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Gebrauchtwagen-Fälle im Zivilrecht

By 22. April 2020Oktober 11th, 2023No Comments
Zivilrecht

Gebrauchtwagen-Fälle im Zivilrecht

Einleitung

Gebrauchtwagen sind eines der beliebtesten Themen für zivilrechtliche Fälle, Klausuren und beide Examina. Dieser Artikel stellt die Besonderheiten von Gebrauchtwagen im Kaufrecht und im Sachenrecht heraus. Dabei wird sich nur auf die höchstrichterliche Rechtsprechung des BGH und einiger Oberlandesgerichte konzentriert.

Gebrauchtwagen im Kaufrecht

Wird ein Gebrauchtwagen von einem Verbraucher bei einem Händler gekauft, sind zunächst die Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf aus §474 BGB zu beachten (so auch BGH Urt. v. 12.10.2016, Az. VIII ZR 103/15). Dies hat zur Folge, dass die Verjährung von Gewährleistungsansprüchen des Käufers gegen den Händler gem. §476 Abs. 2 BGB nicht weniger als ein Jahr betragen dürfen. Weiterhin greift eine Beweislastumkehr aus §477 BGB, sodass der Händler bei einem auftretenden Mangel am Fahrzeug innerhalb von sechs Monaten nach dem Kauf beweisen muss, dass die Sache nicht schon beim Kauf mangelhaft war. Im Falle eines Mangels steht dem Händler gem. §439 Abs. 1 BGB ein Recht zur zweimaligen Nachbesserung zu, bevor für den Käufer ein Rücktrittsrecht entsteht.

Steigen wir mit einem der bedeutendsten Urteile vom BGH (Urt. v. 10.10.2007, Az. VIII ZR 330/06) ein. Der Käufer eines Gebrauchtwagens darf als übliche Beschaffenheit iSv. §434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB erwarten, dass der PKW keinen Unfall erlitten hat, bei dem mehr als nur ein Bagatellschaden die Folge war. Dieser Mangel berechtigte zum Rücktritt, denn ein Unfallwagen kann durch die beste Nachbesserung nicht zu einem unfallfreien Wagen werden.

Laut dem OLG Karlsruhe (Beschl. v. 25.10.2010, Az. 4 U 71/09) muss ein Gebrauchtwagenhändler den Kunden ungefragt darüber informieren, dass der PKW nachlackiert wurde. Diese Lackierung sei ein Hinweis auf einen Unfallschaden, den der Verkäufer nicht verstecken durfte.

Der BGH (Urt. v. 25.09.2013, Az. VIII ZR 206/12) hat entschieden, dass der Käufer eines Gebrauchtwagens keine Pflicht habe, den PKW in einer Vertragswerkstatt warten zu lassen. Dies sei eine unangemessene Benachteiligung. Dabei hatte der Gebrauchtwagenhändler dem Käufer eine Garantie (§443 BGB) unter der Bedingung gegeben, dass nur eine Vertragswerkstatt aufgesucht wird. Diese Garantie sei laut BGH Teil des Kaufs und somit unterliegt die Wartungsklausel der AGB-Kontrolle. Die Klausel stellt eine unangemessene Benachteiligung iSv. §307 Abs. 1 S. 1 BGB dar und ist damit unwirksam.

Weiterhin nach dem BGH (Urt. v. 15.06.2016, Az. VIII ZR 134/15) stellt eine fehlende Herstellergarantie, die nach Angabe des Gebrauchtwagenhändlers noch bestand, einen Sachmangel (§434 BGB) dar und berechtigt den Käufer zum Rücktritt. Dies wird damit begründet, dass die Herstellergarantie ein Beschaffenheitsmerkmal darstelle und damit eine wirtschaftliche Bedeutung beim Kauf habe.

Ein weiteres spannendes BGH Urteil (Urt. v. 26.10.2016, Az. VIII ZR 240/15): Wenn der Käufer einen Mängel am Auto findet, dass Auto aber beim Händler wieder einwandfrei funktioniert, dann steht dem Käufer trotz Vorführeffekt ein Nacherfüllungsanspruch zu. Wenn es sich um einen sicherheitsrelevanten Mangel handelt, kann sogar auf Grund von §440 S. 1 BGB ein direkter Rücktritt ohne Frist zur Nachbesserung gerechtfertigt sein.

Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht hat entschieden (Urt. v. 21.12.2016, Az. 3 U 22/12), dass der Käufer eines Gebrauchtwagens keinen Anspruch auf Rückabwicklung eines Kaufvertrages habe, wenn er den Mangel am Fahrzeug selbst reparieren lässt und erst danach den Rücktritt erklärt. Als Begründung wurde angeführt, dass der PKW zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung nicht mehr mangelhaft war und somit sei kein Rücktrittsrecht gegeben war. Weiterhin wird das oben genannte Recht zur zweiten Andienung des Händlers unterlaufen.

Nach dem BGH (Urt. v. 15.04.2015, Az. VIII ZR 80/14) bedeutet eine Beschreibung des Gebrauchtwagenhändler mit „TÜV neu“, dass das Auto verkehrssicher ist. Sonst dürfen Käufer zurücktreten, auch wenn eine arglistige Täuschung des Händlers nicht feststeht.

Ein kleines Schmankerl zum Schluss: Laut BGH (Urt. v. 18.01.2017, Az. VIII ZR 234/15) stellt es einen Rechtsmangel (§435 BGB) dar, wenn ein Gebrauchtwagen in einer internationaler Fahndungsausschreibung steht. Der Käufer ist dann zum Rücktritt berechtigt.

Wir merken uns: in dubio pro Verbraucher.

Gebrauchtwagen im Sachenrecht

Wichtig ist beim Kauf eines Gebrauchtwagens sachenrechtlich die Zulassungsbescheinigung Teil II (auch genannt: Fahrzeugpapiere/Fahrzeugschein/Kfz-Brief). Das Eigentum am Brief steht gem. §952 BGB dem Eigentümer des KFZ zu. Der Besitz am Brief und die Eintragung in diesen stellen beim Kauf ein Indiz für das Eigentum am KFZ dar. Bei einem Kauf von einer Privatperson ist zu beachten, dass nach der ständigen Rechtsprechung der Erwerber sich die Zulassungsbescheinigung Teil II vorlegen lassen muss, um gutgläubig Eigentum am Fahrzeug erwerben zu können, wenn der Verkäufer gar nicht Eigentümer des Fahrzeuges ist (§932 Abs. 2 BGB). Tut er dies nicht, handelt er grob fahrlässig. Der bloße Besitz des Wagens legitimiert die Privatperson nicht als Eigentümer des Fahrzeugs.

Anders beim Gebrauchtwagenhändler. Ist dieser in Besitz des Briefes, aber nicht Eingetragener, reicht der Briefbesitz als Rechtsschein für seine Verfügungsbefugnis (siehe §366 HGB). Bei der Einbehaltung des KFZ-Briefs bei Übergabe des PKW ist an einen Eigentumsvorbehalt (§449 BGB) zu denken.

Fazit

Auf Grund der hohen Fehleranfälligkeit von Gebrauchtwagen und den zahlreichen Rechtsstreitigkeiten um diese bietet die Rechtsprechung eine Fülle von Fällen für Klausurersteller. Wer noch tiefer in die Materie einsteigen möchte, sollte sich auch die Problematik des „Agenturmodells“ beim Verbrauchsgüterkauf anschauen, dort wird versucht, die strengen verbraucherschützenden Vorschriften zu umgehen!

P.S.: Ein Pferd ist übrigens kein Gebrauchtwagen, siehe BGH Urt. v. 30.10.2019, Az. VIII ZR 69/18. 😉

Lisa-Marie

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Beitragsautor:

Lisa-Marie Schuchardt

Lisa-Marie Schuchardt

Lisa-Marie absolvierte nach ihrem Jurastudium ein Auslandsstudium in Aberdeen für den Master of Laws (LL.M.). Zu Beginn ihrer Tätigkeit bei uns schrieb sie hauptsächlich über das Studium. Im Anschluss dessen berichtete sie von ihrem Masterstudium. Außerdem leistete sie einen maßgeblichen Beitrag für unsere #Gewusst-Reihe.

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