
Heute mit den Entscheidungen des OLG Oldenburg vom 15.01.2025 (Az.: 5 U 55/22), des OLG Köln vom 25.09.2025 (Az.: III-1 ORbs 139/25) sowie des OVG NRW vom 07.10.2025 (Az.: 10 B 1000/25).
Aktuelle Rechtsprechung begleitet dich durch Studium, Referendariat und juristische Praxis – sie ist der Schlüssel zum juristischen Durchblick. Wer weiß, wie Gerichte entscheiden, kann Gesetzesnormen sicher anwenden, rechtliche Zusammenhänge besser einordnen und überzeugend argumentieren. Mit JurCase bleibst du monatlich auf dem Laufenden über relevante Rechtsprechung aus Zivilrecht, Strafrecht und öffentlichem Recht. Schon #GEWUSST?
Die Reihe Aktuelle Rechtsprechung KOMPAKT wird von unserem Redaktionsleiter, Rechtsassessor Sebastian M. Klingenberg, für dich zusammengestellt.
In der heutigen Ausgabe geht es konkret um
- ein Urteil des OLG Oldenburg vom 15.01.2025 (Az.: 5 U 55/22) zur Frage, inwieweit Gesellschafter einer zur Förderung eines Pferdes gegründeten Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zu Lebzeiten entstandene Behandlungskosten zu tragen haben.
- einen Beschluss des OLG Köln vom 25.09.2025 (Az.: III-1 ORbs 139/25) zur Frage, inwieweit eine E-Zigarette am Steuer unter das Handy-Verbot beim Autofahren fällt.
- einen Beschluss des OVG NRW in Münster vom 07.10.2025 (Az.: 10 B 1000/25) zur Frage, inwieweit eine Savannah-Katze in einem allgemeinen Wohngebiet als Haustier gehalten werden darf.
OLG Oldenburg mit Urteil vom 15.01.2025 (Az.: 5 U 55/22) zur Haftung von Pferde-Gesellschafter
Worum geht es?
Ein tragischer Fall mit zivilrechtlicher Sprengkraft: Zwei Gesellschafter gründeten eine GbR zur Förderung eines vielversprechenden Hengstfohlens, das als Deckhengst und Sportpferd Karriere machen sollte. Nach einer neurologischen Erkrankung („hochgradige Ataxie“) verstarb das Tier trotz intensiver tierärztlicher Behandlung. Es entbrannte Streit über die Rückgabe eines vom Gestüt zur Verfügung gestellten Radladers sowie über Ersatz für Tierarztkosten und angebliche Haltungsfehler.
Das Landgericht Aurich sprach dem Gestüt die Herausgabe des Radladers zu und wies die Gegenansprüche ab. Das Oberlandesgericht Oldenburg hob dieses Urteil mit Urteil vom 15.01.2025 (Az. 5 U 55/22) teilweise auf: Durch den Tod des Pferdes sei die Gesellschaft bürgerlichen Rechts beendet. Einzelne Ansprüche könnten daher nicht isoliert, sondern nur im Rahmen einer Auseinandersetzungsbilanz geltend gemacht werden. Der Radlader müsse zwar grundsätzlich herausgegeben werden, dies sei jedoch über die Bilanz abzuwickeln. Schadensersatzforderungen der Pferdeeigentümerin lehnte das OLG mangels Pflichtverletzung ab. Die Tierarztkosten hingegen seien als zu Lebzeiten des Pferdes entstandene Verbindlichkeiten von beiden Gesellschaftern hälftig zu tragen.
Warum sollte ich von dieser Rechtsprechung #GEWUSST haben?
a) Gesellschaftsvertrag mit klarer rechtlicher Einordnung
Auch bei einer ausdrücklich zur gemeinsamen Förderung eines Pferdes geschlossenen Vereinbarung kann ein echter GbR-Vertrag i.S.d. §§ 705 ff. BGB vorliegen – und keine bloße lose Kooperation. Damit greifen automatisch die gesellschaftsrechtlichen Grundsätze zur Vermögensbindung und Auseinandersetzung.
b) Auseinandersetzung nur über die Bilanz – kein isolierter Anspruch
Nach Beendigung der GbR können Ansprüche – etwa auf Herausgabe einzelner Gegenstände – nicht isoliert eingeklagt werden. Sie sind vielmehr Bestandteil der Auseinandersetzungsbilanz, in der sämtliche Forderungen und Verbindlichkeiten gegeneinander aufzurechnen sind. Erst der daraus resultierende Saldo kann eingeklagt werden.
c) Fortbestehen der Gesellschaft bis zur vollständigen Abwicklung
Selbst nach der Mitnahme des Pferdes blieb die Gesellschaft bestehen. Damit entstanden während der „Abwicklungsphase“ noch gemeinsame Verbindlichkeiten – hier: Tierarztkosten –, die anteilig zu tragen sind.
d) Keine Schadensersatzpflicht ohne Pflichtverletzung
Eine Haftung des Gestüts kam nicht in Betracht, weil das OLG eine genetisch bedingte Fehlbildung des Pferdes feststellte. Das verdeutlicht: Bei der Abgrenzung von Tiergefahren und Haltungsfehlern kommt es entscheidend auf sachverständige Feststellungen an.
e) Praxisrelevanz für Examensklausuren und Tierhaltungsfälle
Der Fall bietet eine hervorragende Verbindung von Gesellschaftsrecht, Schuldrecht und Deliktsrecht. Insbesondere die Grundsätze zur Abwicklung von GbR-Verhältnissen sind examensklassisch und werden häufig in Kombination mit atypischen Lebenssachverhalten – wie hier im Pferdebereich – geprüft.
JurCase informiert:
Das Urteil des OLG Oldenburg vom 15.01.2025 (Az.: 5 U 55/22) zur Haftung von Pferde-Gesellschafter findest du kostenlos HIER im Niedersächsisches Vorschrifteninformationssystem (NI-VORIS).
OLG Köln mit Beschluss vom 25.09.2025 (Az.: III-1 ORbs 139/25) zur E-Zigarette am Steuer eines Kraftfahrzeugs
Worum geht es?
Das OLG Köln hatte in seinem Beschluss vom 25.09.2025 (Az.: III-1 ORbs 139/25) über eine eher ungewöhnliche Variante des „Handyverbots“ nach § 23 Abs. 1a StVO zu entscheiden.
Ein Autofahrer war auf der Autobahn dabei beobachtet worden, wie er am Steuer Tippbewegungen auf einem Gerät vornahm. Die Polizei ging von der Nutzung eines Mobiltelefons aus und verhängte ein Bußgeld von 150 Euro.
Im Verfahren stellte sich jedoch heraus, dass der Betroffene gar kein Handy, sondern eine E-Zigarette bedient hatte, genauer: Er hatte die Dampfstärke über ein Touchdisplay verändert.
Sowohl das Amtsgericht Siegburg als auch das OLG Köln sahen hierin dennoch einen Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO. Denn auch die E-Zigarette sei ein elektronisches Gerät mit einem „Berührungsbildschirm“ im Sinne des Gesetzes. Die Bedienung während der Fahrt berge ein vergleichbares Ablenkungspotenzial wie das Nutzen eines Smartphones und sei daher verboten.
Der Mann muss die Geldbuße von 150 Euro zahlen und erhält zusätzlich einen Punkt in Flensburg.
Warum sollte ich von dieser Rechtsprechung #GEWUSST haben?
a) Weil § 23 Abs. 1a StVO weiter greift, als viele denken.
Das „Handyverbot“ betrifft nicht nur Telefone. Nach dem weiten Wortlaut des Gesetzes sind alle Geräte mit Touchdisplay erfasst – also auch E-Zigaretten, Smartwatches, Musikplayer oder Tablets.
b) Weil es im Alltag schnell teuer werden kann.
Die Entscheidung zeigt: Selbst ein kurzer Blick oder Fingertipp auf ein Display kann dreistellige Bußgelder und Punkte nach sich ziehen – unabhängig davon, ob telefoniert, gedampft oder nur „kurz nachgeschaut“ wird.
c) Weil sie für die Verkehrspraxis hochrelevant ist.
Auch wenn der Fall keine klassische Examensrelevanz hat, betrifft er alltägliche Verkehrssituationen. Gerade in Bußgeldverfahren oder bei verkehrsrechtlichen Mandaten kann die Entscheidung Orientierung bieten
d) Weil das OLG das Ablenkungspotential ausdrücklich betont.
Das Gericht stellt klar, dass die Gefährdung durch Ablenkung der zentrale Maßstab ist. Damit rückt die Verkehrssicherheit stärker in den Vordergrund – unabhängig vom konkreten Gerätetyp.
e) Weil Verteidigungsstrategien hier eng begrenzt sind.
Das Urteil zeigt zugleich, dass eine Berufung auf den „bloßen Hilfszweck“ eines Geräts (wie das Einstellen der Dampfstärke) kaum Aussicht auf Erfolg hat, wenn ein Display im Spiel ist.
JurCase informiert:
Den Beschluss des BGH des OLG Köln vom 25.09.2025 (Az.: III-1 ORbs 139/25) ist aktuell nicht als Volltext verfügbar [Stand: 15.10.2025].
OVG NRW mit Beschluss vom 07.10.2025 (Az.: 10 B 1000/25) zur Haltung einer Savannah-Katze als Haustier
Worum geht es?
Das OVG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 07.10.2025, Az.: 10 B 1000/25) hatte über die Haltung einer sogenannten Savannah-Katze der F1-Generation zu entscheiden – also einer direkten Kreuzung zwischen einer afrikanischen Wildkatze (Serval) und einer Hauskatze.
Ein Ehepaar aus Kleve wollte seine Katze „Muffin“ in einem allgemeinen Wohngebiet halten. Nach einem Hinweis des Kreisveterinäramts ordnete jedoch die Stadt Kleve per Ordnungsverfügung an, die Haltung innerhalb von zwei Wochen einzustellen.
Die Halter wehrten sich dagegen zunächst erfolglos vor dem VG Düsseldorf (Az. 11 L 2509/25) und anschließend vor dem OVG in Münster. Beide Gerichte bestätigten die Anordnung: Eine Savannah-Katze der F1-Generation sei nicht als übliches und ungefährliches Haustier im Sinne des § 4 BauNVO anzusehen.
Der Senat verwies darauf, dass die Kleintierhaltung im allgemeinen Wohngebiet nur zulässig sei, wenn sie üblich, ungefährlich und dem Wohnzweck zugeordnet ist. Da in anderen Bundesländern diese Tierart sogar als gefährlich eingestuft wird, fehle es an der Ungefährlichkeit und der Üblichkeit.
Auch der Verweis auf Justin Bieber, der in den USA Savannah-Katzen hält, half nicht: Das mag die Nachfrage steigern, ändere aber nichts an der rechtlichen Bewertung nach deutschem Verwaltungsrecht.
Warum sollte ich von dieser Rechtsprechung #GEWUSST haben?
a) Weil sie die Grenzen der „tierlieben Wohnnutzung“ aufzeigt.
Die Entscheidung verdeutlicht, dass Kleintierhaltung zwar grundsätzlich zum Wohnen gehört, aber dort endet, wo von den Tieren Gefahren oder erhebliche Störungen ausgehen.
b) Weil § 4 BauNVO in der Praxis erstaunlich relevant ist.
Gerade bei neuartigen oder exotischen Haustieren (von Hühnern über Schlangen bis hin zu Hybridkatzen) kommt es regelmäßig zu Streitigkeiten mit Ordnungsbehörden und Nachbarn.
c) Weil sie ein gutes Beispiel für die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe ist
Das OVG musste hier die Begriffe „üblich“, „ungefährlich“ und „dem Wohnen dienend“ konkretisieren – ein Paradebeispiel für Prüfungsfragen im Öffentlichen Recht.
d) Weil sie die Rolle fachbehördlicher Einschätzungen betont.
Das Gericht stützte sich maßgeblich auf die Bewertung des Veterinäramts und die Praxis anderer Bundesländer – ein Hinweis darauf, wie stark behördliche Einschätzungen das Ergebnis prägen können.
e) Weil der Fall zeigt, dass Prominenz kein Rechtsargument ist.
Die Berufung auf prominente Tierhalter mag Schlagzeilen bringen, ersetzt aber keine rechtliche Relevanz. Das OVG bleibt bei einer nüchternen, sachlichen Bewertung.
JurCase informiert:
Den Beschluss des OVG NRW in Münster vom 07.10.2025 (Az.: 10 B 1000/25) findest du kostenlos HIER auf openJur.