größere Chancen, in einer Kanzlei übernommen zu werden, wenn man bereits in seiner Referendarstation mit guter Arbeit überzeugen konnte. So habe ich etwa meine jetzt bestehende Bürogemeinschaft mit meinen ehemaligen Ausbildern aus der Anwaltsstation gegründet.
Noten sind nicht immer entscheidend
Statistisch gesehen beenden jedes Jahr mindestens 70% aller Referendare ihre juristische Ausbildung ohne ein vollbefriedigendes Examen. Dass allein aufgrund der hohen Nachfrage nach juristischem Nachwuchs die Erwartungen vieler Kanzleien runtergeschraubt werden müssen (zumindest was die Abschlussnoten angeht), liegt auf der Hand. Gerade dann, wenn man trotz „nur“ durchschnittlicher Noten einen guten Job ergattern will, zahlt sich das Netzwerken besonders aus. Um ein guter Jurist zu sein, muss man schließlich mehr mitbringen, als nur überdurchschnittliche Noten. Das wissen auch Arbeitgeber. So wirkt sich etwa ein positiver und kommunikativer Auftritt besonders auf eine Bewerbung aus. Wenn man hier bereits durch Netzwerken von seinen nichtjuristischen Fähigkeiten überzeugt hat, hat man ebenfalls schon mal einen Fuß in der Tür.
Stellt euch etwa vor, ihr nutzt bewusst die Gelegenheit, mit potenziellen Arbeitgebern auf einem Karriereevent ins Gespräch zu kommen. Solch eine Begegnung kann in vieler Hinsicht ein Türöffner sein. Auch Personalverantwortliche sind nur Menschen. Gerade dann, wenn man sich gut verkaufen kann und gegenseitige Sympathien vorhanden sind, hat man gute Chancen, trotzt „schlechterer“ Noten zumindest zu einem Vorstellungsgespräch geladen zu werden. Ich habe damals auf einer Juristenmesse selbst solch eine positive Erfahrung mit dem Auswärtigen Amt machen können. Der Personalverantwortliche war sehr sympathisch und lud mich nach einem kleinen Smalltalk dazu ein, ihm meine Bewerbungsunterlagen zukommen zu lassen. Da jedoch ein Diplomatenjob dann doch nicht das war, was ich mir vorstellte, führte ich das Bewerbungsprogramm nicht fort.
Fazit
Als Fazit lässt sich festhalten, dass es sich mit Blick auf die späteren Berufschancen durchaus lohnt, sich frühzeitig mit potenziellen Arbeitgebern oder aber auch mit anderen Kollegen zu vernetzen und Kontakte zu knüpfen. Man weiß nie, welche Chancen sich später daraus ergeben. Meist führt das eine auch einfach zum anderen und im besten Fall werdet ihr dann nicht nur auf eure Note reduziert. Gute Juristen werden überall gesucht, unabhängig von der Examensnote. Nutzt daher auch die zahlreichen Möglichkeiten, die die neuen Medien bieten und bleibt im regen Austausch mit anderen Kollegen und Kolleginnen. Ihr könnt nur gewinnen!
-Sinan
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