Keine Angst vor Unfällen in der Klausur
Häufiger Gegenstand von Klausuren und Hausarbeiten im Jurastudium sind die Straßenverkehrsdelikte. Oftmals sind die entsprechenden Vorschriften lang und in verschiedene Delikte unterteilt. Allerdings sind sie auch systematisch und sehr praxisnah, sodass sie gut verstanden werden können.
Überblick über die häufigsten Delikte
Wichtig ist zunächst, dass bei einem Unfall differenziert werden muss bezüglich des Geschehens vor und nach dem Unfall. Wenn in der Klausur ein KFZ involviert ist, sollte man folgende Vorschriften gedanklich abarbeiten: §§316a, 315b, 315c, 315d, 316, 142, 248b StGB und §21 StVG. §21 StVG pönalisiert das Fahren ohne Fahrerlaubnis und wird manchmal bei den Straßenverkehrsdelikten mitverwirklicht. Dazu genügt meist ein kurzer Hinweis im Gutachten.
§316a StGB pönalisiert den räuberischen Angriff auf Kraftfahrer. Diese Vorschrift steht in Tateinheit mit §§249, 252, 255 StGB wegen der unterschiedlichen geschützten Rechtsgüter, ist aber eher selten Teil der Klausur. Bei §316a StGB kann man dann meistens nach oben auf §§249 ff. StGB verweisen. Der Unterschied besteht darin, dass eine Ausnutzung der besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs gegeben sein muss, also dass das KFZ gerade als Transportmittel eine Rolle spielt.
Bei §315b StGB geht es um gefährliche Eingriffe in den Straßenverkehr von außen. Es handelt sich um ein konkretes Gefährdungsdelikt, das heißt, der Täter hat die Tathandlung vorsätzlich und die konkrete Gefahr vorsätzlich bewirkt (§315b Abs. 1 StGB). Wird die Tathandlung vorsätzlich, die Gefahr fahrlässig verursacht, ist §315b Abs. 4 iVm. Abs. 1 StGB zu zitieren und dies ist nach §11 Abs. 2 StGB eine Vorsatztat.
Liegt eine fahrlässige Tathandlung und eine fahrlässige Gefährdung vor, ist §315b Abs. 5 iVm. Abs. 1 StGB zu zitieren. Wichtig ist das Stichwort „Beinahe-Unfall“. Die Tathandlung muss so gefährlich gewesen sein, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob eine Person oder Sache verletzt wurde. Die Vorschrift umfasst nur Eingriffe innerhalb des Straßenverkehrs, wenn eine Pervertierung des Straßenverkehrs für verkehrsfremde Zwecke mit Schädigungsvorsatz vorgenommen wird. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn ein Auto als Waffe zweckentfremdet eingesetzt wird.
§315c StGB verbietet die Gefährdung des Straßenverkehrs, wobei in Nr. 2a – g die sieben Todsünden im Straßenverkehr aufgelistet sind. Es gelten die gleichen Fahrlässigkeitsregelungen wie bei §315b StGB.
Eine Fahruntauglichkeit liegt vor bei 1,1% Blutalkoholkonzentration. Damit ist man absolut fahruntauglich und erfüllt §315c Abs. 1 Nr. 1a StGB, bei Radfahrern liegt die BAK Grenze bei 1,6%.
Die relative Fahruntauglichkeit liegt bei 0,3 – 1,1% vor, es braucht jedoch zusätzliche Beweisanzeichen, die für eine Fahruntüchtigkeit sprechen, ansonsten gilt es ab 0,5% nur als eine Ordnungswidrigkeit (§24a StVG).
Auch die Todsünden brauchen einen Beinahe-Unfall. Dies wird aus der ex ante Sicht eines objektiven Beobachters bestimmt („Das ist ja gerade noch mal gut gegangen!“). Dabei ist eine Verletzung natürlich die stärkste Form der Gefährdung.
Ein besonderes Problem tritt auf, wenn der Fahrer alkoholisiert ist und einen Beifahrer mitnimmt. Wenn nichts passiert, ist die absolute Fahruntüchtigkeit, nach herrschender Meinung, nicht schon die konkrete Gefahr für Mitfahrer. Wenn der Beifahrer weiß, dass der Fahrer alkoholisiert ist, liegt nach einer Ansicht eine einverständliche Fremdgefährdung vor und die objektive Zurechnung entfällt, da das Opfer das Geschehen überblickt. Nach anderer Ansicht entfällt die Rechtswidrigkeit Kraft Einwilligung des Opfers. Die Rechtsprechung nimmt eine rechtfertigende Einwilligung an, aber keinen Ausschluss der Rechtswidrigkeit, da keine Dispositionsbefugnis über das Rechtsgut des Schutzes des Straßenverkehrs aus §315c StGB für den Beifahrer vorliegt. Damit wäre nur noch §316 StGB gegeben und eventuell §229 StGB. Eine Sache von bedeutendem Wert liegt dabei ab 750 Euro vor (es geht um den Wert der Sache, nicht um die Schadenshöhe).
Neu mit dabei – §315d StGB
Der neu eingeführte §315d StGB wurde als Reaktion auf Straßenkraftfahrzeugrennen eingeführt. Bisher war dies nur eine Ordnungswidrigkeit, falls es zu keiner konkreten Gefährdung kam. Nun sind bereits das Veranstalten oder die Teilnahme an einem solchen Rennen strafbar. Kommt es zu einer Tötung, wurde in §315d Abs. 5 StGB dafür eine Erfolgsqualifikation geschaffen, die anders als §§212, 211 StGB keinen Tötungsvorsatz benötigt, sondern der Täter muss gemäß der schweren Folge nur fahrlässig gehandelt haben.
§316 StGB ist wiederum ein abstraktes Gefährdungsdelikt. Es liegt Vorsatz vor, wenn der Täter mit Wissen um seine Fahruntüchtigkeit fährt oder mit ihr zumindest rechnete. Solange der Täter glaubt, noch fahren zu können, besteht kein Vorsatz.
In diesem Zusammenhang kann auch eine Flucht vom Unfallort vorkommen. §142 StGB kommt beim unerlaubten Entfernen vom Unfallort zur Anwendung. Es ist eventuell auch an §§212, 22, 23, 13 StGB zu denken. Das Schutzgut ist das Vermögensinteresse des Unfallbeteiligten und es handelt sich um kein Straßenverkehrsdelikt, daher besteht Tateinheit mit Straßenverkehrsdelikten. Die Vorschrift ist gut mit dem Gesetzeswortlaut zu verstehen:
Besonders hervorzuheben ist in Abs. 1 Nr. 1 eine Warte- und Vorstellungspflicht nach dem Unfall, man muss keine Personalien angeben oder dabei mitwirken, dass diese festgestellt werden, sondern sich nur als Unfallbeteiligter zu erkennen geben.
Abs. 1 Nr. 2 enthält eine Wartepflicht, wenn keine feststellungsbereite Person vorhanden ist.
Es bestand kein Unfall nach herrschender Meinung, wenn der Schaden vorsätzlich herbeigeführt wird, denn ein Unfall ist plötzlich und unerwartet. Eine besondere Problematik ist der bewegte Unfallort. Wird ein Unfall nicht bemerkt und es wird weitergefahren, besteht die Überlegung ob Unfallort dann dort ist, wo man es bemerkt. Laut BGH soll das nicht der Fall sein und dem hat sich auch das Bundesverfassungsgericht im Hinblick auf die Wortlautgrenze des „unvorsätzlichen Entfernens“ angeschlossen.
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Fazit
Man muss sich nur einmal durch das System der Delikte kämpfen und genau den Wortlaut analysieren, um die Fälle lösen zu können. Es bringt wenig, einzelne Fallkonstellationen auswendig zu lernen, da schon kleine Abwandlungen die gesamte Lösung verändern können.